Leitsatz
Ein (reines) Vorlageverlangen i.S. des § 97 AO liegt nur dann vor, wenn das Finanzamt die vorzulegenden Unterlagen so konkret und eindeutig benennt, dass sich die geforderte Tätigkeit des Vorlageverpflichteten auf rein mechanische Hilfstätigkeiten wie das Heraussuchen und Lesbarmachen der angeforderten Unterlagen beschränkt. Das setzt bei der Anforderung von Bankunterlagen voraus, dass das Finanzamt die Konten- und Depotnummern benennt oder vergleichbar konkrete Angaben zu sonstigen Bankverbindungen macht.
Sachverhalt
Das Finanzamt forderte eine Bank auf, eine Reihe von Unterlagen zu von ihr geführten Depots und Sparkonten zweier namentlich benannter Steuerpflichtiger zu übersenden. Das Vorlageersuchen wurde auf § 97 AO gestützt. Die Bank übersandte dem Finanzamt die entsprechenden Unterlagen, verlangte jedoch die Erstattung von rund 40 EUR ihr angeblich entstandener Kosten. Dies lehnte das Finanzamt ab.
Entscheidung
Der BFH gesteht der Bank eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz zu, ohne zur Höhe der Kosten Ausführungen zu machen. Für eine bloße Urkundenvorlage sieht die AO zwar keine Entschädigung vor. Im Streitfall wurde von der Bank jedoch – unausgesprochen – mehr verlangt, als Urkunden vorzulegen. Ein Vorlageverlangen i.S. des § 97 AO setzt voraus, dass die vorzulegenden Unterlagen so konkret und eindeutig benannt werden, dass sich die Aktivitäten des Vorlageverpflichteten auf rein "mechanische Hilfstätigkeiten" wie das Heraussuchen und Lesbarmachen der angeforderten Unterlagen beschränken. Das ist bei Bankunterlagen nur der Fall, wenn die Konto- bzw. Depotnummer angegeben wird. Sonst versteckt sich in dem Vorlageersuchen ein entschädigungspflichtiges Auskunftsersuchen, selbst wenn das Finanzamt wortwörtlich nur eine Vorlage und keine Auskunft verlangt hat.
Praxishinweis
- Ein Dritter muss dem Finanzamt Urkunden heraussuchen und vorlegen, ohne die Erstattung der ihm dabei entstehenden Kosten fordern zu können. Hingegen kann er bei Erteilung einer Auskunft nach § 107 AO eine Entschädigung wie ein Zeuge verlangen.
- Der BFH ist im Revisionsverfahren an die tatsächlichen Feststellungen des FG, nicht an dessen rechtliche Würdigung der festgestellten Tatsachen gebunden. Ob etwas Feststellung oder Würdigung ist, kann freilich mitunter zweifelhaft sein, weil die meisten "Feststellungen" nicht mittels rein deskriptiver Begriffe getroffen werden. Geht es um ein Schriftstück wie ein Vorlageverlangen des Finanzamts, für dessen Würdigung sonstige Tatumstände keine maßgebliche Rolle spielen, wird man allerdings nur dessen – zumindest durch Bezugnahme – festgestellten Text als Tatsachenfeststellung und dessen rechtliche Bewertung als Rechtsanwendung einordnen müssen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 8.8.2006, VII R 29/05