Härtefall?
Nach § 1361b Abs. 1 BGB kann während der Trennungszeit jeder Ehegatte die Zuweisung der Ehewohnung an sich verlangen, wenn dies auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Doch wann liegt eine solche Härte vor?
Drei sind einer zu viel!
Eine Ehefrau, 64 Jahre alt, begehrte von ihrem getrennt lebenden jüngeren Ehemann die Überlassung der ehelichen Wohnung, die im Alleineigentum des Mannes steht. Sie fühlte sich gestört durch die – mitunter auch nächtlichen – Aufenthalte der neuen Lebensgefährtin des Mannes in dieser Wohnung. Trotz ihrer Aufforderung, dies zu unterlassen, fanden weitere Besuche der "Neuen" in der Ehewohnung statt. Daraufhin beantragte sie bei dem Familiengericht, ihr die Wohnung im Wege der einstweiligen Anordnung zur alleinigen Nutzung zuzuweisen. Erst das OLG Hamm gab ihr Recht.
Grundsätze für Zuweisung
Das weitere Zusammenwohnen stellt nach Meinung des Gerichts für die Antragstellerin eine unbillige Härte i. S. d. § 1361b Abs. 1 BGB dar. Diese erfordert allgemein, dass aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise die Zuweisung unter Berücksichtigung sämtlicher Belange der Beteiligten dringend erforderlich ist, um eine ganz erhebliche Belastung des die Zuweisung Begehrenden abzuwenden, die ihre Ursache im Zusammenleben haben muss. Bloße Belästigungen und Unannehmlichkeiten genügen nicht.
Neuer Lebensgefährte
Allerdings ist anerkannt, dass eine unbillige Härte dann vorliegen kann, wenn ein Ehegatte seinen neuen Lebensgefährten in die Wohnung aufnimmt. Dafür genügt, dass bei einem Verbleib des Lebensgefährten des einen Ehegatten in der Ehewohnung trotz Räumungsbegehrens des anderen Ehegatten ein einigermaßen erträgliches Zusammenleben in der Ehewohnung nicht mehr zu erwarten und unter Beachtung der seelischen Integrität des anderen Ehegatten ein Zusammenleben diesem auch nicht mehr zuzumuten ist. Vorliegend fanden fast täglich Besuche statt, häufig mit Übernachtung. Angesichts der beengten Wohnverhältnisse gibt es zudem keine Möglichkeit, sich während der Besuche aus dem Weg zu gehen, sodass diese für die Antragstellerin eine erhebliche Herabsetzung ihrer Lebensqualität zur Folge haben.
Interessenabwägung
Zur Vermeidung dieser unbilligen Härte sei die Zuweisung der Ehewohnung auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten erforderlich. Aufgrund des bestehenden Eigentums des Antragsgegners ist zwar die Eingriffsschwelle für eine Zuweisung der Wohnung an die Antragstellerin anzuheben. Es liegen jedoch auch die damit erforderlichen sehr schwerwiegenden Gründe für eine Zuweisung an sie vor. Denn sie ist aufgrund ihres Alters und ihrer beschränkten finanziellen Verhältnisse als Rentnerin nur unter erschwerten Bedingungen in der Lage, neuen angemessenen Wohnraum zu finden. Der Antragsgegner ist dagegen jünger und wirtschaftlich leistungsfähiger. Überdies hat der Antragsgegner durch die Gestattung der Übernachtungsbesuche seiner Lebensgefährtin in der Ehewohnung gegen den erklärten Willen der Antragstellerin die Zuspitzung der Verhältnisse zwischen den getrennten Ehegatten maßgeblich herbeigeführt.
Befristung
Allerdings sei die Überlassung der Ehewohnung zu befristen bis zum Ende des Trennungsjahres. Gründe für eine längere Frist seien nicht ersichtlich, da mit Ablauf des Trennungsjahres das Alleineigentum des Antragsgegners als Abwägungsposition die für die Zuweisung streitenden Gesichtspunkte überwiegen wird.
Nutzungsentgelt
Auf den Gegenantrag des Antragsgegners hin ist der Antragstellerin für die Zeit der Zuweisung die Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 250 EUR aufzuerlegen, da dies der Billigkeit entspreche (§ 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB).
(OLG Hamm, Beschluss v. 28.12.2015, 2 UF 186/15, FamRZ 2016 S. 1082)