Leitsatz

Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG muss die zuzustellende Sendung mit einer ausreichenden, den Inhalt der Sendung einwandfrei identifizierenden Geschäftsnummer versehen sein. Diese Voraussetzung ist jedenfalls bei Zustellung des ersten Umsatzsteuerbescheids für den Veranlagungszeitraum erfüllt, wenn die Postzustellungsurkunde als "Geschäftsnummer" (§ 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG) die zutreffende Steuernummer verbunden mit dem Zusatz "UStB 97" ausweist.

 

Sachverhalt

Der Kläger wurde wegen Nichtabgabe der Steuererklärung für 1997 vom Finanzamt mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen zur Umsatzsteuer herangezogen. Das Finanzamt ordnete die Bekanntgabe des Umsatzsteuerbescheids an den Kläger persönlich durch förmliche Zustellung durch die Post nach dem VwZG an. Weil der Postzusteller den Kläger in der Wohnung nicht antraf, übergab er die Sendung ausweislich der Postzustellungsurkunde unter der Zustellanschrift des Klägers an dessen Vater. Auf der Postzustellungsurkunde war unter der Gliederungsnummer 1.1. in einer Zeile handschriftlich die Steuernummer des Klägers und daran anschließend, in das freie Feld unter der Gliederungsnummer "1.2 Ggf. weitere Kennz." hineinreichend der Zusatz "UStB 97" vermerkt. Der Kläger legte verspätet Einspruch ein mit der Begründung, der Schätzungsbescheid sei seinem Vater ausgehändigt worden, dieser habe ihn nicht weitergeleitet. Das Finanzamt verwarf den Einspruch als unzulässig. Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, die Kennzeichnung der Sendung auf der Postzustellungsurkunde mit "UStB 97" erlaube keine einwandfreie Identifizierung der Sendung. Das Finanzamt ging in die Revision.

 

Entscheidung

Der BFH verwies die Sache an das FG zurück. Entgegen dessen Auffassung war der Einspruch verspätet eingelegt worden. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO waren vom FG zu prüfen.

Die Zustellung des Bescheids war – nach den im Leitsatz wiedergegebenen Grundsätzen – wirksam gem. § 3 VwZG. Zwar genügt es dem Gebot der Individualisierung für eine wirksame Zustellung nicht, wenn die Postzustellungsurkunde nur eine Geschäftsnummer ausweist, die – wie z.B. die Steuernummer – durchgängig für einen Aktenvorgang verwendet wird. Diesen strengen Anforderungen genügte im Streitfall aber die Kennzeichnung der Sendung mit der Steuernummer des Klägers und dem Zusatz "UStB 97". Für die Bezeichnung eines Steuerbescheids einer Steuerart ist die Kombination aus der Abkürzung der jeweiligen Steuerart – hier "USt" – und der Abkürzung "B" für Bescheid gebräuchlich. Durch die Bezeichnung "UStB" mit dem Zusatz des Veranlagungszeitraums ist im Zusammenhang mit der Steuernummer eine eindeutige urkundliche Beziehung zwischen Postzustellungsurkunde und zuzustellendem Schriftstück hergestellt.

 

Praxishinweis

Die strengen Zustellungsformalitäten "retten" zwar bei lückenhaften Angaben bisweilen Fristversäumnisse. Insoweit gibt das Urteil eine Übersicht zu den Anforderungen. Nicht jede nicht sofort einleuchtende Abkürzung auf der Urkunde ist aber ein Wirksamkeitsmangel. Wenn die tatsächliche Aushändigung durch den Empfänger an den Adressaten in dessen Sphäre "verschlampt" wird, empfiehlt sich ein ordnungsgemäßer Wiedereinsetzungsantrag – zumindest eine gute Geschichte – mit gleichzeitiger Nachholung der gebotenen Rechtshandlung.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 18.3.2004, V R 11/02

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