Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Die in einer Großküche eines Altenwohn- und Pflegeheims zur Verpflegung der Bewohner zubereiteten Speisen sind keine "Standardspeisen" als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines Imbissstands, sodass deren Abgabe zu festen Zeitpunkten in Warmhaltebehältern keine Lieferung, sondern eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung ist.
Sachverhalt
Die Großküche bereitete die Speisen für die Bewohner eines Altenwohnheims entsprechend der Speiseplanvorgaben des Heimbetreibers mit eigenem Personal im Heim zu. Die Speisen wurden in Behältnissen auf die Heimstationen transportiert und dort vom Pflegepersonal portioniert und an die Heimbewohner ausgegeben. Das verwendete Geschirr und Besteck und das Mobiliar der Gemeinschaftsräume gehört der Grossküche.
Bei Speisenabgaben liegt eine Lieferung zum ermäßigten Steuersatz oder eine sonstige Leistung zum Regelsteuersatz vor. Nach den EuGH-Urteilen v. 10.3.2011 C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, Bog u.a. ist die Tätigkeit eines Partyservices nur dann eine ermäßigt besteuerte Lieferung, wenn lediglich Standardspeisen ohne zusätzliches Dienstleistungselement geliefert werden. Jedoch geht sowohl der EuGH als nunmehr auch der BFH beim Partyservice nicht von einer bloßen Standardzubereitung aus, da dies mehr Arbeit, Sachverstand und Kreativität als z.B. ein Imbissstand erfordert und da die Speisenlieferung in Warmhaltebehältern zu einem von Kunden genau festgelegten Zeitpunkt erfolgen.
Bei der im Altenheim befindlichen "Großküche" liegt keine einfache und standardisierte Zubereitung vor. Ausschlaggebend ist hier u .a. die zwingend zu beachtenden Speiseplanvorgaben sowie die Abgabe in Warmhaltebehältern zu genau festgelegten Zeitpunkten.
Vor dem o.g. EuGH-Urteil ist der BFH nur dann vom Regelsteuersatz ausgegangen, wenn zusätzliche Dienstleistungselemente hinzukommen, z.B. das Endreinigen von Tischen und Geschirr oder die Überlassung, Abholung und Reinigung von Geschirr und Besteck. Dies gilt jedoch nunmehr nur noch, wenn der Leistungsgegenstand eines Partyservices ausnahmsweise lediglich Standardspeisen sind.
Liegt dagegen eine über die bloße Standardspeisen hinausgehende Zubereitung vor, liegt nunmehr stets, auch ohne Vorliegen zusätzlicher Dienstleistungselemente, eine Dienstleistung zum Regelsteuersatz vor (Änderung der Rechtsprechung); ggf. sind keine weitergehenden Vergleiche mit der "Kreativität" und dem "Personalaufwand" bei Restaurants erforderlich.
Hinweis
Dass bei einer über die bloße Standardspeisen hinausgehende Zubereitung stets der Regelsteuersatz greift, führt auch zu einer Verschärfung der Verwaltungsanweisung (vgl. BMF-Schreiben v. 16.10.2008, BStBl 2008 I S. 949). Deshalb sollten betroffene Unternehmer ggf. insoweit Vertrauensschutz bzw. sachliche Billigkeit nach den §§ 163 und 227 AO geltend machen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 12.10.2011, V R 66/09.