2.1 Behinderung und Schwerbehinderung
Was unter einer Behinderung zu verstehen ist, hat das BGG formuliert:
Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. Als langfristig gilt ein Zeitraum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate andauert.
In Deutschland leben nach dem zuletzt 2021 erhobenen Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes zu den Lebenslagen der behinderten Menschen 10,3 Mio. amtlich anerkannte behinderte Menschen. 7,5 Mio. von ihnen sind schwerbehindert. Damit sind ca. 12 % der Bevölkerung behindert und ca. 9 % schwerbehindert. Die altersmäßige Verteilung der Menschen mit Behinderungen zeigt Abb. 1.
Abb. 1: Menschen mit Behinderungen in Deutschland nach dem Alter
Die meisten Behinderungen entstehen im Laufe des Lebens. Die Hälfte der Menschen mit Behinderungen ist 65 Jahre und älter, während der Anteil der unter 25-Jährigen 3,5 % beträgt.
Für 89 % der Schwerbehinderungen sind Krankheiten ursächlich. Lediglich 3 % der Schwerbehinderungen sind angeboren, auf Unfälle und Berufskrankheiten sind ca. 1,5 % der Fallzahlen zurückzuführen.
Das bedeutet auch, dass Menschen im Laufe ihres Berufslebens eine Behinderung erwerben und mit ihr an den Arbeitsplatz zurückkehren. In diesen Fällen müssen sich die Arbeitgeber darum kümmern, wie die bereits zum Betrieb gehörigen Beschäftigten ihre Tätigkeit unter möglicherweise gänzlich neuen Umständen wieder aufnehmen können.
2,98 Mio. Menschen mit Behinderungen, darunter 1,11 Mio. Beschäftigte mit Schwerbehinderungen, sind erwerbstätig, davon
- 872.000 im öffentlichen und privaten Dienstleistungsbereich (ohne öff. Verwaltung), davon 715.000 im Erziehungs- oder Gesundheitswesen,
- 508.000 im Wirtschaftsbereich Bergbau und Verarbeitendes Gewerbe,
- 373.000 in Handel, Gastgewerbe und Kfz-Reparatur,
- 326.000 in der Öffentlichen Verwaltung.
Von ihnen sind 70 % Angestellte, 18 % Arbeiter, 6 % Selbstständige, 5 % Beamte.
Die Zahlen verdeutlichen, dass Menschen mit Behinderungen keine kleine Randgruppe in der Arbeitswelt darstellen, sondern eine bemerkenswerte Größe ausmachen. Beachtenswert ist gleichermaßen, dass die Bedingungen in den Arbeitsstätten bereits jetzt geeignet zu sein scheinen, Menschen in dieser Größenordnung eine Tätigkeit zu ermöglichen. Zurückzuführen sein dürfte dies in nicht geringem Umfang auf die Unterstützungsleistungen der Bundesagentur für Arbeit und der Integrationsämter nach SGB IX, ebenso nach gleichem Gesetz auf die Verpflichtung der Betriebe mit mind. 20 Beschäftigten, 5 % ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu besetzen.
Eine landläufige Vermutung besagt, Menschen mit Behinderungen würden vornehmlich in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) tätig. Gemäß den Statistiken der Integrationsämter arbeiten ca. 316.000 schwerbehinderte Menschen in Werkstätten.
2.2 Arten der Behinderungen
Die Art der Behinderung ist nicht zwangsläufig identisch mit der ursächlichen Krankheitsdiagnose, sondern stellt vielmehr die Erscheinungsform der Behinderung und die damit einhergehende Funktionseinschränkung dar. Entscheidend in diesem Zusammenhang sind die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft allgemein, nicht nur am Erwerbsleben. Die Auswirkungen werden als Grad der Behinderung (GdB) nach Zehnergraden (20 bis 100) abgestuft festgestellt.
Die häufigsten Behinderungsarten schwerbehinderter Menschen sind in Abb. 2 dargestellt.
Abb. 2: Beeinträchtigungen schwerbehinderter Menschen
Beispiele für die in Abb. 2 teilweise in Gruppenbezeichnungen zusammengefassten Gesundheitsstörungen sind Autismus, Diabetes, Epilepsie, Gliedmaßenverlust, Herzinfarkt, Hirnschädigung, Hörbehinderung, Gehörlosigkeit, Kleinwuchs, Multiple Sklerose, Rheuma, Sprach-, Sprech- und Stimmstörungen, Spastische Lähmung, Sehbehinderung, Blindheit, Schlaganfall, Sucht, Querschnittslähmung, Wirbelsäulenschaden. Die Liste ließe sich entsprechend der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), welche die Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen beinhaltet, zahlreich ergänzen.
Psychische Belastungen
Nicht jede Behinderung ist für Außenstehende ohne Weiteres erkennbar. Das liegt u. a. an dem hohen Anteil der Behinderungen, bei denen die inneren Organe bzw. Organsysteme betroffen sind. Auch kognitive Einschränkungen sind oftmals nicht von außen erkennbar.
Das gilt auch für Behinderungen psychischer Natur, die wegen der angestiegenen psychischen Belastungen in der Arbeitswelt erhöhte Aufmerksamkeit erfordern. Hier muss der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht tätig werden. Bei ...