Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 weitgehende Mitbestimmungsrechte im Arbeitsschutz. Diese sind umso umfassender, je ausfüllungsbedürftiger eine Vorschrift ist oder anders formuliert: Je allgemeiner etwas formuliert ist, umso mehr nimmt die Bedeutung für die betriebliche Mitbestimmung zu. Damit liegt auf der Hand, dass die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Gefährdungsbeurteilung, deren vielfältige betriebliche Umsetzung es geradezu erfordert, die gesetzliche Regelung recht allgemein zu halten, sehr umfassend ist.
Trotz dieses offenkundigen Zusammenhangs, sieht sich die Arbeitsgerichtsbarkeit immer wieder gezwungen, dieses Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Gefährdungsbeurteilung sowie der Ausgestaltung der Unterweisungen zu bekräftigen. Nachfolgend sind einige wichtige Entscheidungen aus der letzten Zeit hierzu erwähnt:
2.1 BAG vom 8.6.2004 – 1 ABR 13/03
Das BAG betont in dieser Entscheidung nochmals den grundsätzlichen Zusammenhang zwischen ausfüllungsbedürftiger Arbeitsschutzvorschrift und dem bestehenden Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, das im Übrigen auch besteht, wenn keine konkrete Gefährdungslage vorliegt:
Zitat
1. Für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 I Nr. 7 BetrVG genügt es, wenn eine vom Arbeitgeber zu befolgende Rahmenvorschrift mittelbar dem Gesundheitsschutz dient.
2. Jedenfalls dann, wenn nicht umfassende Generalklauseln, sondern gegenständlich begrenzte Rahmenvorschriften betroffen sind, durch die dem Arbeitgeber aus Gründen des Gesundheitsschutzes bestimmte Handlungspflichten auferlegt werden, ist eine konkrete Gesundheitsgefahr keine Voraussetzung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 I Nr. 7 BetrVG.
3. § 3 BildscharbV und § 5 ArbSchG sowie § 12 ArbSchG sind Rahmenvorschriften i. S. v. § 87 I Nr. 7 BetrVG, bei deren Ausfüllung durch den Arbeitgeber der Betriebsrat mitzubestimmen hat.
(Orientierungssätze des Gerichtes)
2.2 BAG vom 8.6.2004 – 1 ABR 4/03
Hier hat das BAG den "Betriebsrat geradezu zum Jagen getragen", indem es ihm auferlegte, der Umsetzung von Gefährdungsbeurteilungen durch einen Generalverzicht gegenüber dem Arbeitgeber nicht einfach nur zusehen zu können:
Zitat
Die Einigungsstelle kann das Mitbestimmungsrecht nach § 87 I BetrVG ebenso wenig wie der Betriebsrat selbst nicht dahin ausüben, dass sie dem Arbeitgeber das Recht einräumt, den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand im Wesentlichen allein zu gestalten. Geht es um Regelungen nach § 87 I Nr. 7 BetrVG i. V. m. § 5 und § 12 ArbSchG muss sie vielmehr selbst eine Entscheidung darüber treffen, an welchen konkreten Arbeitsplätzen welche Gefährdungsursachen anhand welcher Kriterien und Methoden zu beurteilen und welche Unterweisungen vorzunehmen sind.
(Orientierungssatz des Gerichtes)
2.3 BAG vom 12.8.2008 – 9 AZR 1117/06
Der Beurteilungsspielraum und die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats führen auch dazu, dass der einzelne Arbeitnehmer keinen individuellen Anspruch auf eine Gefährdungsbeurteilung geltend machen kann:
Zitat
§ 5 I ArbSchG räumt dem Arbeitgeber allerdings für die Art und Weise der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung einen Handlungsspielraum ein, über dessen Ausfüllung der Betriebsrat nach § 87 I Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen hat. Der einzelne Arbeitnehmer kann deshalb nicht verlangen, dass die Gefährdungsbeurteilung nach den von ihm vorgegebenen Kriterien durchgeführt wird.
(Orientierungssatz des Gerichtes)
2.4 BAG vom 11.1.2011 – 1 ABR 104/09
Dass die Mitbestimmung sich nicht alleine auf die Gefährdungsbeurteilung, sondern auch auf die danach zu erfolgende Unterweisung bezieht, hat das BAG wie folgt festgestellt:
Zitat
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Hierzu gehört auch die durch § 12 ArbSchG dem Arbeitgeber auferlegte Verpflichtung, die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen. Einigen sich die Betriebsparteien nicht über Art und Inhalt der Unterweisung, hat das die Einigungsstelle zu regeln.
(Orientierungssatz des Gerichtes)
2.5 BAG vom 8.11.2011 – 1 ABR 42/10
Das bestätigt das BAG nochmals mit seinem Beschluss vom 8.11.2011, in dem es ausführt:
Zitat
Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über die dem Arbeitgeber auferlegten Verpflichtungen, die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen, mitzubestimmen. Einigen sich die Betriebsparteien nicht über Art und Inhalt der Unterweisung, hat das die Einigungsstelle zu regeln. Hierbei hat sie die Erkenntnisse einer Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen und die konkrete arbeitsplatz- oder aufgabenbezogene Unterweisung daran auszurichten. Sie kann sich nicht darauf beschränken, allgemeine Bestimmungen über die Unterweisung zu Gefahren am Arbeitsplatz aufzustellen.
(Orientierungssatz des Gerichtes)
Hier gibt das Gericht zugleich den wichtigen Hinweis darauf, dass der Arbeitgeber genau aufpassen muss, wen er eigentlich im Rahmen der Mitbestimmung beteiligt. Gibt es neben dem Betriebsrat einen Gesamtbetriebsrat im Unternehmen, so ersetzt dessen Beteiligung die Mitbestimmung des örtlichen Betriebsrats nur, wenn die ...