Leitsatz (amtlich)

Wird einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber oder einem Dritten im Hinblick auf das Dienstverhältnis ein nicht handelbares Aktienoptionsrecht eingeräumt, fließt ein geldwerter Vorteil weder bei der Einräumung noch zum Zeitpunkt der erstmaligen Ausübbarkeit zu, sondern erst bei verbilligtem Aktienbezug nach Optionsausübung (Anschluss an BFH-Urteile vom 24.1.2001,I R 100/98, INF 2001, S. 444, und I R 119/98, INF 2001, S. 445).

 

Sachverhalt

Der Kläger war bis zu seinem Ausscheiden am 30.6.1995 nationaler Verkaufsdirektor der K-KG (Arbeitgeber), einer 100%-igen Tochtergesellschaft der P Inc., USA (Muttergesellschaft). In den Jahren 1990, 1992 und 1993 hatte die Muttergesellschaft dem Kläger im Rahmen des Dienstverhältnisses unentgeltlich Optionen mit einer Laufzeit von zehn Jahren auf den Erwerb ihrer Aktien eingeräumt. Eine Übertragung der Optionen war - von Ausnahmen, wie etwa im Todesfall, abgesehen - nicht zulässig. In den Jahren der Optionseinräumung waren daraus keine lohnsteuerlichen Konsequenzen gezogen worden. Nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erzielte der Kläger durch Erwerb von Aktien zu dem in der Option festgelegten Basispreis einen Vermögenszuwachs von 84 601 DM, der nicht mehr der Lohnsteuer unterworfen wurde. Das Finanzamt erfasste diesen Betrag im Rahmen der ESt-Veranlagung als Arbeitslohn und gewährte darauf die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 3 EStG. Klage[1] und Revision des Klägers blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Werden einem Arbeitnehmer im Hinblick auf das Dienstverhältnis Aktien vom Arbeitgeber oder einem Dritten verbilligt überlassen, stellt der Preisnachlass Arbeitslohn dar. Dieser fließt, auch wenn die Verschaffung der Aktien auf einer zuvor eingeräumten Option beruht, grundsätzlich nicht bereits mit der diesbezüglichen Zusage, sondern erst mit deren Erfüllung zu[2]. Entscheidend ist, dass für Bar- wie Sachlohn das Realisierungsprinzip gilt, wonach nicht schon das Einräumen von Ansprüchen, sondern erst deren Erfüllung einen Zufluss bewirkt.

Ein Zufluss wird auch nicht bereits zu dem Zeitpunkt bewirkt, zu dem der Arbeitnehmer das ihm eingeräumte Optionsrecht erstmals ausüben darf. Das Finanzamt hat im Zuflussjahr 1995 zu Recht als geldwerten Vorteil die Differenz zwischen Börsenpreis am Verschaffungstag und den diesbezüglichen Aufwendungen des Klägers für die überlassenen Aktien angesetzt. Dies entspricht den Bewertungsvorschriften des § 8 Abs. 2 Satz 1 bzw. § 19a Abs. 8 Satz 1 EStG. Ob auf Aktien, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer verschafft, die Bewertungsvorschrift des § 19a Abs. 8 Satz 2 EStG auch in Fällen anwendbar ist, in denen die Überlassung auf einem Aktienoptionsplan beruht, kann dahinstehen[3]. Im Streitfall ist die Vorschrift jedenfalls deswegen nicht einschlägig, weil am Tag der Überlassung mehr als neun Monate seit dem Tag der Beschlussfassung über die Überlassung vergangen waren. Tag der Beschlussfassung über die Überlassung ist dabei nicht der Tag, an dem der Arbeitgeber beschließt, seiner Verpflichtung aus dem bereits ausgeübten Optionsrecht nachzukommen, sondern der Tag, an dem der Beschluss über das Bezugsrecht getroffen wird.

Die vom Kläger befürchtete Doppelbesteuerung, wenn die im Rahmen des Dienstverhältnisses verbilligt bezogenen Aktien vor Ablauf der Spekulationsfrist veräußert werden, greift nicht ein. Ungeachtet dessen, von welchen Anschaffungskosten dabei auszugehen wäre, zählte jedenfalls der als Arbeitslohn erfasste und damit aus versteuertem Einkommen des Arbeitnehmers stammende Anteil neben den Aufwendungen für den Basispreis ebenfalls zu den Anschaffungskosten. Folglich würde dieser Anteil nicht nochmals bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG erfasst.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 20.6.2001 – VI R 105/99

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