Leitsatz

Der IX. Senat des BFH legt dem Großen Senat folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vor: Ist die verbindliche Entscheidung über die Einkünfte eines betrieblich an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft beteiligten Gesellschafters – sowohl ihrer Art als auch ihrer Höhe nach – durch das für die persönliche Besteuerung dieses Gesellschafters zuständige (Wohnsitz-)Finanzamt zu treffen?

 

Sachverhalt

Es geht in diesen Verfahren darum, ob die Einkünfte des Steuerpflichtigen, die dieser aus Beteiligungen an verschiedenen Grundstücksgesellschaften erzielt hat und die auf der Ebene dieser Gesellschaften jeweils als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. S. des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG festgestellt worden sind, bei seiner ESt-Veranlagung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugrunde gelegt werden können.

 

Entscheidung

Der IX. Senat hat die im Leitsatz formulierte und in der Rechtsprechung wie auch im Schrifttum kontrovers diskutierte Frage dem Großen Senat vorgelegt, weil er diese Frage – anders als andere Senate des BFH – bejahen und die sog. Umqualifizierung auf der Gesellschafterebene, also bei der ESt-Veranlagung, vornehmen möchte.

Es gibt drei denkbare Wege, die Einkünfte eines gewerblich beteiligten Steuerpflichtigen an einer Zebra-Gesellschaft in der richtigen Einkunftsart zu erfassen:

  • Umqualifizierung auf der Gesellschafterebene, so der VIII. Senat des BFH[1];
  • Umqualifizierung auf der Gesellschaftsebene, so vor allem der IV. Senat des BFH[2];
  • Umqualifizierung auf beiden Ebenen, so der III. Senat des BFH[3].

Nach der Lösung des III. Senats hat über das "Ob" der Umqualifizierung das Gesellschafterfinanzamt im ESt-Bescheid und über das "Wie" das Gesellschaftsfinanzamt im Feststellungsbescheid zu entscheiden. Beide Bescheide stehen zueinander in wechselseitiger Abhängigkeit jeweils als Grundlagen- und Folgebescheid (sog. ping-pong-Lösung).

Der IX. Senat möchte der ersten Lösung folgen und reklamiert für diese Auffassung den Wortlaut des § 180 Abs. 1 Nr. 2 a) AO, der von den nämlichen Einkünften der von der Personenmehrheit verwirklichten Einkunftsart ausgeht.

 

Praxishinweis

Auch die Finanzverwaltung bevorzugt eine ähnliche Vorgehensweise, wie sie der IX. Senat vertritt und wendet die ping-pong-Lösung des III. Senats als zu kompliziert nicht an[4]. Der III. Senat mit seiner fast als genial zu bezeichnenden Problembehandlung ist zwar juristisch kaum angreifbar und umgeht die davon abweichenden Auffassungen der anderen Senate recht geschickt, allerdings um den Preis eines schwierigen Spiels auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene.

Wie auch immer der Große Senat die Frage beantwortet – seine Entscheidung wird für Rechtsklarheit sorgen. Es ist für den Rechtsanwender auf Dauer nämlich nicht zumutbar, wenn Verwaltung und Gerichte insgesamt drei ganz unterschiedliche Lösungsansätze vertreten und er nicht sicher weiß, auf welcher Ebene welche Entscheidung getroffen werden muss.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 30.10.2002, IX R 80/98

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