Leitsatz (amtlich)
Der Zufluss von (Kapital-)Einnahmen i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG durch bloße Gutschrift in den Büchern des Schuldners oder durch sog. Novation kann nur dann angenommen werden, wenn der Gläubiger (Steuerpflichtige) nach den gesamten Umständen des Einzelfalles davon ausgehen durfte, dass er, hätte er statt des "Stehenlassens" des gutgeschriebenen Betrages und ggf. dessen "Novation" die Auszahlung gewählt, den betreffenden Betrag vom Schuldner ausgezahlt bekommen hätte.
Sachverhalt
Der Kläger stellte der X-AG (Liechtenstein) und später der P Ltd. (Cayman Islands), hinter denen jeweils der K stand, aufgrund von Anlageverträgen Gelder zur Verfügung. Beide Anlagegesellschaften sollten hiermit - zusammen mit dem Geld anderer Anleger - Spekulationsgeschäfte tätigen, deren Gewinne zu 20 bzw. 30 % den Anlagegesellschaften und zu 80 bzw. 70% den Anlegern zukommen sollten. Verluste hatten die Anleger allein zu tragen. Die Anlagegesellschaften wiesen gegenüber ihren Anlegern mit einer Ausnahme stets monatliche Gewinne aus, obwohl tatsächlich hohe Verluste eingetreten waren. Bereits 1990 waren mindestens 50 % des Gesamtanlagekapitals verloren, so dass nach dem "Schneeballsystem" verfahren wurde. Mitte 1992 war das Gesamtkapital der Anleger aufgezehrt, ohne dass diese davon erfuhren. Die Anlagegesellschaften schrieben dem Kläger in den Streitjahren 1992 und 1993 "Renditen" auf dessen Anlagekonten von rd. 135 000 DM und rd. 108 000 DM gut. Im gleichen Zeitraum erhielt der Kläger von den Anlagegesellschaften zumindest am 18.3.1993 25 000 US-Dollar und am 15.10.1993 12453 US-Dollar ausbezahlt. Ob weitere Zahlungen an den Kläger erfolgten, hat das FG nicht festgestellt. Anlässlich einerEnde März 1993 erneut beantragten Auszahlung von 25 000 US-Dollar teilte die P Ltd. (K) dem Kläger im Juli 1993 mit, dass "zum ersten Mal" Verluste erwirtschaftet worden seien und deshalb auf eine Auszahlung des angeforderten Betrages verzichtet werden solle. Mit Fernschreiben vom 24.7.1993 verlangte der Kläger die sofortige Auszahlung des Betrages, die aber unterblieb. Im Oktober 1993 kam es schließlich zu einer letzten Auszahlung an den Kläger von 20000 DM (12453 US-Dollar). Weitere telefonische Auszahlungsbegehren des Klägers - zuletzt am 24.12.1993 - blieben erfolglos. Im Januar 1994 wurde dem Kläger schriftlich mitgeteilt, dass die P Ltd. ihre Tätigkeit eingestellt habe. Das Finanzamt erfasste die dem Kläger auf den Anlagekonten der Anlagegesellschaften gutgeschriebenen Beträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage teilweise statt. Auf die Revision des Klägers hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Entscheidungsgründe
- Zutreffend hat das FG die Rechtsverhältnisse zwischen dem Kläger und den Anlagegesellschaften als typische stille Gesellschaften qualifiziert.
- Die bisherigen Feststellungen des FG ermöglichen dem Senat keine abschließende Beantwortung der Frage, ob und inwieweit dem Kläger in den Streitjahren Einnahmen i.S. von § 11 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG zugeflossen sind. Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das FG in Bezug auf die nach dem 1. Halbjahr 1993 gutgeschriebenen "Renditen" einen Zufluss verneint hat. Zutreffend hat das FG die von ihm ab Juli 1993 angenommene Zahlungsunfähigkeit der Anlagegesellschaften darauf gestützt, dass der Kläger trotz seiner nachdrücklichen Interventionen ab diesem Zeitpunkt bis auf eine Ausnahme keine Zahlungen mehr erhalten hat, die einzige und letztmalige Auszahlung an den Kläger nur einen Teil des von ihm begehrten Betrages (12.453 US-Dollar von 25.000 US-Dollar) betraf und auch die strafrechtlichen Feststellungen ergeben hatten, dass Auszahlungen im 2. Halbjahr 1993 nur mehr auf massiven Druck hin erfolgten.
Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen rechtfertigen jedoch nicht dessen pauschale Schlussfolgerung, dass die dem Kläger im Zeitraum vom 1.1.1992 bis 30.6.1993 von den Anlagegesellschaften gutgeschriebenen (Schein-)Renditen dem Kläger als Einnahmen aus Kapitalvermögen zugeflossen seien. Anders als in den Ambros-Fäl-len, in denen alle von den Anlegern in den dort streitigen Zeiträumen (bis 30.9.1990) "abgerufenen" Kapital- und Renditebeträge stets und prompt ausgezahlt wurden, kam es hier jedenfalls bis Ende 1992 wegen zu geringer Neuanlagen zu Problemen mit der Rückzahlung an die Anleger, wobei z.T. den Anlegern ausgehändigte Schecks nicht eingelöst wurden. Angesichts des Umstandes, dass die Anlagegesellschaften bereits Mitte 1992 ihr gesamtes damaliges Anlagekapital verloren hatten und es bereits zuvor negative Schlagzeilen über das Gebaren der X-AG in der Fachpresse und zu Ermittlungen des zuständigen Bundesaufsichtsamts wegen Verstoßes gegen das KWG gegeben hatte, kann nicht mit der notwendigen Gewiss-heit ausgeschlossen werden, dass die Lage der Anlagegesellschaften bereits Ende 1992 und möglicherweise sogar schon früher einen Zufluss von gutgeschriebenen "Renditen" ausschl...