Leitsatz
- Ein Unternehmer, der ein Gebäude errichtet, das er teilweise unternehmerisch und teilweise nichtunternehmerisch (zu eigenen Wohnzwecken) nutzt, darf das Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und die auf das gesamte Gebäude – einschließlich des nichtunternehmerisch genutzten Teils – entfallenden Vorsteuerbeträge nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 UStG abziehen.
- Die (teilweise) Verwendung des dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes für den privaten Bedarf des Unternehmers ist keine steuerfreie Grundstücksvermietung i.S. des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG und schließt deshalb den Vorsteuerabzug nicht gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG aus (Änderung der Rechtsprechung).
- Die nichtunternehmerische Verwendung des Gebäudes unterliegt als steuerpflichtiger Eigenverbrauch der Umsatzbesteuerung.
Sachverhalt
Ein Gartenbau-Unternehmer errichtete 1995 ein Gebäude, das er (insgesamt) seinem Unternehmen zuordnete und seit Fertigstellung teilweise unternehmerisch und teilweise für eigene Wohnzwecke nutzte. Aus der Errichtung des Gebäudes machte er Vorsteuerbeträge in Höhe von insgesamt 85973,06 DM geltend, wovon 34293,65 DM auf den für eigene Wohnzwecke genutzten Teil des Hauses entfielen. Im Hinblick auf die nichtunternehmerische Verwendung dieses Teils des Hauses erklärte er einen steuerpflichtigen Eigenverbrauch in Höhe von 5359 DM und eine darauf entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 803,85 DM.
Dagegen beurteilte das Finanzamt die nichtunternehmerische Nutzung des Gebäudes als steuerfreien Eigenverbrauch und versagte dem Kläger insoweit den Vorsteuerabzug. Im Revisionsverfahren holte der BFH eine Vorabentscheidung des EuGH zu dieser Frage ein. Der EuGH-Entscheidung folgte der BFH mit dem Besprechungsurteil.
Entscheidung
Dem Unternehmer stand der beantragte volle Vorsteuerabzug aus der Gebäudeerrichtung zu, weil er das Gebäude nicht für steuerfreie Umsätze verwendete.
Als Folge des EuGH-Urteils war die bisherige Praxis aufzugeben, den Eigenverbrauch durch Verwendung einer Wohnung im Betriebsgebäude zu privatem Wohnen als einen nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfreien Eigenverbrauch zu behandeln, der gem. § 15 Abs. 2 UStG insoweit den Vorsteuerabzug ausschließt. Dieser Eigenverbrauch ist vielmehr steuerpflichtig, weil es dafür nach der Vorgabe der 6. RL keine Befreiungsvorschrift gibt. Folge ist, dass der Vorsteuerabzug aus der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes, das von Anfang an voll dem Unternehmen zugeordnet wird, durch die private Wohnnutzung nicht ausgeschlossen ist.
Praxishinweis
Jeder gemischt genutzte Gegenstand, den der Unternehmer zu mindestens 10 % für sein Unternehmen verwendet, kann nach EuGH- und BFH-Rechtsprechung voll dem Unternehmen zugeordnet werden. Dann ist die private Verwendung allerdings gem. § 3 Abs. 9a UStG zu versteuern, soweit der Gegenstand zum Vorsteuerabzug berechtigt hat und die Verwendung nicht steuerfrei ist. Wohnen im Betriebsgebäude fällt nicht unter die Befreiung für Grundstücksvermietung. Denn eine Eigennutzung ist keine Vermietung, weil kein Mietzins gezahlt und keinem andern die ausschließliche Nutzung eingeräumt wird; bei unentgeltlicher Überlassung an Dritte fehlt die Mietzinszahlung.
Die volle Zuordnung solcher gemischt genutzter Gebäude zum Unternehmen dürfte i.d.R. günstig sein, weil sie zum "sofortigen" vollen Vorsteuerabzug aus Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten führt. Die jetzt geltende Versteuerung des "Eigenverbrauchs" für das Wohnen fällt weniger ins Gewicht, weil dessen Bemessungsgrundlage sich im wesentlichen auf die Abschreibungen beschränkt. Die meist hohen Finanzierungsaufwendungen scheiden – weil ohne Vorsteuerabzugsberechtigung – aus der Bemessungsgrundlage aus.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.07.2003, V R 39/99