Dipl.-Biol. Bettina Huck, Dr. Josef Sauer
Zusammenfassung
Das Durchschnittsalter der Belegschaften nimmt zu, das Renteneintrittsalter steigt. Unternehmen müssen dafür sorgen, dass Beschäftigte lange leistungsfähig bleiben. Zentrales Element der Prävention im Arbeits- und Gesundheitsschutz ist die Gefährdungsbeurteilung. Der Beitrag listet zu den in der Gefährdungsbeurteilung üblicherweise verwendeten Gefährdungsfaktoren die alter(n)sspezifischen Unterschiede auf und nennt mögliche spezifische Maßnahmen.
1 Grundlagen
1.1 Alternde Belegschaften
Das Durchschnittsalter der Belegschaften nimmt zu. Der Anteil der Erwerbstätigen im Alter von 55 bis 65 Jahren steigt in Deutschland kontinuierlich, im Jahr 2016 lag die Erwerbstätigenquote in dieser Altersgruppe bereits bei 68,6 %. Im Jahr 2001 war die Quote noch 37,9 %. Dieser Trend gilt für ganz Europa; im Durchschnitt stieg auch hier die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen von 38,4 % (2002) auf 55,3 % im Jahr 2016. Die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter sinkt, das Renteneintrittsalter steigt.
Unternehmen, die ihren Erfolg langfristig sichern wollen, stehen vor der Aufgabe, qualifiziertes Personal zu finden, ans Unternehmen zu binden und lange arbeits- und leistungsfähig zu halten. Dies gilt sowohl für junge als auch ältere Beschäftigte.
Definition "Ältere Beschäftigte"
Ältere Arbeitnehmer sind laut OECD Mitarbeiter, die in der zweiten Hälfte des Berufslebens stehen, das Rentenalter noch nicht erreicht haben und gesund und arbeitsfähig sind. Eine konkrete Altersangabe, ab wann ein Beschäftigter zu den älteren Arbeitnehmern zählt, gibt es nicht. Die Grenzen sind fließend und liegen zwischen 45 und 55 Jahren. Häufig werden Arbeitnehmer ab 50 (sog. "50+") bzw. 55 Jahren zu den älteren Arbeitnehmern gezählt.
1.2 Leistungsfähigkeit
Was die psychische und körperliche Leistungsfähigkeit betrifft, so verläuft der Alterungsprozess komplex und individuell sehr unterschiedlich. Das kalendarische Alter sagt daher wenig über die tatsächliche Leistungsfähigkeit aus, sie ist u. a. abhängig von bisher ausgeübten Tätigkeiten und dem Lebensstil.
I. d. R. nehmen mit zunehmendem Alter u. a. folgende Merkmale (Stärken bzw. Chancen) zu:
- Erfahrungs- und Fachwissen,
- soziale Kompetenz,
- Zufriedenheit mit der Tätigkeit,
- Zuverlässigkeit,
- Gelassenheit.
Auf der anderen Seite treten körperliche Beschwerden, chronische Erkrankungen und damit verbundene längere Fehlzeiten bei älteren Beschäftigten häufiger auf. Der Alterungsprozess kann u. a. Hörvermögen, Sehkraft, Muskelkraft und Ausdauer betreffen.
Beispiele für die Veränderung der Leistungsfähigkeit in Abhängigkeit vom Alter
Ab einem Lebensalter von ca. 40 Jahren:
- Die Hörwahrnehmung nimmt wegen altersbedingter Veränderungen der Haarzellen im Innenohr und wiederholter Lärmeinwirkungen im Durchschnitt ab. Die Hörschwelle sowie zeitliche und räumliche Hörauflösung und Tonhöhenunterscheidung verschlechtern sich; dies beginnt bei den hohen Tönen.
- Muskelmasse, Muskelkraft und -flexibilität sowie Kraftausdauer nehmen ab. 65-Jährige verfügen im Durchschnitt über 75 bis 90 % ihrer maximalen Muskelkraft.
Ab ca. 45 Jahre: Verschlechterung der Sehfähigkeit setzt ein.
Und regelmäßig überlange Arbeitszeiten sowie zu wenige Pausen wirken sich negativ auf Leistungsfähigkeit, Gesundheit, z. B. körperliche Erschöpfung, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, und soziales Leben aus.
Erfahrung, Training und eine ergonomische Arbeitsgestaltung oder Hilfsmittel können viele altersbedingte Veränderungen ausgleichen. Bei feinmotorischen Tätigkeiten können z. B. ausreichend Zeit (kein Zeitdruck) sowie Erfahrung und Wissen Alterseffekte verringern. Hier setzt die alter(n)sgerechte Gefährdungsbeurteilung an. Sie ist die Basis für eine alters- und alternsgerechte Arbeitsgestaltung.
Alters- oder alternsgerecht?
Die altersgerechte Arbeit orientiert sich an den besonderen Fähigkeiten und Bedürfnissen der jeweiligen Altersgruppe, Maßnahmen sind v. a. kompensatorisch und lebensphasenorientiert. Die alternsgerechte Arbeitsorganisation berücksichtigt den Alterungsprozess der Mitarbeiter ganzheitlich, Maßnahmen sind v. a. präventiv und zukunftsorientiert.
2 Alter(n)sgerechte Gefährdungsbeurteilung
Der demografische Wandel macht es also notwendig, die Bedürfnisse der älteren Beschäftigten in den Fokus zu nehmen. Gestaltungsfelder im Unternehmen sind i. W.:
- Arbeitsaufgabe: Komplexität, Vi...