Leitsatz (amtlich)
Wer auf fremdem Grund für eigene Rechnung ein eigengenutztes Einfamilienhaus errichtet, kann als wirtschaftlicher Eigentümer zur Inanspruchnahme der Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG berechtigt sein, wenn ihm für den Fall der Nutzungsbeendigung ein Anspruch auf Ersatz des Verkehrswertes des Gebäudes zusteht. Ein solcher Anspruch kann sich aus einer vertraglichen Vereinbarung oder aus dem Gesetz, insbesondere aus Bereicherungsrecht, ergeben.
Sachverhalt
Der Kläger errichtete für eigene Rechnung auf dem Grundstück seiner Mutter ein Einfamilienhaus, das er nach Fertigstellung ab Oktober 1993 zu eigenen Wohnzwecken nutzte. Mit privatschriftlicher Vereinbarung vom 18.1.1993 überließ die Mutter Grundstück und Gebäude dem Kläger unentgeltlich zur ausschließlichen Nutzung. Dafür verzichtete er auf "seinen Aufwendungsersatzanspruch für die Errichtung des Gebäudes". Die Nutzung wurde für 50 Jahre überlassen mit einer Verlängerungsoption für weitere 10 Jahre. Sofern nach Ablauf dieses Zeitraums keine weitere Vereinbarung über die Nutzung des Grundstücks zustande kommen sollte, hatte die Mutter bzw. hatten deren Erben dem Kläger den verbleibenden Restwert des Gebäudes zu vergüten. Ende 1995 übertrug die Mutter das Grundstück unentgeltlich auf den Kläger. Für das Streitjahr 1993 begehrte der Kläger die Wohneigentumsförderung nach § 10e Abs. 1, Abs. 6 und Abs. 6a EStG. Das Finanzamt lehnte dies mangels Eigentums des Klägers an dem Grundstück ab. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Die Revision blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Zutreffend hat das FG dem Kläger als wirtschaftlichem Eigentümer die Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG zugestanden. Sowohl die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 als auch der Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 Satz 1 und der Schuldzinsenabzug nach § 10e Abs. 6a EStG setzen voraus, dass der Steuerpflichtige eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung im eigenen Haus hergestellt oder angeschafft hat. Er muss Eigentümer des begünstigten Objekts sein. In Fällen, in denen zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum am Gebäude nicht übereinstimmen, steht die Förderung dem wirtschaftlichen Eigentümer zu.
Im Streitfall ist die Mutter des Klägers als Grundstückseigentümerin zivilrechtlich auch Eigentümerin des Gebäudes geworden, weil der Kläger dieses weder in Ausübung eines dinglichen Rechts noch zu einem vorübergehenden Zweck errichtet hat. Er ist aber jedenfalls wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes geworden. Errichtet jemand im eigenen Namen und für eigene Rechnung auf einem fremden Grundstück ein Gebäude, ist der Grundstückseigentümer grundsätzlich zivilrechtlicher und zugleich wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes, wenn dessen Errichtung sowohl dem Interesse des Bauenden als auch dem des Grundstückseigentümers dient, der Wert des Gebäudes sich nicht innerhalb der vereinbarten Nutzungszeit verzehrt und nach Ablauf der Nutzungszeit die Verhältnisse neu gestaltet werden können. Dagegen ist der Bauende als wirtschaftlicher Eigentümer zu beurteilen, wenn er aufgrund eindeutiger im Voraus getroffener und tatsächlich durchgeführter Vereinbarungen die wirtschaftliche Verfügungsmacht und Sachherrschaft - unter dauerndem Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers - inne hat, weil ihm allein Substanz und Ertrag des Gebäudes für dessen voraussichtliche Nutzungsdauer zusteht.
Nach der privatschriftlichen Vereinbarung vom 18.1.1993 stand dem Kläger die alleinige Nutzung des Grundstücks und des von ihm für seine Wohnzwecke errichteten Gebäudes für mindestens 50 Jahre mit einer Verlängerungsoption für weitere 10 Jahre zu. Nach Ablauf der vereinbarten Nutzungszeit von 60 Jahren hätte der Kläger nach dem Vertrag, sofern keine weitere Nutzungsvereinbarung zustande gekommen wäre, einen Anspruch auf Vergütung des "verbliebenen Restwerts" des Gebäudes gehabt. Aber auch bei einer vorzeitigen Beendigung der Nutzung hätte der Kläger gegen die Mutter oder deren Erben einen Anspruch auf Ersatz des Zeitwertes gehabt. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger in der Vereinbarung vom 18.1.1993 auf "seinen Aufwendungsersatzanspruch für die Errichtung des Gebäudes" verzichtet hat. Der Verzicht war Gegenleistung für die unentgeltliche Überlassung des Grundstücks und galt somit nur für die Dauer der Nutzungsüberlassung. Er steht damit wirtschaftlich einer Stundung des Entschädigungsanspruchs gleich.
Link zur Entscheidung
BFH vom 18.7.2001 – X R 23/99