Dipl.-Ing. Andreas Terboven, Dipl.-Ing. Michael Haug
Zusammenfassung
Personen sind bei der Brandbekämpfung an der Einsatzstelle unterschiedlichsten Gefährdungen ausgesetzt. Dies sind v. a. die Entstehung von Atemgiften, die Brandausbreitung, der Einsturz von Gebäuden aufgrund des Versagens von tragenden Konstruktionen durch die Brandeinwirkung und mögliche Folgen löschtaktischer Fehler. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Entstehung dieser Gefährdungen, um Personen während der Brandbekämpfung durch den Einsatz geeigneter Maßnahmen besser schützen zu können (z. B. durch den Einsatz von umgebungsunabhängigem, schweren Atemschutz).
1 Atemgifte
Definition Atemgifte
"Atemgifte sind in der Luft vorhandene Gase, Dämpfe oder Schwebstoffe, die über die Atemwege in den Körper gelangen und dort schädigende Wirkungen haben können." Dieser Leitsatz wird Angehörigen von Feuerwehren bei der Ausbildung zum Atemschutzgeräteträger als Erstes beigebracht.
Atemgifte werden bei jedem Brand freigesetzt. Diese können sehr mannigfaltig in Art und Wirkung sein. Es soll aus diesem Grunde hier nur auf die häufigsten Atemgifte eingegangen werden, welche insbesondere durch eine unvollständige Verbrennung entstehen. Der wirksame Schutz vor Atemgiften im Brandfall ist nur durch den Einsatz von umgebungsunabhängigem Atemschutz möglich.
1.1 Brandrauch
Brandrauch ist eine Mischung aus Rußpartikeln und den bei jedem Brand vorkommenden Brandgasen und Dämpfen. Diese weisen in aller Regel mindestens gesundheitsschädliche Eigenschaften auf. Die Zusammensetzung des Brandrauchs (Verbrennungsprodukte) hängt allerdings hauptsächlich ab von
- den brennenden Stoffen,
- dem Sauerstoffangebot und
- der Verbrennungstemperatur.
Die entstehende Brandrauchmenge hängt in erster Linie vom brennenden Stoff ab.
Menge des Brandrauchs hängt vom Stoff ab
Das bedeutet, dass die gleiche Menge von verschiedenen brennbaren Stoffen sehr unterschiedliche Brandrauchmengen ergeben kann (Abb. 1). Die Brandrauchmengen von 10 kg Kerosin und Schaumgummi reichen z. B. aus, um ca. 30 Einfamilienhäuser mit Brandrauch zu füllen.
Abb. 1: Rauchgasmengen, die bei der Verbrennung von jeweils 10 kg unterschiedlichen Materials in einer Stunde freigesetzt werden
Brandrauch weist nicht nur toxische und weitere Gefährdungen für den menschlichen Körper auf, sondern hat auch die Eigenschaft, die Sicht stark einzuschränken oder gar völlig zu verhindern. Dies beruht auf dem hohen Anteil an Rußpartikeln.
1.2 Atemgifte mit erstickender Wirkung
Atemgifte mit erstickender Wirkung verdrängen in erster Linie den lebenswichtigen Sauerstoff. Diese Stoffe können außerdem giftige oder gesundheitsschädigende Wirkungen haben. Die Verdrängung des Sauerstoffs aus der Umgebungsatmosphäre führt zu einer Sauerstoffarmut im Körper, die bei den betroffenen Personen zur Bewusstlosigkeit und zum Tod führen kann.
Bleibende Gesundheitsschäden
Eine Sauerstoffunterversorgung des Körpers von ca. 3 Min. kann bereits zu bleibenden Gesundheitsschäden führen.
Der Sauerstoffgehalt in der Umgebungsatmosphäre kann ausschließlich mittels Messtechnik hinreichend genau ermittelt werden.
1.3 Atemgifte mit Reiz- oder Ätzwirkung
Atemgifte mit Reiz- oder Ätzwirkung entfalten ihr Schädigungspotenzial im Körper. Aufgrund Ihrer Eigenschaften können sie die Schleimhäute der Atemwege reizen oder verätzen oder das Lungengewebe zerstören. Sie können auch zu einer Entzündung der Lungenbläschen führen, die wiederum später eine Ansammlung von Gewebeflüssigkeit im Lungenraum hervorrufen kann, das sog. Lungenödem. Dadurch wird der Gasaustausch in der Lunge massiv gestört, was zu einer Sauerstoffmangelversorgung des Körpers führt. Eine Nichtbehandlung kann tödliche Folgen haben.
Dies bedeutet, dass Personen, die Atemgiften mit Reiz- oder Ätzwirkung ausgesetzt waren, unbedingt ärztlich behandelt werden müssen. Auch beim Einatmen geringer Mengen von Atemgiften ist eine ärztliche Beobachtung unabdingbar. Die Latenzzeit kann bis zu 48 Std. betragen.
Im Folgenden werden die i. d. R. bei einem Brand vorkommenden Atemgifte mit Reiz- oder Ätzwirkung aufgeführt und kurz beschrieben.
1.3.1 Chlor
Bei Bränden verbrennen oft Kunststoffe, wobei Chlor und Chlorverbindungen freigesetzt werden. Chlor ist ein stechend riechendes Gas mit gelb-grüner Färbung. Es ist schwerer als Luft, sammelt sich daher am Boden an und hat ein Fließverhalten wie Wasser. Der Geruch ist so intensiv, dass Chlor schon wahrgenommen werden kann, bevor eine gefährliche Konzentration erreicht wird. Chlor ist sehr reaktionsfähig mit bestimmten Stoffen: Dadurch kann es zu explosionsartigen Reaktionen kommen. Zudem fördert es die Korrosion und greift Stahl sofort an, was zu Rost führt – im Stahlbeton kann es die Armierung zur Korrosion bringen.
1.3.2 Ammoniak
Ammoniak hat folgende Eigenschaften:
- farbloses, stechend riechendes Gas,
- leicht entzündbar,
- brennt nicht selbstständig weiter,
- leichter als Luft.
In Wasser gelöstes Ammoniak wird auch Salmiakgeist genannt.
1.3.3 Nitrose Gase
Unter diesem Begriff werden Stickoxide (Verbindungen aus Stickstoff und Sauerstoff) zusammengefasst. Das häufigste nitrose Gas ist Stickstoffdioxid, ein rotbraunes, nicht brennbares Gas, das schwerer als Luft ist ...