Sittenwidrige Härte?
Neben dem Antrag nach § 30a ZVG kann der Schuldner auch einen Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO beantragen – allerdings lediglich bis zur Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses.
Nur in Ausnahmefällen
Danach kann das Vollstreckungsgericht das Zwangsversteigerungsverfahren einstweilen einstellen (oder ganz aufheben), wenn die Versteigerung unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Diese Formulierung im Gesetz zeigt schon, dass die Voraussetzungen der Vorschrift nur in seltenen Ausnahmefällen erfüllt sein werden. Jede Vollstreckungsmaßnahme bedeutet für den Schuldner eine Härte. Es müssen schon – neben der Interessenabwägung – ganz außergewöhnliche Umstände hinzukommen, um im Einzelfall eine sittenwidrige Härte bejahen zu können.
Beispiele
Solche Fälle können eventuell gegeben sein, wenn sich das Vorgehen des Gläubigers als Rechtsmissbrauch darstellt oder wenn der zu erwartende Erlös in der Versteigerung unter 40 % des Verkehrswerts liegt, nicht aber bei einem Meistgebot oberhalb der 5/10-Grenze.
Überhaupt reicht die Befürchtung eines geringen Erlöses nicht aus.
Selbstmordgefahr
Als Grund für eine Verfahrenseinstellung wird der Schuldner mitunter eine (angebliche oder tatsächliche) Suizidgefährdung anführen – sei es für ihn selbst oder einen nahen Angehörigen. In solchen Fällen ist der Zuschlag weder ohne Weiteres zu versagen und die Zwangsversteigerung (einstweilen) einzustellen noch ohne Weiteres unter Ablehnung des beantragten Vollstreckungsschutzes nach § 765 a ZPO zu erteilen. Erforderlich ist vielmehr, das in solchen Fällen ganz besonders gewichtige Interesse der von der Vollstreckung Betroffenen (Lebens- bzw. Gesundheitsschutz, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) gegen das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers (Eigentumsschutz, Art. 14 GG; wirksamer Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG) abzuwägen. Es ist daher sorgfältig zu prüfen, ob der Gefahr schwerwiegender gesundheitlicher Risiken auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Mit Blick auf die Interessen des Erstehers gilt nichts anderes. Dabei sind an die Annahme eines Härtefalls strenge Anforderungen zu stellen.
Gründliche Sachaufklärung
Esist also eine besonders sorgfältige Sachaufklärung durch das Gericht geboten. Erforderlich ist eine umfassende Aufklärung sämtlicher therapeutisch möglichen Maßnahmen, um eine Gesundheitsgefährdung des Schuldners auszuschließen und auf diesem Wege dem Vollstreckungsinteresse des Gläubigers Rechnung tragen zu können. Dabei ist auch zu prüfen, ob die Gefährdung tatsächlich auf der drohenden Vollstreckung oder aber auf anderen Umständen beruht. Wird die Selbstmordgefahr nach fachärztlicher Untersuchung bestätigt, kann (und wird) das Vollstreckungsgericht das Verfahren nach § 765a ZPO einstweilen einstellen – mitunter für mehrere Jahre!
Grundsatz: Befristung
Dabei ist grundsätzlich nur eine befristete Einstellung möglich. Dies gilt auch bei erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit des Vollstreckungsschuldners.
Einstellung gegen Auflagen
Das für den Gläubiger sehr missliche Ergebnis eines jahrelangen Verfahrensstillstandes lässt sich allerdings mildern: Gleichzeitig ist in der Regel die Auflage anzuordnen, dass der Schuldner eine erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeit wahrnimmt und er die Notwendigkeit weiterer Behandlung etwa durch eine Bescheinigung des Sozialpsychiatrischen Dienstes belegt.
Unterbringung möglich?
In Betracht kommen auch die Ingewahrsamnahme des suizidgefährdeten Schuldners nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den einschlägigen Landesgesetzen sowie die betreuungsrechtliche Unterbringung (§ 1906 BGB). Kann der Suizidgefahr des Schuldners auf diese Weise entgegengewirkt werden, scheidet die Einstellung aus.
In Ansehung einer Suizidgefährdung des Schuldners kommt die unbefristete oder die von Auflagen freie Einstellung der Räumungsvollstreckung nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht. Denn im Interesse des Gläubigers, sich nicht einem dem Lebensschutz des Schuldners dienenden dauerhaften staatlichen Vollstreckungsverbot ausgesetzt zu sehen, ist es dem Schuldner in der Regel zumutbar, eine Verbesserung seines Gesundheitszustands zu bewirken und den Stand seiner Behandlung in regelmäßigen Abständen nachzuweisen.
Einstellung ohne Auflagen
Die befristete Einstellung der Zwangsversteigerung darf ohne Auflagen erfolgen, wenn dem Schuldner jede Krankheitseinsicht fehlt, er seinen Willen aber frei zu bilden vermag und deshalb eine Betreuung nicht eingerichtet werden kann, und wenn die hinzugezogenen Sachverständigen eine sonst aufzugebende Therapie gegen seinen Willen nicht für angezeigt halten. Nach Fristablauf ist unter den dann obwaltenden Umständen darüber zu entscheiden, ob bzw. unter welchen Bedingungen der Zwangsversteigerung Fortgang zu geben ist.
Ausnahmen
Sind die...