Schlampiges Gutachten?
Die Klägerin hatte in einem Zwangsversteigerungsverfahren eine von einem Sachverständigen begutachtete Eigentumswohnung ersteigert. Sie nahm ihn gerichtlich auf Schadensersatz in Anspruch, weil er grob fahrlässig ein fehlerhaftes Verkehrswertgutachten erstellt habe. So habe der Beklagte bei der Bestimmung des Verkehrswertes nicht berücksichtigt, dass für die gesamte Wohnung ein 2. Rettungsweg fehlt. Auch habe er die 2. Ebene der Eigentumswohnung nicht als Wohnfläche berücksichtigen dürfen, weil die Fläche wegen der Deckenhöhe und des Fehlens eines Rettungsweges nicht als Aufenthaltsraum genutzt werden darf.
Kein Schadensersatz
Doch mit ihrer Schadensersatzklage drang die Ersteherin nicht durch. Nach Meinung des OLG Braunschweig besteht ein Anspruch aus § 839a BGB nur dann, wenn der beklagte Sachverständige vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet hat und der geltend gemachte Schaden adäquat kausale Folge der Pflichtverletzung ist. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt.
Dass der Beklagte grob fahrlässig nicht erkannt hat, dass es an einem 2. Rettungsweg für die gesamte Dachgeschosswohnung fehlt, lässt sich nicht feststellen. Zudem habe dieser in seinem Gutachten darauf hingewiesen, das Vorliegen einer Baugenehmigung nicht überprüft zu haben, seiner Begutachtung aber die formelle und materielle baurechtliche Legalität zugrunde gelegt. Der Verkehrswert ist nur annähernd zu ermitteln. Verzichtet der Gutachter deshalb teilweise auf genauere Feststellungen und macht er dies – wie hier – im Gutachten kenntlich, entfällt ein Anspruch aus § 839a BGB.
Ergebnis stimmt
Zwar hat der Sachverständige – so das Gericht weiter – grob fahrlässig gehandelt, weil er bei der Ermittlung der Wohnfläche unbeachtet gelassen hat, was jedem Sachkundigen hätte einleuchten müssen – vorliegend, dass die 2. Ebene der Eigentumswohnung nicht als Aufenthaltsraum genutzt werden darf –, und seine Pflichtverletzung schlechthin unentschuldbar ist. Der Sachverständige haftet jedoch nicht, wenn er zwar von unrichtigen Anknüpfungstatsachen ausgegangen, der Verkehrswert aber im Ergebnis richtig ist. Weicht der vom Sachverständigen ermittelte Verkehrswert in Höhe von 255.000 EUR nur in Höhe von 2.000 EUR von dem korrekten Verkehrswert ab, lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin, die den Zuschlag bei einem Gebot von 184.000 EUR erhalten hat, die Wohnung in Kenntnis des korrekten Verkehrswerts nicht ersteigert hätte.
(OLG Braunschweig, Urteil v. 19.1.2017, 2 U 119/14, BauR 2017 S. 1222)