Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitrittsgebiet. Übergangsrecht. Beginn einer Verletztenrente. Versicherungsfall vor dem 1.1.1992. Nichtanwendung des § 1546 Abs 1 RVO. zeitliche begrenzte Rückwirkung gemäß § 44 Abs 4 SGB 10
Orientierungssatz
1. Zur Frage, ab welchem Zeitpunkt dem Versicherten eine Verletztenrente zusteht, wenn der im Juni 1985 im Beitrittsgebiet eingetretene Versicherungsfall von der Staatlichen Versicherung der DDR im November 1988 als Arbeitsunfall anerkannt wurde, Leistungen aber wegen der zu niedrig geschätzten MdE (15 %) konkludent versagt worden waren, und die Anmeldung eines Erstattungsanspruches gegenüber einem bundesdeutschen Unfallversicherungsträger erstmals im Februar 1995 erfolgte.
2. Anders als bei der speziell für das Beitrittsgebiet geschaffenen Regelung im § 1156 Abs 1 RVO stellt § 1546 Abs 1 RVO nicht nur auf ein Tätigwerden eines nach dem bundesrepublikanischen Unfallrecht zuständigen Unfallversicherungsträgers ab. Gemeint sind alle nach dem zum Unfallzeitpunkt geltenden Recht getroffenen Feststellungen eines zuständigen Versicherungsträgers (hier: Staatliche Versicherung der DDR).
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ab welchem Zeitpunkt die Beklagte dem Kläger eine Unfallrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu leisten hat.
Der ... 1967 geborene Kläger nahm am 26. Juni 1985 als Schüler der Erweiterten Oberschule "Albert Kuntz" in Z an einem organisierten Arbeitseinsatz der Schüler im Kartoffellagerhaus der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) H teil. Dabei erlitt er nach einem Aufprall des Förderbandes eine Verletzung des rechten Fußes mit einer Fraktur des rechten Sprunggelenkes.
In einem seinerzeit auf Veranlassung des FDGB-Kreisvorstandes eingeholten Unfallgutachten vom 15. August 1988 wurde der Körperschaden mit 15 % eingeschätzt. Die Staatliche Versicherung der DDR erkannte mit einem "Bescheid über Ihren Leistungsanspruch zum Unfallschaden 8/0003/00/4083 vom 26.06.1985" vom 4. November 1988 gegenüber dem Kläger einen "unfallbedingten Körperschaden von 15 %" an.
Am 10. April 1994 kam es zu einem Umknicken des rechten Sprunggelenks. In der Folge wurde der Kläger zunächst ambulant und dann vom 26. bis zum 28. Oktober 1994 stationär behandelt.
Die Krankenkasse des Klägers meldete am 3. Februar 1995 bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege im Hinblick auf noch bestehende Verletzungsfolgen des Unfalls vom 26. Juni 1985 einen Erstattungsanspruch an. Diese Berufsgenossenschaft gab den Vorgang zuständigkeitshalber an die Beklagte weiter, die ein Verwaltungsverfahren einleitete. Die Beklagte holte ein Gutachten des Chefarztes der Klinik für Unfall- und Handchirurgie des Städtischen Klinikums D, Dr. Z vom 25. April 1997 ein. Darin schätzte dieser nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 17. April 1997 die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) aufgrund des Unfalls vom 26. Juni 1985 wie folgt ein: Vom 26. Juni zum 12. Juli 1985 100 v.H., vom 13. Juli bis 9. August 1985 50 v.H., vom 10. August bis 19. September 1985 40 v.H., vom 20. September bis 25. Oktober 1994 30 v.H., vom 26. Oktober 1994 bis 28. Oktober 1994 100 v.H. und 30. v.H. ab dem 29. Oktober 1994 bis auf weiteres.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 11. Juli 1997 eine Unfallrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE von 30 v. H. beginnend ab dem 1. Februar 1995. Der Kläger erhob am 8. August 1997 Widerspruch, mit dem er sich ausschließlich gegen den Beginn der Verletztenrente wandte. Er verwies darauf, dass der Unfall unverzüglich dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung der ehemaligen DDR, der Staatlichen Versicherung, bekannt gegeben worden sei. Da sich nachträglich erwiesen habe, dass der Körperschaden höher als seinerzeit eingeschätzt sei, stünden ihm Rentenbezüge ab dem Tag des Unfalls zu. Die Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück und führte aus: Werde der Anspruch auf Unfallentschädigung nicht spätestens zwei Jahre nach dem Unfall bei dem Unfallversicherungsträger angemeldet, so begännen die Leistungen nach § 1546 der Reichsversicherungsordnung (RVO) mit dem 1. des Antragsmonats. Der Unfall sei zwar der Staatlichen Versicherung der ehemaligen DDR gemeldet worden, einem Unfallversicherungsträger der Bundesrepublik sei er aber erstmals durch die Anmeldung des Erstattungsanspruchs am 3. Februar 1995 bekannt geworden. Daraus folge der Leistungsbeginn ab dem 1. Februar 1995 (Widerspruchsbescheid vom 5. November 1997).
Der Kläger hat am 5. Dezember 1997 Klage erhoben, die das Sozialgericht Dessau mit Urteil vom 22. März 1999 als unbegründet abgewiesen hat. In den Urteilsgründen wird im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Verletztenrente. Gemäß § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO gälten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1999 eingetreten seien und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankhei...