Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
2.2.1 Sicherheitshinweise/Betriebsanweisungen/Flucht- und Rettungspläne
Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung muss grundsätzlich der ASR A1.3 entsprechen. Wesentliches Kriterium bei dieser Entwicklung war und ist es gerade, dass die Informationen nicht an eine bestimmte (Schrift-)Sprache gekoppelt sind. Daher ist davon auszugehen, dass bei einer vernünftigen Unterweisungspraxis jeder Beschäftigte, unabhängig von der schriftsprachlichen Kompetenz, Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung richtig erkennen und deuten kann.
Sicherheitskennzeichnung nicht improvisieren
Selbstgeschriebene Hinweisschilder sollten bei sicherheitsrelevanten Risiken tabu sein. Wenn es wirklich wichtig ist, muss möglichst unmissverständliche, genormte Kennzeichnung eingesetzt werden.
Betriebsanweisungen für Gefahrstoffe, Maschinen, Anlagen und Tätigkeiten sind in hohem Maße schriftbasiert. Zwar sind die Textabschnitte i. d. R. nicht lang, aber z. T. wegen der zugrunde liegenden Standards z. B. in der Gefahrstoffkennzeichnung nicht so allgemeinverständlich, wie es vom ursprünglichen Sinn einer Betriebsanweisung her wünschenswert wäre. Viele Menschen mit schwachen schriftsprachlichen Fähigkeiten sind sicher außerstande, aushängende Betriebsanweisungen zu lesen. Entsprechend wichtig ist es, auf den Inhalt in den persönlichen Unterweisungen gründlich einzugehen. Auch Flucht- und Rettungspläne, die viele schriftliche Einträge haben, sollten unbedingt praktisch erläutert werden.
2.2.2 Unterweisungen
DGUV-R 100-001 präzisiert die allgemeine Forderung, dass Unterweisungen in aller Regel mündlich und persönlich zu erfolgen haben. Ein reines Selbststudium aus schriftlichen Unterlagen ist grundsätzlich nicht vorgesehen und elektronische Unterweisungen sollen nur als Hilfsmittel eingesetzt werden und nur dann, wenn sichergestellt ist, "dass … eine Verständnisprüfung stattfindet und ein Gespräch zwischen Versicherten und Unterweisenden jederzeit möglich ist." (Abschn. 2.3 DGUV-R 100-001).
Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass ein bloßes Aushändigen von Vorschriften und Regeln nicht ausreichend ist (Abschn. 2.3.2 DGUV-R 100-001). Vielmehr ist der Unternehmer verpflichtet, sich zu vergewissern, dass die Versicherten die Inhalte verstanden haben, z. B.
- durch das Stellen von Verständnisfragen,
- durch Vorführenlassen des Handlungsablaufs durch den Mitarbeiter,
- durch Beobachtung der Arbeitsweise des Mitarbeiters.
Durch diese Kriterien wird sichergestellt, dass Beschäftigte gerade nicht wegen mangelnder schriftsprachlicher Kompetenz in Unkenntnis über Risiken, Schutzmaßnahmen und sichere Verhaltensweise bei ihrer Arbeit bleiben.
Die Beschäftigten bestätigen mit ihrer Unterschrift, dass sie die Unterweisungsinhalte verstanden haben (Abschn. 2.3.1 DGUV-R 100-001). Im strukturierten Prozess betrieblicher Unterweisungen sind also auch die Beschäftigten grundsätzlich verpflichtet darauf hinzuweisen, wenn sie sicherheitsrelevante Fragestellungen u. U. wegen fehlenden Lesevermögens nicht hinreichend verstanden haben. In vielen Fällen dürfte die Realität allerdings eine andere sein, nämlich dass Menschen davor zurückschrecken, ihre Probleme erkennen zu lassen. Umso mehr ist dann wiederum der Unterweisende gefragt, den Prozess so zu gestalten, dass Inhalte tatsächlich beim Empfänger ankommen.
Textdokumente in der Unterweisung erläutern
In vielen Betrieben ist es üblich, gerade die Kenntnisnahme der häufig mehrere Seiten umfassenden Brandschutzordnung von neu eintretenden Beschäftigten oder auch jährlich von allen abzeichnen zu lassen. Ohne mindestens ein begleitendes Gespräch stellt das allerdings grundsätzlich keine gültige Form der Unterweisung dar.
2.2.3 Fortbildung
Auch wer nur unzureichend lesen und schreiben kann, sollte nicht von Fortbildungen, Qualifikations- und Trainingsmaßnahmen ausgeschlossen sein. Wenn Engagement, soziale Kompetenz und die Stellung in der Belegschaft dafür sprechen, kommt z. B. die Funktion als Sicherheitsbeauftragter auch für lese- und schreibschwache Menschen infrage, ebenso können Trainings im Umgang mit Persönlicher Schutzausrüstung oder die Gabelstaplerfahrerausbildung ein Thema sein. Wenn das schriftsprachliche Problem bekannt ist, ist es sinnvoll, nach Absprache mit den Betroffenen im Vorfeld einer Schulung darauf hinzuweisen und zu klären, ob und wie schriftliche Informationen oder Tests eine Rolle spielen und wie damit umgegangen werden kann.
2.2.4 Allgemeine Kommunikation
Für ein gutes Betriebsklima und um sicherzustellen, dass funktionale Analphabeten nicht immer weiter in ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung zurückbleiben, sollte berücksichtigt werden, dass wesentliche Informationen tatsächlich alle Mitarbeiter erreichen. Es muss also dafür gesorgt werden, dass Aushänge am schwarzen Brett, Intranet-Einträge oder Rundmails auch Beschäftigten zugänglich gemacht werden, die sich das nicht von alleine erschließen können. Über die jeweiligen Vorgesetzten oder Kollegen ist dieser Informationsfluss i. d. R. problemlos zu bewerkstelligen, wenn das entsprechende Bewusstsein da ist.
Kann die/der denn nicht lesen?!
Nein, kann sie...