Dipl.-Ing. Andreas Terboven, Dipl.-Ing. Michael Haug
Atemgifte mit Reiz- oder Ätzwirkung entfalten ihr Schädigungspotenzial im Körper. Aufgrund Ihrer Eigenschaften können sie die Schleimhäute der Atemwege reizen oder verätzen oder das Lungengewebe zerstören. Sie können auch zu einer Entzündung der Lungenbläschen führen, die wiederum später eine Ansammlung von Gewebeflüssigkeit im Lungenraum hervorrufen kann, das sog. Lungenödem. Dadurch wird der Gasaustausch in der Lunge massiv gestört, was zu einer Sauerstoffmangelversorgung des Körpers führt. Eine Nichtbehandlung kann tödliche Folgen haben.
Dies bedeutet, dass Personen, die Atemgiften mit Reiz- oder Ätzwirkung ausgesetzt waren, unbedingt ärztlich behandelt werden müssen. Auch beim Einatmen geringer Mengen von Atemgiften ist eine ärztliche Beobachtung unabdingbar. Die Latenzzeit kann bis zu 48 Std. betragen.
Im Folgenden werden die i. d. R. bei einem Brand vorkommenden Atemgifte mit Reiz- oder Ätzwirkung aufgeführt und kurz beschrieben.
1.3.1 Chlor
Bei Bränden verbrennen oft Kunststoffe, wobei Chlor und Chlorverbindungen freigesetzt werden. Chlor ist ein stechend riechendes Gas mit gelb-grüner Färbung. Es ist schwerer als Luft, sammelt sich daher am Boden an und hat ein Fließverhalten wie Wasser. Der Geruch ist so intensiv, dass Chlor schon wahrgenommen werden kann, bevor eine gefährliche Konzentration erreicht wird. Chlor ist sehr reaktionsfähig mit bestimmten Stoffen: Dadurch kann es zu explosionsartigen Reaktionen kommen. Zudem fördert es die Korrosion und greift Stahl sofort an, was zu Rost führt – im Stahlbeton kann es die Armierung zur Korrosion bringen.
1.3.2 Ammoniak
Ammoniak hat folgende Eigenschaften:
- farbloses, stechend riechendes Gas,
- leicht entzündbar,
- brennt nicht selbstständig weiter,
- leichter als Luft.
In Wasser gelöstes Ammoniak wird auch Salmiakgeist genannt.
1.3.3 Nitrose Gase
Unter diesem Begriff werden Stickoxide (Verbindungen aus Stickstoff und Sauerstoff) zusammengefasst. Das häufigste nitrose Gas ist Stickstoffdioxid, ein rotbraunes, nicht brennbares Gas, das schwerer als Luft ist und einen leicht chlorigen Geruch hat. Nitrose Gase entstehen hauptsächlich bei der Zersetzung von ammoniumnitrithaltigen Düngemitteln oder bei der chemischen Reaktion von Salpetersäure mit Metallen. Nitrose Gase weisen eine lange Latenzzeit (bis 48 Std.) auf.
1.3.4 Säuredämpfe
Säuredämpfe haben meist einen charakteristisch stechenden Geruch und sind i. d. R. nicht brennbar. Salzsäuredämpfe sind die bekanntesten Säuredämpfe, da diese bei PVC-Bränden (z. B. Elektroleitungen) freigesetzt werden.