Der Staat hat nicht nur Pflichten der Arbeitgeber im Arbeitsschutzgesetz geregelt und in den §§ 15-17 ArbSchG auch den Beschäftigten Unterstützungspflichten auferlegt, sondern auch die Bundesländer und die Unfallversicherungsträger mit der Überwachung der betrieblichen Umsetzung beauftragt. Eine der Aufgaben der Arbeitsschutzbehörden der Bundesländer und der Unfallversicherungsträger ist es deshalb stichprobenartig zu prüfen, ob die Unternehmen die Pflichten und Aufgaben im Arbeitsschutz auch wirksam wahrnehmen und sie diesbezüglich auch zu "beraten".
Alle Unternehmen regelmäßig vor Ort zu überwachen, wäre nicht sinnvoll und nur bei einem starken Ausbau der Personalkapazitäten der für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden und/oder der Unfallversicherungsträger möglich. Dies ist weder gesellschaftlich noch politisch mehrheitsfähig. Deshalb wird bereits seit Jahren nach effizienteren Formen der Überwachung gesucht. Dabei wurden auch Managementsysteme betrachtet.
Parallelen zwischen dem Funktionieren des deutschen Arbeitsschutzsystems und einem Managementsystem
- Beide gehen von der Notwendigkeit einer geeigneten Organisation oder besser einem System für die Umsetzung der Vorgaben und Ziele aus;
- beide sehen die Überprüfung der Umsetzung und deren Wirksamkeit in Form einer Revision oder eines Audits vor;
- beide sehen bei erkannten Defiziten oder Verbesserungsmöglichkeiten ein Nachsteuern im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserns vor;
- beide legen einen Schwerpunkt auf die befähigenden Strukturen (beschriebene Ziele und Grundsätze, organisatorische Regelungen, definierte (vereinbarte) Verhaltensweisen etc.).
Das Arbeitsschutzgesetz und das Arbeitssicherheitsgesetz verpflichten die Arbeitgeber nicht nur dazu, die erforderlichen Maßnahmen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu ergreifen, sondern auch, für eine geeignete Organisation zur Planung und Durchführung der erforderlichen Maßnahmen zu sorgen (also eine geeignete Arbeitsschutzorganisation anzuwenden), diese Aktivitäten in die Führungsstrukturen einzubinden und dafür zu sorgen, dass die festgelegten Präventionsmaßnahmen bei allen Tätigkeiten beachtet werden.
Unfälle und Defizite passieren nicht – sie werden verursacht!
Jeder Unfall und jedes Defizit im Arbeitsschutz weist auf technische, organisatorische und/oder verhaltensbedingte Mängel hin, die nicht rechtzeitig erkannt oder unzureichend behoben wurden. Dies wirft genauso Fragen auf wie die bei einer Überprüfung durch Externe erkannten Defizite :
- Warum hat der Betrieb den Mangel/die Mängel nicht selbst erkannt?
- Funktioniert die Mängelbeseitigung und die eigene Überwachung der Wirksamkeit?
Beide Fragen tragen i. d. R. zu einer Reflexion der betrieblichen Arbeitsschutzorganisation und -praxis bei und sind deshalb Bestandteil einer zeitgemäßen Aufsichtstätigkeit der staatlichen Arbeitsschutzbehörden und der Unfallversicherungsträger.
Berücksichtigt man darüber hinaus, dass die Mehrheit der Unfälle und arbeitsbedingten Erkrankungen direkt oder indirekt durch Defizite in der betrieblichen Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie dem "Leben" dieser organisatorischen Festlegungen verursacht werden, sollte eine zeitgemäße Überprüfung der betrieblichen Umsetzung des Arbeitsschutzes durch die staatlichen Arbeitsschutzbehörden und die Unfallversicherungsträger von einem zeitgemäßen Systemverständnis ausgehen. Die weitgehend isolierte Betrachtung einzelner Situationen, wie z. B. sicherheitswidriger Zustände, Unfälle, Beschwerden etc., ist nicht mehr sinnvoll und vor dem Hintergrund der knappen Ressourcen der für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden und der Unfallversicherungsträger auch nicht mehr vertretbar.
Ein weiteres Argument für die Systemkontrolle ist: Eine systembasierte Kontrolle von ausgewählten (wesentlicher) Regelungen der betrieblichen Arbeitsschutzorganisation und von deren Umsetzung reicht für eine Bewertung sowie – bei erkannten Defiziten – für das Anstoßen/Einfordern einer funktionierenden Arbeitsschutzorganisation bzw. eines Arbeitsschutzes mit System i. d. R. aus.
Eine zeitgemäße Überwachung durch die staatlichen Arbeitsschutzbehörden und die Unfallversicherungsträger ist überfällig!
Sie sollte
- konstruktiv wirken,
- primär das "System" betrachten, mit dem ein Unternehmen die für das Unternehmen relevanten Vorgaben ermittelt, die Umsetzung organisiert (managt) und die Wirksamkeit sicherstellt,
- effizient (stichprobenartig, digital unterstützt) durchgeführt werden,
- regelmäßig, abhängig von den Gefährdungen und Belastungen, erfolgen.