Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
1.1 Rechtliche Rahmenbedingungen
Natürlich sollten alle am Arbeitsunfähigkeitsverfahren Beteiligten, also Patient, behandelnder Arzt und Betrieb, ein natürliches Interesse daran haben, dass die Gesundheit des Betroffenen möglichst bald und möglichst vollständig wieder hergestellt wird. Dazu ist in vielen Fällen Ruhe und Schonung und damit auch das Fernbleiben vom Arbeitsplatz angebracht. Würde das nicht beachtet und käme es durch einen dem Gesundheitszustand nicht angemessenen Arbeitseinsatz nachweislich zu einer Verschlechterung des Zustands, könnte die Krankenkasse grundsätzlich wegen fehlender Mitwirkung am Heilbehandlungsverfahren (§ 66 SGB I) Leistungen aussetzen und auch bezogen auf den Arbeitgeber könnte ein Haftungsanspruch abgeleitet werden, wenn es zu einem erhöhten Behandlungsaufwand käme. Beides ist allerdings kaum praxisrelevant.
Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung hängt entgegen landläufiger Auffassung nicht an der Frage, ob eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde oder nicht. Vielmehr ist ein Arbeitnehmer grundsätzlich gesetzlich unfallversichert, wenn er berechtigt davon ausgehen kann, im Interesse seines Arbeitgebers zu handeln, und wenn der Arbeitgeber die Tätigkeit nicht ausdrücklich untersagt hat. Genau das muss der Arbeitgeber allerdings tun, wenn mit dem Einsatz eines "krankgeschriebenen" Mitarbeiters ein erhöhtes Risiko für ihn selbst oder Dritte verbunden wäre. Praktisch ergibt sich daraus, dass für den Erhalt des Versicherungsschutzes im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden muss, für welche Tätigkeiten ein eingeschränkt arbeitsfähiger Mitarbeiter infrage kommt und für welche nicht.
1.2 Persönliche Bereitschaft des Betroffenen
Grundsätzlich wird es zur Beschäftigung eines Mitarbeiters während einer AU-Phase nur kommen, wenn das ausdrücklich in seinem Interesse liegt und er die Bereitschaft dazu signalisiert. Das ergibt sich schon dadurch, dass ein Beschäftigter ja nur freiwillig nähere Angaben zu den Umständen, zu bestehenden Einschränkungen bzw. Beschäftigungsmöglichkeiten macht. Das aber macht es dem Betrieb erst möglich zu entscheiden, ob es mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zu vereinbaren ist, dass bestimmte Arbeitstätigkeiten weiter ausgeübt werden.
Es handelt sich um Fälle, wo die Betroffenen durch die Folgen einer Krankheit oder Verletzung zwar nicht das volle sonst ausgeübte Arbeitspensum bewältigen können (und deswegen eben eine AU-Bescheinigung erhalten). Sie fühlen sich aber nicht allgemein bzw. nur in einem Bereich beeinträchtigt, der auf einzelne Arbeitstätigkeiten keinen Einfluss hat, und haben darüber hinaus den Wunsch, weiter tätig zu sein, sei es aus Loyalität dem Betrieb gegenüber oder weil ihnen in längeren AU-Phasen "zu Hause die Decke auf den Kopf fällt". In diesen Fällen kann die Arbeit das Wohlbefinden steigern und sogar die Genesung beschleunigen.
Typische Beispiele sind Bewegungseinschränkungen (z. B. Verletzungen der Gliedmaßen), die bei Büro- und ähnlichen Tätigkeiten unproblematisch sind, aber auch Chemotherapien. Diese werden einerseits grundsätzlich als so belastend angesehen, dass Patienten i. d. R. für die gesamte Zeit arbeitsunfähig eingestuft werden, um sich voll auf ihre gesundheitlichen Belange konzentrieren zu können. Andererseits gibt es dabei manchmal aber auch Phasen des Wohlbefindens, in denen eine Beschäftigung am gewohnten Arbeitsplatz unkritisch ist und die Lebensqualität des Betroffenen erhöht.
Arbeiten von zu Hause
Für viele Arbeitnehmer ist es in Zeiten vielfältiger Kommunikationsmöglichkeiten problemlos möglich, während einer AU-Phase einige Arbeiten von zu Hause aus zu erledigen. Wenn ein Beschäftigter in seiner Mobilität z. B. durch ein eingegipstes Bein eingeschränkt, aber ansonsten nicht beeinträchtigt ist, ist das eine Option, im Rahmen der Möglichkeiten und wenn keine besondere Gefährdung damit verbunden ist am Arbeitsprozess im Betrieb teilzunehmen. Wer allerdings wegen eines Infektes das Bett hüten sollte oder wegen einer psychischen Erkrankung durch Arbeitskontakte zusätzlich belastet wird, der ist auch zu Hause grundsätzlich "arbeitsunfähig". Der Betrieb muss das respektieren und sollte von Anrufen und Mailkontakten absehen und darauf hinwirken, dass der Arbeitnehmer seine Auszeit tatsächlich als solche wahrnimmt.
Abgrenzung zu Wiedereingliederungsmaßnahmen
Die hier beschriebene Beschäftigung von eingeschränkt arbeitsfähigen Mitarbeitern ist nicht identisch mit Wiedereingliederungsmaßnahmen bzw. Arbeitserprobungen nach § 44 SGB IX für langzeiterkrankte bzw. behinderte Beschäftigte. In diesen Fällen legt der behandelnde Arzt im Idealfall in Abstimmung mit den zuständigen Stellen des Betriebs fest, ab wann und im welchem Umfang ein Beschäftigter wieder im Betrieb eingesetzt wird.
Missverständnisse vermeiden
Die Beschäftigung von eingeschränkt arbeitsfähigen Mitarbeitern wird immer eine Ausnahme in bestimmten Fällen sein, in denen das den Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber entspricht und problemlos möglich ist. Eine solche Einzelfallregelung ...