Leitsatz

  1. Bei einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige, die jeweils rechtskräftig entschieden haben, dass der zu ihnen beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, kann § 39 Abs. 1 Nr. 4 FGO entsprechend angewendet werden, wenn ein FG beteiligt ist und der BFH als oberstes Bundesgericht zuerst angerufen wird. Der BFH bestimmt hiernach das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs.
  2. Ein Verweisungsbeschluss nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG entfaltet Bindungswirkung hinsichtlich des Rechtswegs, wenn er nicht offensichtlich unhaltbar ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen nicht mehr verständlich erscheint.
  3. Betrifft eine Streitigkeit ausschließlich Fragen, die sich gerade im Zusammenhang oder anlässlich der Einstellung eines Steuerstrafverfahrens stellen, handelt es sich um eine Angelegenheit des Steuerstrafverfahrens, für die die Zuständigkeit der FG ausgeschlossen ist.
 

Sachverhalt

Gegen den Kläger hatte das beklagten Finanzamt ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung geführt, nach Zahlung einer Geldauflage jedoch eingestellt. Nun erhob der Kläger, der die Zahlung unter dem "Vorbehalt" einer rechtlichen Nachprüfung geleistet hatte, beim FG Klage und begehrte, die Geldauflage zu mindern und das Finanzamt zu verpflichten, die zu der Geldauflage führenden Gründe offen zu legen. Das FG erklärte mit unanfechtbarem Beschluss den Rechtsweg zu den Finanzgerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das AG. Dieses verwies ihn an das FG zurück mit der Begründung, eine Bindungswirkung der Verweisung nach § 17a Abs. 2 Satz 3 des GVG sei nicht eingetreten, da der Verweisungsbeschluss des FG jeglicher Rechtsgrundlage entbehre. Das FG begehrte vom BFH die Bestimmung des zuständigen Gerichts.

 

Entscheidung

Der BFH hat das AG als zuständig bestimmt. Eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die Bestimmung des zuständigen Gerichts durch den BFH gibt es zwar nicht, weil § 39 Abs. 1 Nr. 4 FGO lediglich den Fall betrifft, dass innerhalb der Finanzgerichtsbarkeit verschiedene FG sich für unzuständig erklärt haben. Einen Rechtswegekonflikt schließt § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG grundsätzlich von vornherein aus, weil er auch einem zu Unrecht ergangenen Verweisungsbeschluss Bindungswirkung beilegt. Da die Rechtsprechung hiervon allerdings Ausnahmen zugelassen hat, kann es wie im Streitfall gleichwohl ausnahmsweise zu einem solchen Konflikt kommen. Dann ist zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege ein Ausspruch eines obersten Bundesgerichts über das zuständige Gericht notwendig. Da bei einem Streit von Gerichten unterschiedlichen Rechtswegs ein im Rechtszug zunächst höheres Gericht nicht existiert, ist zur Bestimmung des zuständigen Gerichts derjenige oberste Gerichtshof des Bundes berufen, der zuerst um die Bestimmung angegangen wurde[1].

Der Verweisungsbeschluss des FG war nicht offensichtlich unhaltbar. Selbst Maßnahmen der Steuerfahndung zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen sind jedenfalls dann keine Abgabenangelegenheiten, wenn sie nach Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens vorgenommen werden. Das Gleiche muss gelten, wenn eine Streitigkeit ausschließlich Fragen betrifft, die sich im Zusammenhang oder anlässlich der Einstellung des Strafverfahrens stellen, wie im Streitfall die Fragen nach der Höhe der Geldauflage oder nach der Begründung des Schuldvorwurfs.

 

Praxishinweis

  1. § 17a GVG verhindert im Allgemeinen einen Zuständigkeitsstreit von Gerichten verschiedener Rechtswege von vornherein. Hält nämlich ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig, so spricht es dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit an das zuständige Gericht, welches dann an den Verweisungsbeschluss gebunden ist. Bei "krasser Rechtsverletzung" durch den Verweisungsbeschluss hat die Rechtsprechung allerdings eine Durchbrechung der Bindungswirkung zugelassen, insbesondere wenn der Verweisungsbeschluss "willkürlich" ist.
  2. Nach Abschluss eines Ermittlungsverfahrens kann der Finanzrechtsweg unter Umständen auch für strafverfahrensrechtliche Maßnahmen eröffnet sein, z.B. hinsichtlich der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen durch die Steuerfahndung[2].
  3. Die Zulässigkeit des Rechtswegs muss von der Frage einer Unzulässigkeit der Klage unterschieden werden. Das hatte das AG wohl verkannt. Die Einstellung des Steuerstrafverfahrens gegen Geldauflage hatte zum Strafklageverbrauch gemäß § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO geführt, was die Unzulässigkeit der Klage zur Folge haben mag, aber nichts mit dem Rechtsweg zu tun hat.
 

Link zur Entscheidung

BFH-Beschluss vom 26.2.2004, VII B 341/03

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