Risikoausschluss nur bei Neubau
Das Landgericht Frankfurt/M. hat entschieden, dass ein in der Wohngebäudeversicherung vereinbarter Risikoausschluss wegen "fehlender Bezugsfertigkeit" nur für neu errichtete Gebäude, nicht jedoch bei Umbauarbeiten gilt, wenn die Gebäude davor bereits bezugsfertig waren.
Die Parteien hatten einen Gebäudeversicherungsvertrag (Gebündelte Sachversicherung Feuer, Leitungswasser, Sturm) u. a. über das im Eigentum der Klägerin stehende Studentenwohnheim abgeschlossen. Es lagen die AWB 87 der Beklagten zugrunde. Dort hieß es u. a.: "Nicht versichert sind Gebäude, die nicht bezugsfertig sind, und die in diesen Gebäuden befindlichen Sachen."
Leitungswasserschaden
In dem Studentenwohnheim kam es zu einem Schaden durch bestimmungswidrig ausgetretenes Leitungswasser. Das Gebäude befand sich im Schadenszeitpunkt in einer Sanierungsphase. Es sollten u. a. sämtliche Bäder, Fenster, Küchen und die Fassade erneuert werden. Auf jeder Etage wurde in den Gemeinschaftsräumen ein neues Appartement geschaffen und hierfür die Leitungswasserstränge verändert.
Streit um fehlende Bezugsfertigkeit
Die Beklagte lehnte die Regulierung der Schäden mit der Begründung ab, es bestehe gem. § 2 Nr. 2 Satz 2 AWB 87 kein Versicherungsschutz, da das Studentenwohnheim bei Schadenseintritt nicht bezugsfertig gewesen sei.
Erfolgreiche Klage
Das Gericht gab der Klage auf Ersatz der Reparaturkosten statt.
Soweit in § 2 Nr. 2 Satz 2 AWB 87 geregelt war, dass nicht bezugsfertige Gebäude nicht versichert waren, galt dies – so das Gericht – nur für die fehlende Bezugsfertigkeit von neu errichteten Gebäuden.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH braucht der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die entsprechende Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht.
Klauselauslegung
Nach diesen Grundsätzen war die Regelung in § 2 Nr. 2 Satz 2 AWB 87 so auszulegen, dass nur der Erstbezug eines neu zu errichtenden Gebäudes nicht vom Versicherungsschutz erfasst wurde.
Ist das Gebäude nach der baulichen Fertigstellung bezugsfertig, wird die Bezugsfertigkeit durch spätere Sanierungs- oder Umbaumaßnahmen nicht wieder aufgehoben.
Zwar war der Beklagten zuzugeben, dass ein erhöhtes Risiko nicht nur vor der Fertigstellung des Gebäudes, sondern auch bei Sanierungs- und Umbaumaßnahmen bestand und der Eigentümer die Möglichkeit hatte, Versicherungsschutz im Rahmen der Bauleistungsversicherung auch für die Bausubstanz zu erlangen. Ein Versicherungsnehmer muss aber nicht damit rechnen, dass der Versicherungsschutz abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch auch bei Sanierungs- und Umbaumaßnahmen ausgeschlossen ist. Der Versicherer hat es in der Hand, den Versicherungsschutz auch in diesem Fall durch eine eindeutige Regelung auszuschließen (wie dies in der Vorgängerregelung des § 9 Nr. 3a VGB 88 der Fall war).
Schutzwürdiges Interesse des Versicherungsnehmers geht vor
Der Ausschluss des § 2 Nr. 2 Satz 2 AWB 87 würde – so das Gericht – selbst dann nicht greifen, wenn die Regelung so ausgelegt würde, dass die Bezugsfertigkeit auch bei Umbaumaßnahmen fehlen könnte. In diesem Fall entfiele die Bezugsfertigkeit nur, wenn eine tiefgreifende Umgestaltung des versicherten Gebäudes vorgenommen würde, die in ihrer Qualität Ähnlichkeiten mit der Neuerrichtung aufweisen müsste, mithin so weit in die Gebäudesubstanz eingriffe, dass das Gebäude insgesamt für seine ursprüngliche Bestimmung nicht mehr nutzbar erschiene.
Keine Neuerrichtung
Dies war hier aber nicht der Fall. Die Sanierungsmaßnahmen weisen keine Ähnlichkeit mit der Neuerrichtung auf und das Gebäude blieb als Studentenwohnheim nutzbar. Die Erneuerung der Bäder, Fenster, Küchen und der Fassade sowie die Schaffung eines neuen Appartements auf jeder Etage stellt zwar eine grundlegende Sanierung dar, aber keine tiefgreifende Umgestaltung des Gebäudes.
(LG Frankfurt/M., Urteil v. 18.3.2016, 2-08 O 259/14)