Leitsatz

  1. Die Zustellung eines Urteils gegen Empfangsbekenntnis nach § 174 ZPO ist nicht bereits mit der Einlegung in ein Postfach des Anwalts oder mit dem Eingang in der Kanzlei des Bevollmächtigten bewirkt, sondern erst dann, wenn der Anwalt es entgegengenommen und seinen Willen dahin gebildet hat, die Übersendung des Urteils mit der Post als Zustellung gelten zu lassen.
  2. Erklärt der Rechtsanwalt, dass ihm ein Urteil nicht oder erst zu einem bestimmten Tag zugegangen sei, so besteht in der Regel kein Grund, dem zu misstrauen.
  3. Die Verletzung einer allenfalls standesrechtlich bestehenden Pflicht, ein für den Rechtsanwalt eingerichtetes Postfach werktäglich zu leeren und an diesen Tagen dort eingelegte Post gegebenenfalls mit dem Ergebnis, dass eine Rechtsmittelfrist zu laufen beginnt, entgegenzunehmen, wirkt sich nicht dahin aus, dass die Zustellung als an dem Tag bewirkt anzusehen ist, an dem das Urteil in das Postfach eingelegt worden ist.
 

Sachverhalt

Ein Urteil des FG, gegen das der Kläger am 6.4. Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat, war dem Finanzamt am 24.2. zugestellt worden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers, ein Rechtsanwalt, dem das Urteil mit Empfangsbekenntnis zugestellt werden sollte, will es jedoch erst am 6.3. erhalten haben. Sein Postfach sei in der Woche vom 27.2. bis 3.3. nur am 1.3. geleert worden, ohne dass sich das Urteil darin befunden habe; es sei erst am 6.3. entnommen worden. Das könne auf der wegen Kanzleiwechsels häufig falsch vorgenommenen Einsortierung seiner Post beruhen.

 

Entscheidung

Die Beschwerde ist fristgerecht erhoben, weil die Rechtsmittelfrist erst am 6.3. zu laufen begonnen hat. Wählt das Gericht den Weg der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis gemäß § 174 ZPO, ist die Zustellung nicht bereits mit der Einlegung in ein Postfach des Anwalts, sondern grundsätzlich erst dann bewirkt, wenn der Anwalt es entgegengenommen und seinen Willen dahin gebildet hat, die Übersendung des Urteils mit der Post als Zustellung gelten zu lassen. Wann das der Fall war, bekundet er im Empfangsbekenntnis, dem grundsätzlich nicht misstraut werden darf.

 

Praxishinweis

Urteile der FG werden gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FGO nach den Vorschriften der ZPO zugestellt. Eine Zustellung durch die Post mittels Empfangsbekenntnis setzt die Bereitschaft des Anwalts voraus, die Zustellung an einem bestimmten Tag seiner Wahl entgegenzunehmen und als Zustellung gegen sich gelten zu lassen. Eine inhaltliche Kenntnisnahme von dem Schriftstück muss dies allerdings nicht einschließen. Vorgenannten Willensentschluss dokumentiert das Empfangsbekenntnis.

Eine etwaige standesrechtliche Pflicht zur unverzüglichen Entgegennahme oder Zurückweisung der Zustellung bzw. zum regelmäßigen Leeren eines Postfachs ist für den Lauf der Rechtsmittelfrist ohne Belang.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Beschluss vom 21.2.2007, VII B 84/06

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