Leitsatz

Pauschale Zuschläge können nach § 3b EStG steuerfrei sein, wenn sie als Abschlagszahlungen oder Vorschüsse auf Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden. Der fehlende Nachweis tatsächlich erbrachter Arbeitsleistungen kann nicht durch eine Modellrechnung ersetzt werden.

 

Sachverhalt

Es geht um die Frage, ob Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit auch dann nach § 3b EStG steuerfrei sind, wenn keine Aufzeichnungen über die tatsächlich geleistete Arbeit zu den begünstigten Zeiten geführt und die zu berücksichtigenden Stunden allein anhand einer Modellrechnung ermittelt wurden. A beschäftigt u.a. Arbeitnehmer, die als Betreuer von Kleingruppen Hilfe zur Erziehung in familienähnlichen und sonstigen betreuten Wohnformen leisten. Hierbei leben die Betreuer mit bis zu sieben Betreuten – meist aus schwierigen sozialen Verhältnissen stammenden oder straffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen – in einer Wohnung zusammen. Aufgrund einer Modellrechnung vereinbarte A mit der Betreuerin S eine pauschale Abgeltungsregelung, z.B. Nachtarbeitszuschläge für 80 Stunden pro Monat, und zahlte ihr 1998 neben dem Gehalt steuerfreie Zuschläge in dreizehn gleichen Monatsbeträgen. Aufzeichnungen über tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit wurden ebenso wenig geführt wie Schicht- und Dienstpläne. Am Jahresende unterzeichnete jeder Betreuer eine Aufstellung des Klägers über gezahlte Zuschläge und versicherte, die vergütete Stundenzahl tatsächlich geleistet zu haben. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung verneinte das Finanzamt die Steuerfreiheit und nahm A in Haftung; so auch der BFH nach dem Klage stattgebenden FG-Urteil.

 

Entscheidung

Nach § 3b EStG sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge nur dann steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind. Diese Steuerbefreiung setzt grundsätzlich Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonn- und Feiertagen oder zur Nachtzeit voraus[1]. Dadurch soll von vornherein gewährleistet werden, dass nur Zuschläge steuerfrei bleiben, bei denen betragsmäßig genau feststeht, dass sie nur für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden und keine allgemeinen Gegenleistungen für die erbrachte Arbeit darstellen. Hieran fehlt es jedoch, wenn Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit – wie hier – nur allgemein pauschaliert abgegolten wird, da hierdurch weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Prozentsätzen des Grundlohns) möglich ist. Pauschale Zuschläge sind nur als Abschlagszahlungen oder Vorschüsse möglich.

 

Praxishinweis

Die Entscheidung setzt bisher herausgearbeitete Rechtsprechungsgrundsätze konsequent um. Der IX. Senat, der seit dem 1.1.2005 für diese Materie zuständig ist, legt § 3b EStG damit ebenfalls eher restriktiv aus, und das mit gutem Grund: Denn § 3b EStG ist steuersystematisch eine Ausnahme und lässt sich nur schwer mit dem Nettoprinzip vereinbaren. Warum soll die Allgemeinheit dafür zahlen, dass ein Arbeitnehmer in der Nacht oder an Sonn- und Feiertagen arbeitet? Es ist doch wohl in erster Linie eine Frage der Aushandlung des Lohns. Überdies: Auch Gewerbetreibende oder Selbständige mögen zu diesen Zeiten – aber ohne steuerrechtliche Begünstigung – arbeiten. Für eine derartige Umverteilungsmaßnahme fehlt es in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit m.E. an einer sachlichen Rechtfertigung.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 25.5.2005, IX R 72/02

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