Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Zusammenfassung
Wer von einem Arzt eine Bescheinigung über eine bestehende Arbeitsunfähigkeit erhalten hat, muss nicht in jedem Fall dem Arbeitsplatz ganz fernbleiben. Wenn die krankheitsbedingten Einschränkungen nur bestimmte Tätigkeiten betreffen und andere anfallende Arbeiten problemlos erledigt werden können, ist das grundsätzlich möglich. Das ist oft nicht nur für den Arbeitgeber interessant, der auf die Arbeitskraft dann nicht völlig verzichten muss, sondern auch für Beschäftige, die, gerade wenn sie langzeitig erkrankt oder verletzt sind, den Bezug zu ihrem Arbeitsplatz nicht verlieren. Um Haftungs- und Versicherungsrisiken zu vermeiden, müssen für die Weiterbeschäftigung "krankgeschriebener" Mitarbeiter allerdings bestimmte Regeln eingehalten werden.
Wenn die zuletzt ausgeübte Tätigkeit wegen Krankheit oder Verletzung nicht im üblichen Maß verrichtet werden kann, bescheinigt ein behandelnder Arzt dem erwerbstätigen Patienten die Arbeitsunfähigkeit. Er entscheidet darüber nach den sog. Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen und aufgrund seiner allgemeinen Einschätzung und Erfahrung sowie der Angaben des Patienten über die Belastungen an seinem Arbeitsplatz.
Der betroffene Beschäftigte hat dann i. d. R. 6 Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach Entgeltfortzahlungsgesetz (im Einzelfall ggf. auch mehr nach weitergehenden Tarifregelungen). Im Anschluss daran erhält er Krankengeld durch seine Krankenversicherung (§ 44 SGB V). Ein arbeitsunfähiger Beschäftigter ist grundsätzlich verpflichtet, seine Genesung zu fördern und ihr nicht entgegenzuwirken, z. B. sich einem Heilbehandlungsverfahren zu unterziehen und den damit verbundenen ärztlichen Anweisungen zu folgen.
Eine teilweise Weiterbeschäftigung in einer AU-Phase ist möglich, wenn sie der Genesung nicht hinderlich ist und keine besonderen Gefährdungen damit verbunden sind. Dann besteht auch der Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung weiter.
1 In welchen Fällen kommt ein Einsatz eines eingeschränkt arbeitsfähigen Mitarbeiters infrage?
1.1 Rechtliche Rahmenbedingungen
Natürlich sollten alle am Arbeitsunfähigkeitsverfahren Beteiligten, also Patient, behandelnder Arzt und Betrieb, ein natürliches Interesse daran haben, dass die Gesundheit des Betroffenen möglichst bald und möglichst vollständig wieder hergestellt wird. Dazu ist in vielen Fällen Ruhe und Schonung und damit auch das Fernbleiben vom Arbeitsplatz angebracht. Würde das nicht beachtet und käme es durch einen dem Gesundheitszustand nicht angemessenen Arbeitseinsatz nachweislich zu einer Verschlechterung des Zustands, könnte die Krankenkasse grundsätzlich wegen fehlender Mitwirkung am Heilbehandlungsverfahren (§ 66 SGB I) Leistungen aussetzen und auch bezogen auf den Arbeitgeber könnte ein Haftungsanspruch abgeleitet werden, wenn es zu einem erhöhten Behandlungsaufwand käme. Beides ist allerdings kaum praxisrelevant.
Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung hängt entgegen landläufiger Auffassung nicht an der Frage, ob eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wurde oder nicht. Vielmehr ist ein Arbeitnehmer grundsätzlich gesetzlich unfallversichert, wenn er berechtigt davon ausgehen kann, im Interesse seines Arbeitgebers zu handeln, und wenn der Arbeitgeber die Tätigkeit nicht ausdrücklich untersagt hat. Genau das muss der Arbeitgeber allerdings tun, wenn mit dem Einsatz eines "krankgeschriebenen" Mitarbeiters ein erhöhtes Risiko für ihn selbst oder Dritte verbunden wäre. Praktisch ergibt sich daraus, dass für den Erhalt des Versicherungsschutzes im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden muss, für welche Tätigkeiten ein eingeschränkt arbeitsfähiger Mitarbeiter infrage kommt und für welche nicht.
1.2 Persönliche Bereitschaft des Betroffenen
Grundsätzlich wird es zur Beschäftigung eines Mitarbeiters während einer AU-Phase nur kommen, wenn das ausdrücklich in seinem Interesse liegt und er die Bereitschaft dazu signalisiert. Das ergibt sich schon dadurch, dass ein Beschäftigter ja nur freiwillig nähere Angaben zu den Umständen, zu bestehenden Einschränkungen bzw. Beschäftigungsmöglichkeiten macht. Das aber macht es dem Betrieb erst möglich zu entscheiden, ob es mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zu vereinbaren ist, dass bestimmte Arbeitstätigkeiten weiter ausgeübt werden.
Es handelt sich um Fälle, wo die Betroffenen durch die Folgen einer Krankheit oder Verletzung zwar nicht das volle sonst ausgeübte Arbeitspensum bewältigen können (und deswegen eben eine AU-Bescheinigung erhalten). Sie fühlen sich aber nicht allgemein bzw. nur in einem Bereich beeinträchtigt, der auf einzelne Arbeitstätigkeiten keinen Einfluss hat, und haben darüber hinaus den Wunsch, weiter tätig zu sein, sei es aus Loyalität dem Betrieb gegenüber oder weil ihnen in längeren AU-Phasen "zu Hause die Decke auf den Kopf fällt". In diesen Fällen kann die Arbeit das Wohlbefinden steigern und sogar die Genesung beschleunigen.
Typische Beispiele sind Bewegungseinschränkungen (z. B. Verletzungen der Gliedmaßen), die bei Büro- und ähnlichen Tätigkeiten unproblematisch sind, aber auch Chemotherapien. Diese werden ...