Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
2.1 Gesundheitliche Gründe
Verschiedene Ursachen können dazu führen, dass die Leistungsfähigkeit eines Erwerbsfähigen sich verändert. Neben den Folgen von Unfällen stehen v. a. Krankheiten und altersbedingte Veränderungen im Mittelpunkt des Interesses, besonders wenn es um die Frage geht, ob und inwieweit Leistungswandlung bei Erwerbstätigen in einer sich verändernden Arbeitswelt zunimmt.
Krankheit
Allem Anschein nach sind die krankheitsbedingten Ursachen einer Leistungswandlung eng verknüpft mit dem allgemeinen Krankheitsgeschehen. In der Vergangenheit waren es v. a. Erkrankungen des Bewegungsapparates, die dazu führten, dass Beschäftigte ihren Arbeitsaufgaben nicht mehr in vollem Umfang nachkommen konnten, gefolgt von Herz-Kreislauferkrankungen. Wo körperliche Arbeit im Vordergrund stand, wirkten sich Probleme in diesen Bereichen besonders deutlich auf die Leistungsfähigkeit aus.
In dem Maße, wie in letzten Jahren psychische Erkrankungen häufiger auftreten bzw. häufiger diagnostiziert und behandelt werden, zeigt sich, dass sie auch als Ursache für Leistungswandlung bei Erwerbstätigen auf dem Vormarsch sind. Die Zusammenhänge zwischen dem Auftreten von psychischen Gesundheitsstörungen und Leistungsansprüchen am Arbeitsplatz sind sicher vielfältig und wechselseitig.
Alter
Vor dem Hintergrund einer längeren Lebensarbeitsdauer wird damit gerechnet, dass alleine durch die alterungsbedingten Leistungswandlungen ein erhöhter Anpassungsbedarf entsteht. Unstrittig dürfte dabei sein, dass es aus betriebs- und volkswirtschaftlichen Gründen erforderlich ist, dass es nicht nur zu einer nominellen, sondern auch zu einer tatsächlichen Ausweitung der Lebensarbeitsdauer kommt, um hohen Belastungen des Rentensystems durch Frühverrentung sowie dem Fachkräftemangel vorzubeugen. Weniger eindeutig und kontrovers diskutiert ist, wie hoch der Anpassungsbedarf tatsächlich sein wird. Während Skeptiker vermuten, dass ältere Arbeitnehmer einem allgemein hohen Arbeitsdruck und den Anforderungen einer schnell sich wandelnden Arbeitswelt vermehrt nicht gewachsen sein könnten, wird andererseits vermutet, dass zukünftige Arbeitswelten vielfältigere Chancen für Arbeitstätigkeiten und Arbeitsgestaltung bieten, die älteren Arbeitnehmern gerecht werden, z. B. durch weniger Bezug zu körperlicher Leistungsfähigkeit, räumliche und zeitliche Flexibilität und intelligent unterstützendeTechnologien.
Arbeitsplatzanpassung erforderlich
Durchschnittlich kann man davon ausgehen, dass bis zu 10 % der Beschäftigten eines Betriebes "leistungsgewandelt" sind, also nicht mehr in einer zuvor vorgesehenen Art und Weise eingesetzt werden können. In Großbetrieben können dabei dreistellige Fallzahlen auftreten.
2.2 Spezifische Leistungsansprüche?
Wenn Leistungsfähigkeit von Beschäftigten und Leistungsanforderungen am Arbeitsplatz auseinanderlaufen, kann das grundsätzlich auch an der besonderen Beschaffenheit der Leistungsanforderungen liegen.
Zahlreichen Umfragen und Studien zufolge nehmen Erwerbstätige weitgehend branchenunabhängig wahr, dass Arbeitstempo und -intensität steigen. Zusätzlich bestehen z. T. weniger Einflussmöglichkeiten auf Arbeitsgestaltung und -einteilung, weil z. B. globale Unternehmensstrukturen dagegen stehen. Unter solchen Umständen kann es schneller passieren, dass die Leistungsfähigkeit eines Beschäftigten als nicht ausreichend eingestuft wird.
Darin liegt wohl auch ein Grund dafür, dass der Begriff Leistungswandlung und entsprechende Programme zum Umgang mit dem Problem v. a. in der Automobilwirtschaft geprägt und entwickelt worden sind, wo ein hoher Anteil von Produktionsarbeitsplätzen mit spezifischen Qualifikationen besteht und wo der Arbeitsprozess (z. B. Bandarbeit mit exakter Zulieferung) getaktet und stark vernetzt ist, sodass genau definierte Leistungsmerkmale erfüllt werden müssen und wenig Spielraum für individuelle Bewältigungsstrategien besteht.
Fluktuation wegen "stiller" Leistungswandlung?
In bestimmten Branchen gab und gibt es eine gewisse natürliche Fluktuation, die als normal und gegeben angesehen wird und die sich an der persönlichen Leistungsfähigkeit der Beschäftigten orientiert. Das betrifft zum Teil körperbezogene Tätigkeiten (Müllwerker, Schachtreiniger, Gerüstbauer, Montagehelfer im Schaustellergewerbe, aber auch Rettungssanitäter, Pflegekräfte u. v. m.), aber auch hochqualifizierte Tätigkeiten mit besonders hohem Anforderungsprofil bezogen auf Arbeitseinsatz und zeitliche und räumliche Flexibilität (z. B. in bestimmten Bereichen der Unternehmensberatung).
In diesen und ähnlichen Bereichen wird davon ausgegangen, dass die Beschäftigten nach einigen Jahren, in denen hohe Leistungsfähigkeit abgefragt wird, "automatisch" in andere, weniger strapaziöse Bereiche wechseln, was von den Betrieben mehr oder weniger aktiv bzw. konstruktiv unterstützt wird.
Dabei folgen die Beschäftigten ihrer sich wandelnden Leistungsfähigkeit, ohne dass das so benannt und entsprechend strukturiert wird.
In dem Maße, indem ein Betrieb nicht davon ausgehen kann, dass sich eine solche Anpassung...