Leitsatz
Ein Kind ist nicht nur dann nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG für das Kindergeld zu berücksichtigen, wenn es noch keinen Ausbildungsplatz gefunden hat, sondern auch dann, wenn ihm ein Ausbildungsplatz bereits zugesagt wurde, es diesen aber aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten kann.
Sachverhalt
Zuletzt war streitig, ob dem Vater des 1975 geborenen S von April bis Dezember 1998 Kindergeld zusteht. S war bis Mai 1998 berufstätig, von Juni bis Mitte September arbeitslos. Ab 15.9. besuchte er eine staatliche Berufsfachschule, für die er sich bereits Mitte Januar 1998 anmelden wollte. Dies war jedoch erst ein halbes Jahr vor Unterrichtsbeginn, also im März, möglich. Als S im März erneut vorsprach, wurde ihm mitgeteilt, seine Daten seien noch gespeichert, er gelte als angemeldet. An Einnahmen erzielte S im Jahr 1998 Arbeitslosengeld für Juni bis September (3691 DM) und Arbeitslohn (11775 DM, davon 10008 DM für Januar bis Mai). Die Familienkasse versagte für 1998 Kindergeld mit der Begründung, aufgrund der Anmeldung im Januar sei S ausbildungswilliges Kind i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG gewesen. Deswegen seien die Einkünfte und Bezüge des ganzen Jahres einzubeziehen, die abzüglich Arbeitnehmer-Pauschbetrag (2000 DM) und Kostenpauschale (360 DM) mit insgesamt 15466 DM den Jahresgrenzbetrag (12360 DM) überstiegen. Das FG gab der Klage für September bis Dezember 1998 statt. Auf seine Revision hatte der Vater auch für Juni bis August Erfolg.
Entscheidung
Der BFH entschied, dass die Monate bis Mai nicht Kindergeld begünstigt sind, weil S in dieser Zeit einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachging (Monatslohn ca. 2000 DM) und es deshalb an der typischen Unterhaltssituation der Eltern fehlte. Folglich sind auch die Einkünfte des S in dieser Zeit nicht zu berücksichtigen. Die Grundaussage der Entscheidung bezieht sich auf den fehlenden Arbeitsplatz i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG. Ein solcher fehlt auch, wenn dem Kind ein Ausbildungsplatz bereits zugesagt ist, es diesen aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten kann. Dabei spielt es keine Rolle, wenn die Wartezeit mehr als vier Monate beträgt. Denn eine solche Einschränkung, wie sie § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG für die Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten vorsieht, besteht hier nicht. Trotzdem behält die letztgenannte Begünstigungsvorschrift als vereinfachende Auffangnorm noch Bedeutung. Da die Einkünfte und Bezüge des S von Juni bis Dezember 1998 den anteiligen Jahresgrenzbetrag nicht überschritten, bleibt das Kindergeld für diese Monate erhalten.
Praxishinweis
Der BFH konnte zu seinem Ergebnis nur kommen, indem er Monate mit Vollerwerbstätigkeit von der Kindergeldberechtigung ausschloss. Dies aus dem Gesetzeswortlaut herzuleiten, dürfte schwierig sein, zumal das Gesetz selbst ein Korrektiv über den Jahresgrenzbetrag bereithält. Außerdem stellt sich die Frage, was unter "Voll"erwerbstätigkeit zu verstehen ist und ob ihr gleich hohe Einnahmen aus anderen Quellen gleichstehen, weil dann ebenfalls eine typische Unterhaltssituation der Eltern fehlt. Dass die Auffassung zur Vollerwerbstätigkeit problematisch ist, zeigt der Fall, in welchem ein Kind bis Mai 1998 gleich hohe andere Einnahmen erzielte, dann aber keine mehr und deshalb den Jahresgrenzbetrag nicht überschreitet. Dann müsste eigentlich für das ganze Jahr Kindergeld gewährt werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.07.2003, VIII R 77/00BFH-Urteil vom 15.7.2003,