Leitsätze (amtlich)

  1. Erhält eine Gesellschaft von ihrem Gesellschafter ein zinsloses Darlehen und legt sie das empfangene Kapital im eigenen Namen und für eigene Rechnung verzinslich an, so ist der Zinsertrag allein der Gesellschaft zuzurechnen.
  2. Die Gewährung eines zinslosen Gesellschafterdarlehens und dessen anschließende zinsbringende Verwendung durch die Gesellschaft sind nicht allein deswegen als Gestaltungsmissbrauch anzusehen, weil die Verlagerung von Erträgen auf die Gesellschaft dem Verbrauch eines vom Verfall bedrohten Verlustabzugs dient.
 

Sachverhalt

Die Revisionsbeklagte ist Rechtsnachfolgerin der X-AG. Die X-AG war im Streitjahr 1990 mit 49 % an der S-GmbH beteiligt. Die übrigen Anteile an der S-GmbH hielt die Y-AG, die sich mit der X-AG zwecks Beherrschung der S-GmbH zu einer GbR zusammengeschlossen hatte. Die S-GmbH war ihrerseits bis August 1990 mit 51 % Gesellschafterin der A-GmbH. Am 31.8.1990 erwarb sie von ihrer bisherigen Mitgesellschafterin die übrigen Anteile an der A-GmbH hinzu. Am 2.10. 1991 wurde die A-GmbH auf die S-GmbH verschmolzen. Die A-GmbH hatte seit ihrer Gründung erhebliche Verlusteerwirtschaftet. Ihre Bilanz zum 30.9.1990 wies ein Fehlkapital aus. Ende des Wirtschaftsjahres 1989/90 gewährte die X-AG der A-GmbH ein zinsloses Darlehen von rd. 90 Mio. DM. Die A-GmbH legte die erhaltenen Mittel verzinslich an und erzielte hieraus einen Ertrag von rd. 600 000 DM. Im Wirtschaftsjahr 1990/91 erhielt die A-GmbH sowohl von der X-AG als auch von der Y-AG weitere unverzinsliche Darlehen, die sie ebenfalls verzinslich anlegte. Auf diese Weise erzielte die A-GmbH Zinserträge von mehr als 20 Mio. DM. Das Finanzamt meinte, gemäß § 42 Satz 2 AO sei bei der Einkommensermittlung für die A-GmbH ein Betrag in Höhe der vereinnahmten Zinsen abzuziehen und bei der Einkommensermittlung der X-AG bzw. der Y-AG ein entsprechender Betrag als entgangener Gewinn hinzuzurechnen. Es erließ einen entsprechenden KSt-Bescheid 1990 gegenüber der X-AG. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt[1]. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

  1. Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH sind Einkünfte aus Kapitalvermögen demjenigen zuzurechnen, der das betreffende Kapital im eigenen Namen und für eigene Rechnung zur Nutzung überlassen hat[2]. Zurechnungssubjekt eines Zinsertrags ist mithin der Gläubiger der verzinsten Kapitalforderung. Gläubigerin der im Streitfall zu beurteilenden Darlehensforderung war nicht die X-AG. Diese hatte zwar der A-GmbH Kapital auf Zeit überlassen. Hierfür hatte sie sich jedoch weder eine Verzinsung versprechen lassen noch erhalten. Der Zinsertrag beruht vielmehr auf der Anlage des von der X-AG stammenden Kapitals als Festgeld, die im Namen und für Rechnung der A-GmbH erfolgt war.

    Dieser Beurteilung steht die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung nicht entgegen. Insbesondere ist die hier vorliegende Gestaltung nicht mit der unentgeltlichen Einräumung eines Zuwendungsnießbrauchs vergleichbar, bei der die Erträge des nießbrauchsbelasteten Kapitalvermögen - zumindest unter bestimmten Voraussetzungen - steuerlich weiter dem Nießbrauchsbesteller zuzurechnen sind[3].

  2. Zu Recht hat das FG entschieden, dass eine Zurechnung des Zinsertrags zum Einkommen der X-AG nicht auf § 42 Satz 2 AO gestützt werden kann. Denn die im Streitfall zu beurteilende Gestaltung ist nicht missbräuchlich i.S. des § 42 Satz 1 AO. Das gilt auch dann, wenn die Verlagerung des Zinsertrags von der X-AG auf die A-GmbH ausschließlich oder überwiegend dem Ziel diente, im Vorfeld der vorgesehenen Verschmelzung den bei der A-GmbH aufgelaufenen Verlustvortrag zu neutralisieren. Eine Gestaltung ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung missbräuchlich, wenn sie zur Erreichung des wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und nicht durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe gerechtfertigt wird. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die zu beurteilende Gestaltung dazu dient, das Verlustausgleichspotential eines Anteilseigners möglichst umfassend auszunutzen. Denn die Ausschöpfung eines bestehenden Verlustabzugs dient letztlich der Vermeidung einer im Ergebnis überhöhten Gesamtbesteuerung und damit dem Ziel der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Zielt eine Gestaltung darauf ab, im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Vorschriften dieses Ziel zu verwirklichen, so kann sie deshalb grundsätzlich nicht als missbräuchlich verworfen werden. Die Rechtsprechung zum Gestaltungsmissbrauch bei Einschaltung einer wirtschaftlich funktionslosen Zwischengesellschaft[4] ist im Streitfall nicht einschlägig. Denn um eine solche Gesellschaft handelte es sich bei der A-GmbH nicht. Diese hat vielmehr eine eigene Geschäftstätigkeit entfaltet, die u.a. zu den zitierten Verlusten geführt hat.
 

Link zur Entscheidung

BFH vom 17.10.2001 – I R 97/00

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