Leitsatz
- Nach Einführung des § 4 Abs. 4a EStG ab 1999 ist der Schuldzinsenabzug zweistufig zu prüfen. In einem ersten Schritt ist zu klären, ob der betreffende Kredit nach den von der bisherigen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen (vgl. BFH-Beschluss vom 8.12.1997, GrS 1-2/95, BStBl II 1998, S. 193 = INF 1998, S. 249) eine betriebliche oder private Schuld ist. Sodann ist in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob und in welchem Umfang die betrieblich veranlassten Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG abziehbar sind.
- Private Verbindlichkeiten, deren Zinsen nach § 4 Abs. 4 EStG nicht betrieblich veranlasst sind, sind bei der Ermittlung der Entnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG nicht zu berücksichtigen (vgl. BMF-Schreiben vom 22.5.2000, IV C 2 – S 2144 – 60/00, BStBl I 2000, S. 588, Tz. 6, 7).
- Werden eingehende Betriebseinnahmen zur Tilgung eines Schuldsaldos verwendet, der aufgrund privater Zahlungsvorgänge entstanden ist oder sich dadurch erhöht hat, liegt hierin im Zeitpunkt der Gutschrift eine Entnahme, die bei der Ermittlung der Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen ist.
Sachverhalt
S erzielte im Streitjahr 2001 gewerbliche Einkünfte, die er nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelte. Das Finanzamt erhöhte im angefochtenen Einkommensteuerbescheid den erklärten Gewinn um gemäß § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbare Schuldzinsen. Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab. Auf die Revision hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Entscheidung
Auch nach Einführung des § 4 Abs. 4a EStG bestimmt sich die betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4 EStG. Nach den vom BFH entwickelten Grundsätzen sind die Schuldzinsen anhand des tatsächlichen Verwendungszwecks der Kreditmittel der Erwerbs- oder der Privatsphäre zuzuordnen. Nur Zinsen, die für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört, sind ebenfalls betrieblich veranlasst. Darlehen zur Finanzierung außerbetrieblicher Zwecke sind hingegen nicht betrieblich veranlasst und die dadurch verursachten Schuldzinsen damit keine Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 4 EStG.
Private Verbindlichkeiten, deren Zinsen nach § 4 Abs. 4 EStG nicht betrieblich veranlasst sind, sind nicht bei der Ermittlung der Entnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen. Der Steuerpflichtige kann auch nach Einführung des § 4 Abs. 4a EStG bestimmen, dass für die Berechnung der Zinsen eines gemischten Kontokorrents mit Schuldsaldo jede Habenbuchung zunächst dem Unterkonto gutzuschreiben ist, auf dem die privat veranlassten Sollbuchungen erfasst werden. Durch diese Tilgung eines Sollsaldos, der aufgrund privater Zahlungsvorgänge entstanden ist oder sich dadurch erhöht hat, mit eingehenden Betriebseinnahmen werden betriebliche Mittel zum Ausgleich einer privaten Schuld verwendet. Hierin liegt im Zeitpunkt der Gutschrift eine Entnahme, die bei der Ermittlung der Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen ist.
Praxishinweis
Mit diesem Urteil hat sich der BFH der Finanzverwaltung sowie der h.M. in der Literatur angeschlossen, wonach § 4 Abs. 4a EStG nur die nach § 4 Abs. 4 EStG betrieblich veranlassten Schuldzinsen unterliegen. Der BFH hat zudem klargestellt, dass private Verbindlichkeiten, deren Zinsen nach § 4 Abs. 4 EStG nicht betrieblich veranlasst sind, bei der Ermittlung der Entnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG nicht anzusetzen sind. Entnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG liegen aber dann vor, wenn die privat veranlasste Verbindlichkeit oder der privat veranlasste Teil einer solchen Verbindlichkeit mit betrieblichen Mitteln, z.B. eingehenden Betriebseinnahmen, getilgt wird.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 21.9.2005, X R 46/04