Leitsatz

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung entgegensteht, dass der inländische Unternehmer bewusst und gewollt an der Vermeidung der Erwerbsbesteuerung seines Abnehmers mitwirkt.

 

Konsequenzen für die Praxis

Eine nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung liegt gem. § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG u.a. dann vor, wenn

  • der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
  • der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat und
  • der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem andern Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt.

Diese Voraussetzungen müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein (§ 6a Abs. 3 Satz 1 UStG).

Nach dem EuGH-Urteil vom 21.9.2007[1] und dem Folgeurteil des BFH[2] sind die Nachweispflichten des Unternehmers keine materiellen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung; trotz Nichterfüllung der Nachweispflichten könne die Steuerbefreiung zu gewähren sein, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststehe, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG erfüllt seien und keine Gefährdung des Steueraufkommens bestehe.

Die Nichterhebung der Mehrwertsteuer auf eine innergemeinschaftliche Lieferung könne dabei aber nicht als Gefährdung des Steueraufkommens angesehen werden, weil solche Einnahmen nach dem Grundsatz der steuerlichen Territorialität dem Mitgliedstaat zustünden, in dem der Endverbrauch erfolge[3].

Danach ist ernstlich zweifelhaft, ob im Besprechungsfall die Steuerbefreiung zu versagen ist. Einerseits steht aufgrund der Ermittlungen der Steuerfahndungsbehörde fest, an welche Händler (Name und Adresse) in Portugal die Pkw tatsächlich geliefert wurden. Diese Lieferungen unterliegen in Portugal der Erwerbsbesteuerung, sodass die objektiven Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung i.S.d. § 6a Abs. 1 UStG vorliegen und das Steueraufkommen der Bundesrepublik Deutschland nicht gefährdet ist.

Andererseits ist noch offen, ob die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung selbst dann zu gewähren ist, wenn der inländische Lieferer daran mitwirkt, die Erwerbsbesteuerung durch seinen Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat zu vermeiden. Denn nach der gefestigten Rechtsprechung des EuGH ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht nicht erlaubt[4].

Der 1. Strafsenat des BGH hat mit Beschluss vom 7.7.2009, 1 StR 41/09 dem EuGH die sich im Streitfall stellenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss v. 29.7.2009, XI B 24/09, BFH/NV 2009 S. 1567

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