Leitsatz

  1. Eine "Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften" i. S. des § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1993 liegt vor, wenn eine Mittelsperson einer Gesellschaft oder dem zukünftigen Gesellschafter die Gelegenheit zum Abschluss des Vertrags über den Erwerb eines Gesellschaftsanteils nachweist oder sonst das Erforderliche tut, damit der Vertrag über den Erwerb der Gesellschaftsanteile zustande kommt.
  2. Keine Vermittlungsleistung erbringt ein Unternehmer, der einem mit dem Vertrieb von Gesellschaftsanteilen betrauten Unternehmer Abschlussvertreter zuführt und diese betreut.
 

Sachverhalt

Die Klägerin war u. a. im Streitjahr 1996 für die S beim Vertrieb von Gesellschaftsanteilen tätig (Strukturvertrieb). Die Gesellschaften, an denen sich die Kapitalanleger beteiligten (Emissionsgesellschaften), hatten die S mit dem Vertrieb der Gesellschaftsanteile beauftragt, die ihrerseits wiederum sog. Abschlussvermittler damit beauftragte. Diese Abschlussvermittler wurden der S von der Klägerin zugeführt und von S betreut. Die Klägerin erwarb dadurch der S gegenüber einen Anspruch auf sog. "Zubringerprovision". Außerdem zahlte S für die Aus- und Weiterbildung sowie Überwachung der Abschlussvermittler eine sog. Koordinationsprovision, die ebenso wie die Zubringerprovision mit der Abschlussprovision verknüpft war. Für 1996 erklärte die Klägerin neben den Abschlussprovisionen der S auch die vorgenannten Zubringerprovisionen als Entgelte für steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG. Dagegen unterwarf das Finanzamt sämtliche Provisionen, ausgenommen Abschlussprovisionen, der Umsatzsteuer.

 

Entscheidung

Auch der BFH verneinte insoweit steuerfreie Vermittlungsumsätze.

Die Zuführung von Abschlussvermittlern an S sowie die Ausund Weiterbildung und Überwachung der Abschlussvermittler sind weder ein Umsatz noch eine Vermittlung von Anteilen an den Emissionsgesellschaften. Einer Ausweitung der Steuerbefreiung auf diese Leistungen steht bereits der Wortlaut des § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1993 entgegen. Befreiungsvorschriften sind nach der EuGH-Rechtsprechung eng auszulegen. Insbesondere ist es nicht möglich, in "wirtschaftlicher Betrachtungsweise" den Sachverhalt so zu beurteilen, als ob die Abschlussvermittler die Umsätze der Anteile an den Emissionsgesellschaften im Auftrag der Klägerin (und nicht von S) vermittelt hätten.

Eine "Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften" liegt – bei der Beteiligung von Kapitalanlegern an Emissionsgesellschaften – nur nach den in Leitsatz 1 bezeichneten Voraussetzungen vor. Die Klägerin war – soweit es um die Zubringer- und die Koordinationsprovision geht – keine Mittelsperson zwischen den Vertragsparteien, d. h. den Kapitalanlegern und den Gesellschaften, an denen diese sich beteiligten (Emissionsgesellschaften). Die Abschlussvermittler erhielten ihre Abschlussprovision für die streitigen Verträge nicht von der Klägerin, sondern von S.

Übereinstimmend mit diesen Grundsätzen hatte der BFH bereits die Beschaffung von Anschriften interessierter Kapitalanleger für einen Anlageberater nicht als "Vermittlung der Umsätze von Wertpapieren" i. S. von § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1973 beurteilt[1]. Die Klägerin hat mit den streitbefangenen Umsätzen auch keine "Umsätze von Anteilen an Gesellschaften" getätigt. Die Umsätze hatten keinen unmittelbaren Einfluss auf die Gesellschafterstellung der Kapitalanleger.

Der von der Klägerin beantragten Vorlage an den EuGH nach Art. 234 EG bedurfte es nicht, weil die Fragen zur Steuerbefreiung ihrer Umsätze nur die Subsumtion des Sachverhalts unter das Gemeinschaftsrecht und die dazu entwickelten Grundsätze der EuGH-Rechtsprechung betrafen.

 

Praxishinweis

Das Besprechungsurteil zeigt (umsatzsteuerrechtliche)Grenzen des Outsourcens bei der "Vermittlung von Umsätzen von Anteilen an Gesellschaften" auf. Die Steuerbefreiungsvorschriften sind – als Ausnahmen vom weiten Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer – eng auszulegen. Wollen Finanzdienstleister im Rahmen befreiter Umsätze bestimmte Tätigkeiten "auslagern", ohne die Befreiung zu verlieren, müssen sie bei der Gestaltung die Umsatzmerkmale und die dafür maßgebenden Vertragsbeziehungen einhalten. Im Streitfall ging es insbesondere um die Merkmale des "Vermittelns". Dabei handelt es sich – wie vom EuGH mehrfach hervorgehoben – um einen gemeinschaftsrechtlichen Begriff, d. h. die Auslegung nach deutschem Zivilrecht ist nicht ausschlaggebend.

Wie der EuGH[2] dazu ausgeführt hat, kann Vermitteln u. a. darin bestehen, der Vertragspartei die Gelegenheit zum Abschluss eines solchen Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln. Zweck dieser Tätigkeit ist es also, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrages hat.

Zwar wäre auch die Auswahl und Schulung von Abschlussvertretern durch einen Vermittler selbst (als i...

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