Verkehrswertgutachten

Im Allgemeinen holt das Gericht als Grundlage für die Festsetzung ein Wertgutachten ein. Dazu lässt es den Verkehrswert des zu versteigernden Grundstücks meist durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen (Architekt oder Makler) schätzen. Der Verkehrswert kann aber auch durch den gemeindlichen Gutachterausschuss ermittelt werden.[1] Die Auswahl und Beauftragung des Sachverständigen ist vom Schuldner nicht anfechtbar.[2]

Wofür ist der Wert wichtig?

Benötigt wird der Grundstückswert insbesondere für die Berechnung der sog. 7/10-Grenze und 5/10-Grenze[3], die Bemessung der Gerichtskosten[4] und die Höhe der Sicherheitsleistung[5]. Und natürlich ist der festgesetzte Wert wichtig für Bietinteressenten bei der Kalkulation ihres Höchstgebots.

Was bedeutet "Verkehrswert"?

Der Begriff des Verkehrswerts(= Marktwerts) ist in § 194 Baugesetzbuch definiert.[6] Danach wird der Verkehrswert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr entsteht. Maßgeblich sind also grundsätzlich marktwirtschaftliche Kriterien, insbesondere Angebot und Nachfrage. Von einem gewöhnlichen Geschäftsverkehr kann man nur sprechen, wenn eine ausreichend große Zahl von Käufern und Verkäufern sowie von vergleichbaren Kaufobjekten vorhanden ist.

Wie wird der Wert ermittelt?

Der Verkehrswert kann auf verschiedene Arten ermittelt werden, und zwar nach der Immobilienwertermittlungsverordnung 2010.[7]

Ihre Vorschriften gelten nicht nur bei Wertermittlungen in Durchführung des Baugesetzbuchs, sondern enthalten für nahezu alle Bereiche anerkannte Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken.[8] Die Verordnung nennt 3 Methoden[9]:

  • Vergleichswertverfahren,
  • Ertragswertverfahren und
  • Sachwertverfahren.

Welchem Verfahren der Vorzug zu geben ist, kann nicht generell beurteilt werden. Dies hängt vor allem von der Art des Versteigerungsobjekts ab (unbebautes Grundstück, Einfamilienhaus, Mietshaus) und steht im Übrigen im Ermessen des Gerichts.[10] Die Berechnungsarten können auch miteinander kombiniert werden. So wurde bei Hotels häufig ein Mittelwert aus dem Ertragswert und dem Sachwert gebildet.[11] Teilweise wird auch nur auf den Ertragswert[12] oder nur auf den Sachwert[13] abgestellt. In jedem Fall ist unbedingt erforderlich, dass die besonderen Umstände des Einzelfalls (z.  B. gängiger Haustyp oder Liebhaberobjekt?) in die Wertschätzung einfließen.

Altlastenverdacht

Besteht bei einem Grundstück ein ernst zu nehmender Altlastenverdacht, muss das Gericht bei der Verkehrswertermittlung den Verdachtsmomenten nachgehen und alle zumutbaren Erkenntnisquellen über die Bodenbeschaffenheit ausnutzen. Kosten für ein Bodengutachten sind jedenfalls dann aufzuwenden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zu den Auswirkungen stehen, die das Gutachten angesichts der Aussagekraft vorhandener Unterlagen auf den festzusetzenden Verkehrswert haben kann.[14] Dabei ist die Bodenschutzbehörde verpflichtet, dem Vollstreckungsgericht oder dem von ihm beauftragten Sachverständigen im Wege der Amtshilfe Auskunft über die ihr vorliegenden Informationen über gesundheits- oder umweltschädliche Veränderungen der natürlichen Bodenbeschaffenheit des Versteigerungsobjekts (Altlasten) zu erteilen. Sie darf die Auskunft nicht von der Zustimmung betroffener Personen abhängig machen.[15]

Bewertung auch des Zubehörs

Nicht nur das eigentliche Versteigerungsobjekt bedarf der Begutachtung. Auch der Wert der beweglichen Gegenstände, die von der Beschlagnahme miterfasst sind (insbesondere Zubehör), muss ermittelt werden. Dies gilt etwa für Photovoltaikanlagen.[16] Gegebenenfalls muss hierzu ein gesondertes Sachverständigengutachten eingeholt werden. Wird der gesamte Gewerbebetrieb des Schuldners mit versteigert, so ist auch der eigentliche Geschäftswert bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen.

Stellplatz

Ein zu einer Wohnung gehöriger Stellplatz, der grundbuchrechtlich einem gesonderten Miteigentumsanteil zugewiesen ist, kann bei der Wertermittlung für die Wohnung nicht berücksichtigt werden, auch wenn die Wohnung und der Tiefgaragenstellplatz eine wirtschaftliche Einheit darstellen mögen. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn der separate Stellplatz mangels Antrag nicht beschlagnahmt ist.[17]

Grundstücksbelastungen

Mit der ganz h. M. ist davon auszugehen, dass sich bestehen bleibende Belastungen auf den Verkehrswert nicht mindernd auswirken. Sie werden durch den Zuzahlungsbetrag im geringsten Gebot angemessen berücksichtigt.[18]

Gutachten nicht bindend

Den Wert bestimmt der Rechtspfleger nach freier Überzeugung. Er ist nicht an das Gutachten des Sachverständigen gebunden, wird aber nur in Ausnahmefällen davon abweichen. Jedenfalls muss es im Einzelnen nachvollziehbar sein. So darf etwa das Gericht einem Sachverständigengutachten nicht folgen, das im Rahmen der Ertragswertmethode auf Vergleichsmieten abstellt, ohne die Vergleichsobjekte und Vergleichspreise zu nennen.[19] Gleiches gilt, wenn Ausführungen zur konkreten Marktsituation...

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