In den vergangenen 10 Jahren hat im internationalen Vergleich eine relativ große Zahl von Menschen mit Behinderungen Beschäftigung auf dem (ersten) Arbeitsmarkt in Deutschland gefunden. Dafür verantwortlich sind v. a. hohe gesetzliche Anforderungen zur Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderung. Dies gilt auch für den Arbeitsschutz in Unternehmen. Gesetzlich geregelt ist z. B., dass
- die Arbeitsumgebung den behinderten Beschäftigten weder über- noch unterfordern darf,
- die Beschäftigten durch die Arbeitsgeräte nicht bei ihrer Arbeit beeinträchtigt werden dürfen,
- Hindernisse und Barrieren am Arbeitsplatz, die den behinderten Beschäftigten bei seiner Tätigkeit einschränken oder gefährden, beseitigt werden müssen.
Inkludierte Gefährdungsbeurteilung
Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind oft unsicher, welche Auswirkungen und speziellen Gefährdungen verschiedene Behinderungen mit sich bringen, wie diese Gefahren dokumentiert und wie die Arbeitsbedingungen entsprechend der Gefährdungsbeurteilung verändert werden müssen.
Seit 2016 liegt mit der "Inkludierten Gefährdungsbeurteilung" (auch "Kölner Modell" genannt) ein Verfahren vor, mit der KMU überprüfen können, ob ein sicherer Betriebsablauf für Menschen mit Behinderung gewährleistet werden kann und wie die Arbeitsumgebung behindertengerecht eingerichtet werden kann. Das Verfahren wurde am Beispiel von Menschen mit Hörbehinderung erarbeitet und kann auch auf andere Behinderungsarten übertragen werden. Die neue Methode hilft Betrieben dabei, systematisch zu analysieren, wo die spezifischen Gefahren für die behinderten Mitarbeiter in den Betrieben liegen.
Anwendung bei Hörgeschädigten
Für Personen mit Höreinschränkung sollten folgende Maßnahmen berücksichtigt werden:
- Schriftliche Anleitungen: Für Beschäftigte, deren Höreinschränkung bereits vor dem Spracherwerb bestand, kann geschriebene Information eine große Herausforderung darstellen. Hörgeschädigten kann es schwerfallen, Informationen jeglicher Art aus Texten zu erschließen. Unternehmen sollten daher Informationen in "leicht verständlicher Sprache" erstellen.
- Mündliche Ansprache: Kommunikation nur durch Lippenbewegung stellt entgegen der weit verbreiteten Annahme keine zuverlässige Kommunikation mit Hörgeschädigten dar, denn längst nicht alle Menschen mit Höreinschränkung können zuverlässig Laute vom Mund ablesen. Sinnvoll ist daher die Kommunikation mittels Mimik und Lippenbewegungen nur, wenn mehrere Menschen mit starken Höreinschränkungen im selben Arbeitsbereich eines Betriebs beschäftigt sind oder wenn der Betrieb einen Gebärdendolmetscher in der betrieblichen Praxis einsetzt.
- Akustische und optische Signale: Hörgeschädigte Beschäftigte können akustische Signale, die nicht in direktem Zusammenhang mit einem visuellen Reiz stehen, nicht wahrnehmen und erkennen. Daher sollten Betriebe akustisch vermittelte Information unbedingt mit optischen Signalen koppeln.
- Technische Hörhilfen: Sofern der Nachweis über eine Mindestschalldämmung durch eine Baumusterprüfung vorliegt, können hörgeschädigte Beschäftigte Hörhilfen als Persönliche Schutzausrüstung in Lärmbereichen tragen. Hörhilfen können in Kombination mit Kapselgehörschützern benutzt werden, wenn deren Wirksamkeit nicht durch die Hörhilfe beeinträchtigt wird und es nicht zu Rückkoppelungen kommt. Sofern ein Betrieb den Einsatz des hörgeschädigten Beschäftigten in explosionsgefährdeten Zonen vorsieht, können kompakte Geräte, die im Ohr getragen werden, in den Zonen 1 und 2 verwendet werden.
- Warn- und Notsignale: Auch für Beschäftigte mit Hörschädigung muss ein Unternehmen alle Wege der Arbeitsstätte so gestalten, dass sie von diesen sicher zu begehen oder zu befahren sind. Dazu gehört, dass alle Warn- und Notsignale im Betrieb für diese Personen wahrnehmbar und erkennbar sein müssen.
- Prävention bei Resthörvermögen: Ein Unternehmen muss sicherstellen, dass Beschäftigte mit Resthörvermögen durch die Arbeit in lauter Umgebung keine weitere Schädigung des Gehörs erleiden. Je kürzer die Aufenthaltsdauer in lauter Umgebung und je kürzer die gleichzeitige Betriebsdauer von Schallquellen gestaltet werden kann, desto geringer wird die Belastung für die Beschäftigten sein.