1.1 Ist eine Kontrolle der Umsetzung des Arbeitsschutzes hilfreich?
Aus gesetzlichen Gründen ist eine Überwachung/Kontrolle der betrieblichen Umsetzung der Arbeitsschutzvorgaben notwendig – ist sie auch hilfreich? Die Arbeitgeber haben die Aufgabe und die Pflicht, sichere, die Gesundheit der Beschäftigten nicht gefährdende sowie menschengerecht gestaltete Arbeitsbedingungen zu schaffen und diese auch weiter zu verbessern. Viele Arbeitgeber kommen dieser Verpflichtung nach – einige aus eigener Überzeugung, weil sie den Nutzen erkannt haben, andere, weil sie dahingehend beraten werden und ein Teil "nur", wenn sie dazu "gezwungen" werden. Ein Blick in die betriebliche Praxis lässt erkennen, dass eine externe Überprüfung der betrieblichen Arbeitsschutzpraxis in einigen Unternehmen dringend erforderlich ist und in vielen anderen Unternehmen – bei einer konstruktiven und nachdrücklichen Durchführung – einen wichtigen Anstoß zur Steigerung der betrieblichen Relevanz und zur Verbesserung einzelner Präventionsmaßnahmen sowie v. a. der Arbeitsschutzorganisation geben könnte.
Praxis zeigt: Externe Überwachung ist vielfach hilfreich!
Eine konstruktive externe Überwachung ist bei vielen Unternehmen für die betriebliche Relevanz des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie die Wirksamkeit der Umsetzung hilfreich.
Extern muss nicht unbedingt "Überwachung" durch staatliche Arbeitsschutzbehörden oder Unfallversicherungsträger bedeuten, sehr wirksam sind auch Audits von Kunden oder beauftragten Auditoren (z. B. bei Begutachtungen für Gütezeichen oder Zertifikate).
Ungeachtet der Sinnhaftigkeit einer (gelegentlichen) externen und v. a. konstruktiven Überwachung sollten die Argumente für einen wirkungsvollen Arbeitsschutz primär vom Nutzen ausgehen. So sind auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht alle unnötigen Kosten zu vermeiden – auch die durch Unfälle, verringerte Arbeitsfähigkeit und Arbeitsmotivation etc. verursachten. Durch die Herausforderungen des demografischen Wandels (Fachkräftesicherung durch attraktive Arbeitsbedingungen, Gesunderhaltung der Beschäftigten etc.) gewinnt ein zeitgemäßer Arbeitsschutz darüber hinaus zunehmend an Bedeutung – auch unternehmensstrategisch.
1.2 Externe Überwachung durch die staatlichen Arbeitsschutzbehörden und die Unfallversicherungsträger
Der Staat hat nicht nur Pflichten der Arbeitgeber im Arbeitsschutzgesetz geregelt und in den §§ 15-17 ArbSchG auch den Beschäftigten Unterstützungspflichten auferlegt, sondern auch die Bundesländer und die Unfallversicherungsträger mit der Überwachung der betrieblichen Umsetzung beauftragt. Eine der Aufgaben der Arbeitsschutzbehörden der Bundesländer und der Unfallversicherungsträger ist es deshalb stichprobenartig zu prüfen, ob die Unternehmen die Pflichten und Aufgaben im Arbeitsschutz auch wirksam wahrnehmen und sie diesbezüglich auch zu "beraten".
Alle Unternehmen regelmäßig vor Ort zu überwachen, wäre nicht sinnvoll und nur bei einem starken Ausbau der Personalkapazitäten der für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden und/oder der Unfallversicherungsträger möglich. Dies ist weder gesellschaftlich noch politisch mehrheitsfähig. Deshalb wird bereits seit Jahren nach effizienteren Formen der Überwachung gesucht. Dabei wurden auch Managementsysteme betrachtet.
Parallelen zwischen dem Funktionieren des deutschen Arbeitsschutzsystems und einem Managementsystem
- Beide gehen von der Notwendigkeit einer geeigneten Organisation oder besser einem System für die Umsetzung der Vorgaben und Ziele aus;
- beide sehen die Überprüfung der Umsetzung und deren Wirksamkeit in Form einer Revision oder eines Audits vor;
- beide sehen bei erkannten Defiziten oder Verbesserungsmöglichkeiten ein Nachsteuern im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserns vor;
- beide legen einen Schwerpunkt auf die befähigenden Strukturen (beschriebene Ziele und Grundsätze, organisatorische Regelungen, definierte (vereinbarte) Verhaltensweisen etc.).
Das Arbeitsschutzgesetz und das Arbeitssicherheitsgesetz verpflichten die Arbeitgeber nicht nur dazu, die erforderlichen Maßnahmen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu ergreifen, sondern auch, für eine geeignete Organisation zur Planung und Durchführung der erforderlichen Maßnahmen zu sorgen (also eine geeignete Arbeitsschutzorganisation anzuwenden), diese Aktivitäten in die Führungsstrukturen einzubinden und dafür zu sorgen, dass die festgelegten Präventionsmaßnahmen bei allen Tätigkeiten beachtet werden.
Unfälle und Defizite passieren nicht – sie werden verursacht!
Jeder Unfall und jedes Defizit im Arbeitsschutz weist auf technische, organisatorische und/oder verhaltensbedingte Mängel hin, die nicht rechtzeitig erkannt oder unzureichend behoben wurden. Dies wirft genauso Fragen auf wie die bei einer Überprüfung durch Externe erkannten Defizite :
- Warum hat der Betrieb den Mangel/die Mängel nicht selbst erkannt?
- Funktioniert die Mängelbeseitigung und die eigene Überwachung der Wirksamkeit?
Beide Fragen tragen i. d. R. zu einer Reflexion der betrieblichen Arbeitsschutzorganisation und -praxis bei und sind deshalb Bestandteil einer zeitgemäßen Aufsichtstätigkeit der staat...