Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Als nachgeordnete Rechtsvorschrift zur Biostoffverordnung existiert die TRBA 220 "Sicherheit und Gesundheit bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in abwassertechnischen Anlagen".
4.4.1 Infektionsrisiken
Gemäß BioStoffV sind biologische Arbeitsstoffe im weitesten Sinne Mikroorganismen, die Infektionen, sensibilisierende oder toxische Wirkungen hervorrufen können. Abwasser und Klärschlamm als hoch aktive, organische Materialien, in denen grundsätzlich alle Arten von Mikroorganismen in Massen vorliegen können, sind damit als biologische Arbeitsstoffe anzusehen. Daher ist für Tätigkeiten in abwassertechnischen Anlagen eine Berücksichtigung der BioStoffV erforderlich.
Danach liegt in abwassertechnischen Anlagen jeder Art stets ein "ungezielter Umgang" mit biologischen Arbeitsstoffen gemäß BioStoffV vor (einschließlich der üblichen Laborarbeiten, die vor Ort durchgeführt werden). Es geht also nie um den gezielten Umgang mit möglicherweise problematischen Mikroorganismen – es ist lediglich davon auszugehen, dass Beschäftigte mit solchen Keimen mehr oder weniger zufällig in Kontakt kommen können. Die TRBA 220 führt in den Anhängen 1 und 2 eine umfangreiche Liste solcher Krankheitserreger (Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten) samt Krankheitssymptomen, Übertragungswegen und der Einstufung in Risikogruppen nach BioStoffV auf.
Risikogruppe 2 nach BioStoffV in abwassertechnischen Anlagen
Grundsätzlich ist in abwassertechnischen Anlagen von Erregern auszugehen, die der Risikogruppe 2 nach BioStoffV zuzurechnen sind.
Die Erreger können grundsätzlich aufgenommen werden:
- oral (durch Verschlucken von Spritzern oder Schmierinfektionen, z. B. beim Essen, Trinken oder Rauchen ohne vorheriges Händewaschen),
- inhalativ (durch Einatmen von Nebel oder Stäuben),
- dermal (über Haut oder Schleimhäute, z. B. bei aufgeweichter oder durch Ekzeme oder kleine Verletzungen geschädigter Haut oder durch Spritzer in die Augen),
- durch das Eindringen in tiefere Gewebeschichten bei Verletzungen.
Infektionserreger in abwassertechnischen Anlagen
Durch den Kontakt mit Abwasser und Klärschlamm sowie durch Ausscheidungen von Wildtieren, wie Ratten, Tauben und Möwen, können in abwassertechnischen Anlagen z. B. folgende Krankheiten übertragen werden:
- Durchfallerkrankungen durch Kolikeime,
- Leberentzündungen durch Hepatitis-A-Viren,
- Leptospirose durch Kontakt zum Urin erkrankter Tiere oder durch Einspülung in Abwasser,
- Hantafieber durch Kontakt zu Ausscheidungen von Nagern.
Obwohl die Krankheitserreger im Abwasser und die Übertragungswege bei Arbeiten in abwassertechnischen Anlagen gegeben sind, sind die Gesundheitsrisiken im Normalfall eher gering. Das liegt zum einen daran, dass
- viele Erreger im Abwasser keine guten Erhaltungsbedingungen vorfinden und überdies stark verdünnt auftreten und
- die aufgeführten Hygienemaßnahmen gut geeignet sind, um eine Infektion zu unterbinden.
Der Anhang 1 TRBA 220 enthält dazu Details.
4.4.2 Gefährdungsbeurteilung und Schutzmaßnahmen
Die Gefährdungsbeurteilung für abwassertechnische Anlagen muss speziell den Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen umfassen. Z. B. müssen berücksichtigt sein:
- sämtliche Tätigkeiten (also auch Wartungs-, Reinigungs- und Überwachungstätigkeiten),
- tätigkeitsabhängig zu erwartende Erreger, Ausmaß und Dauer der Exposition,
- aufgetretene Erkrankungen im betreffenden oder in vergleichbaren Bereichen,
- zu erwartende Unfälle.
In Abschn. 5 TRBA 220 werden Maßnahmen aufgeführt, die geeignet sind, die entsprechenden Risiken zu minimieren. Werden sie, soweit sie relevant sind, umgesetzt, kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass er die Anforderungen der Schutzstufe 2 (entsprechend der Erregereinstufung in Risikogruppe 2) nach BioStoffV einhält.
Baulich-technische Maßnahmen
Baulich-technische Maßnahmen
Beispiele (die allerdings in bestehenden Anlagen nicht in vollem Umfang umsetzbar sind):
- Verminderte Aerosolbildung, z. B. durch geringere Turbulenzen beim Abwassertransport, verminderte Fallhöhen an Kaskaden, Einhausung von Belüftern, Windschutzelemente oder -hecken an Belebungsbecken,
- Tropf- und Spritzwasser vermeiden, z. B. durch Abdeckungen an Rechenanlagen oder optimierte Düsen an Saugwagen,
- Vermeidung von Abwasserkontakt durch automatische oder fernbediente Anlagen.
Abb. 5: Schneckenpumpwerk im Rohabwasserbereich mit Abdeckung gegen Geruchs- und Aerosolausbreitung
Organisatorische Maßnahmen
Organisatorische Maßnahmen
Beispiele:
- Betriebsanweisungen und Unterweisungen, insbesondere zu "infektionsreduziertem" Arbeiten (wenig Spritzer, wenig Aerosol, wenig Abwasserkontakt),
- regelmäßige, vorschriftsmäßige Reinigung von Geräten, Fahrzeugen usw.,
- fachkundige Ratten- und Mäusebekämpfung.
Hygienische Maßnahmen
Bei hygienischen Maßnahmen muss über die ohnehin erforderlichen Vorgaben für abwassertechnische Anlagen (vgl. Abschn. 3.9) Folgendes berücksichtigt werden:
- Aufstellung und Fortschreibung eines Reinigungs-, Hygiene- und Hautschutzplans, Bereitstellung der entsprechenden Produkte, Einmalhandtücher,
- Händereinigung und ggf. -desinfekti...