Leitsatz

Seit der Neufassung des § 3 Nr. 9 EStG durch das EStRG 1974 kommt es für die Steuerfreiheit einer Abfindung wegen Auflösung des Dienstverhältnisses nicht mehr darauf an, ob dem Arbeitnehmer eine weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber noch zuzumuten ist.

 

Sachverhalt

A war Arbeitnehmer einer GbR, deren Gesellschafter R und S waren. Neben einem monatlichen Festgehalt erhielt A für die Vermittlung von Geschäften Erfolgsprovisionen. Der Arbeitsvertrag sah für den Fall einer Kündigung bis zum 31.12.1991 eine Abfindung von zwei Monatsgehältern vor. Am 14.12.1994 vereinbarten A und R die Aufhebung des Arbeitsvertrags zum 31.12.1994 und die Zahlung einer Abfindung von 300000 DM. Am gleichen Tag vereinbarte A mit der R-GmbH & Co. KG, vertreten durch R, die Weiterführung seiner bisherigen Geschäftsbereiche, allerdings nun als Geschäftsführer mit wesentlich höherer Jahresvergütung. Das Finanzamt sah die Abfindung zunächst als Arbeitslohn für mehrere Jahre an und besteuerte sie nach § 34 Abs. 3 EStG. Im Einspruchsverfahren beließ es zwei Monatsgehälter steuerfrei und besteuerte den Restbetrag nach § 34 Abs. 3 EStG. Das FG gab der Klage statt. Es behandelte 24000 DM der Abfindung als steuerfrei und gewährte für den Restbetrag die Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG. Dabei ging es davon aus, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber veranlasst gewesen sei. Ausdrücklich nicht entscheidungserheblich war die Frage, ob A eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zuzumuten gewesen sei. Darin sah das Finanzamt einen Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des BFH.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Auffassung des FG, dass es für die Steuerbefreiung einer Abfindung nicht mehr darauf ankommt, ob dem Arbeitnehmer eine weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber noch zuzumuten ist. Seit der Neufassung durch das EStRG 1974 ist nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 9 EStG alleinige Voraussetzung für die (teilweise) Steuerfreiheit einer Abfindung, dass die Auflösung des Dienstverhältnisses "vom Arbeitgeber veranlasst" oder "gerichtlich ausgesprochen" worden ist. Die Frage der Zumutbarkeit einer weiteren Zusammenarbeit musste lediglich für Abfindungen geprüft werden, die vor dem 1.1.1975 gezahlt wurden. Denn nach dem damaligen Wortlaut des § 3 Nr. 9 EStG waren Abfindungen nur insoweit steuerfrei, als sie auf den §§ 9, 10 KSchG oder § 74 BetrVerfG beruhten. Dabei konnte das Arbeitsgericht dem Arbeitnehmer auch im Fall einer unwirksamen Kündigung eine Abfindung zusprechen, wenn diesem die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten war. Mit der Neufassung der Vorschrift hat der Gesetzgeber einen neuen Abfindungsbegriff eingeführt, der unabhängig von der arbeitsrechtlichen Beurteilung auszulegen ist. Seitdem kommt es nur noch darauf an, wer die entscheidenden Ursachen für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gesetzt hat. Das war im Streitfall nach den Feststellungen des FG die Arbeitgeberin.

 

Praxishinweis

Der Entscheidung kommt allenfalls klarstellende Bedeutung zu. In keiner früheren Entscheidung zu § 3 Nr. 9 EStG in der ab 1.1.1975 geltenden Fassung hat der BFH das Merkmal der Zumutbarkeit für entscheidungserheblich gehalten oder auch nur geprüft. Allerdings hat der BFH – wie er im Besprechungsfall selbst einräumt – in einigen älteren Urteilen noch die im Zusammenhang mit der Vorgängervorschrift gängige Formulierung verwendet, dass die Auflösung des Dienstverhältnisses vom Arbeitgeber veranlasst sei, "wenn dieser die entscheidenden Ursachen … gesetzt hat und dem Arbeitnehmer im Hinblick auf dieses Verhalten eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zuzumuten ist"[1]. Das hat zu Missverständnissen geführt. Die Klarstellung war also vonnöten. Genau dies wollte das Finanzamt mit seiner Revision wohl bewirken. Denn auch die Finanzverwaltung geht inzwischen davon aus, dass die Frage der Zumutbarkeit nicht mehr zu prüfen ist[2].

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 10.11.2004, XI R 51/03

[2] Vgl. R 9 Abs. 2 LStR

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