Leitsatz
Wird einem Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses durch Übertragung einer nicht handelbaren Wandelschuldverschreibung ein Anspruch auf die Verschaffung von Aktien eingeräumt, wird ein Zufluss von Arbeitslohn nicht bereits durch die Übertragung der Wandelschuldverschreibung begründet. Übt der Arbeitnehmer das Wandlungsrecht aus, fließt ihm ein geldwerter Vorteil grundsätzlich erst zu, wenn durch Erfüllung des Anspruchs das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien verschafft wird.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige war Vorstandsvorsitzender einer Aktiengesellschaft (AG). Die AG übertrug an ihre Vorstandsmitglieder und an einen engen Kreis von Führungskräften Wandelschuldverschreibungen. Die Wandelschuldverschreibungen, die mit 6% über die gesamte Laufzeit von 10 Jahren zu verzinsen waren, konnten nicht weiter übertragen werden. Das Wandlungsrecht durfte frühestens 1½ Jahre nach Ausgabe der Schuldverschreibungen ausgeübt werden. Nach Ablauf dieser Frist übte der Steuerpflichtige das Wandlungsrecht für alle von ihm erworbenen Wandelschuldverschreibungen der AG aus und verkaufte die ausgegebenen jungen Aktien sofort. Der Börsenkurs der Aktien überstieg die Anschaffungskosten der Wandelschuldverschreibungen und die bei Ausübung des Wandlungsrechts für die Ausgabe der jungen Aktien zu leistende Zuzahlung um rund 475500 EUR.
Das Finanzamt sah in der Übertragung der Aktien auf den Vorstandsvorsitzenden zu einem unter dem Kurswert liegenden Preis einen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassenden geldwerten Vorteil.
Der BFH gab dem Finanzamt Recht und entschied, dass der dem Vorstandsvorsitzenden auf die Aktien gewährte Preisnachlass ein durch das Dienstverhältnis veranlasster geldwerter Vorteil war und damit Arbeitslohn darstellte. Der Zufluss des Arbeitslohns erfolgte aber nicht bereits mit der Übertragung der Wandelschuldverschreibungen, sondern erst im Zeitpunkt der Verschaffung des wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien.
Hinweis
Praxishinweis: Die vorliegende Entscheidung entspricht der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BFH zur lohnsteuerlichen Beurteilung der Übertragung nicht handelbarer Optionsrechte auf den Arbeitnehmer. Ein nicht handelbares Aktienoptionsrecht führt weder im Zeitpunkt der Gewährung noch der erstmaligen Ausübbarkeit des Optionsrechts zu einem Lohnzufluss. Gegenstand des Lohnzuflusses ist hier vielmehr die unentgeltlich oder verbilligt überlassene Aktie. Als Tag der Überlassung ist der Tag der Ausbuchung der Aktien aus dem Depot des Überlassenden oder dessen Erfüllungsgehilfen (ggf. der Bank) anzunehmen. Im Zuflusszeitpunkt liegt zu versteuernder Arbeitslohn in Höhe der Differenz zwischen dem Kurswert der überlassenen Aktie am Bewertungsstichtag und den Aufwendungen des Arbeitnehmers für die überlassenen Aktien vor. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer durch Übertragung von nicht handelbaren Wandelschuldverschreibungen einen Anspruch auf Verschaffung von Aktien einräumt.
In der zweiten Entscheidung (VI R 10/03) hat der BFH im Übrigen klargestellt, dass in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer das Darlehen nebst Wandlungsrecht gegen Entgelt auf einen Dritten überträgt, dem Arbeitnehmer ein geldwerter Vorteil im Zeitpunkt der Übertragung auf den Dritten zufließt. Auf den Zeitpunkt der Ausübung des Wandlungsrechts kommt es hier nicht an.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteile v. 23.6.2005, VI R 124/99.BFH, Urteil vom 23.06.2005, VI R 10/03