Betriebsrat und Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

Psychische Erkrankungen sind längst kein Randthema mehr in Deutschlands Unternehmen, sondern schon auf dem Weg, hier die Gesundheitsgefahr Nummer eins zu werden. Bei der Erfassung und Bekämpfung der psychischen Gefährdungen und Belastungen spielt der Personal- oder Betriebsrat eine zentrale Rolle. Welche Rechte und Aufgaben hat er dabei?

Betriebsräte müssen nicht nur aus rechtlichen Gründen für den Arbeitsschutz in ihren Unternehmen eintreten. Denn wenn die Unternehmen der Privatwirtschaft statistisch gesehen nur alle 25 Jahre (das ist der aktuelle Durchschnittswert bei den staatlichen Arbeitsschutzkontrollen in deutschen Unternehmen!) kontrolliert werden, dann ist das Engagement der Betriebs- und Personalräte für die Umsetzung und Modernisierung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Unternehmen mindestens genauso wichtig wie die bloße rechtliche Funktionserfüllung. Das gilt natürlich auch für die Erfassung und Behebung aller psychischen Belastungsfaktoren.

Gefährdungsbeurteilung – Verantwortung des Arbeitgebers

Die gründliche Beurteilung der Arbeitsbedingungen ist Voraussetzung für sämtliche Präventionsmaßnahmen im Betrieb und ist deshalb ein zentrales Element im Arbeitsschutz. Der Arbeitgeber hat selbstverständlich auch bei der Beurteilung psychischer Belastungen die Hauptverantwortung. Er muss die Arbeitsbedingungen so gestalten, dass es nicht zu einer Gefährdung der psychischen Gesundheit der Beschäftigten kommt. Dazu muss er nach § 5 ArbSchG eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung durchführen, die häufig (aber nicht immer) im Rahmen der allgemeinen Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird. Diese Beurteilung muss alle potentiellen psychischen Gefahren und Gefährdungen am Arbeitsplatz erfassen, unter anderem auch die, die durch den Arbeitgeber selbst, andere Führungskräfte, Kollegen und das allgemeine Betriebsklima verursacht werden.

Gefährdungsbeurteilung: Mitbestimmung des Betriebsrats

Der Arbeitgeber muss bei allen Planungen und Handlungen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung den Personal- oder Betriebsrat einbinden, der volles Mitbestimmungsrecht besitzt. Dabei erfasst die Mitsprache jeden einzelnen Schritt der Planung, Durchführung und Auswertung der Ergebnisse:

  • Arbeitsplatzbegehungen zur Erfassung von potentiellen Gefahren und Gefährdungen,
  • Erstellung der Fragebögen zur Befragung der Beschäftigten,
  • Befragung der Kollegen,
  • Analyse der Ergebnisse,
  • Beschluss von Maßnahmen zur Behebung der festgestellten Mängel und
  • Erfolgskontrolle dieser Maßnahmen.

Berücksichtigt der Arbeitgeber bei der Durchführung einer allgemeinen Gefährdungsbeurteilung keine psychischen Faktoren und Belastungen, muss der Personal- oder Betriebsrat dies beim Arbeitgeber anmahnen und ihn in die Pflicht nehmen.

Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

Auch bei den Begehungen für die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung sind in der Regel mindestens der Betriebsarzt, eine Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie je ein Vertreter von örtlichem Arbeitgeber und Betriebsrat beteiligt. Dabei werden alle Arbeitsprozesse und -bedingungen genau betrachtet und potenzielle psychische Belastungsfaktoren anhand von Checklisten erfasst. Anschließend werden die Ergebnisse zeitnah in gemeinsamen Meetings abgeglichen und Maßnahmen zur Behebung der festgestellten Mängel festgesetzt.

Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat im erforderlichen Umfang Räume, Sachmittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung stellen, die dieser im Rahmen der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen nutzen darf, beispielsweise zur Befragung von Beschäftigten über ihre psychischen Belastungen und Probleme im Betrieb oder für die Anfertigung von Checklisten oder Fragebögen.

Handlungshilfen für Betriebsräte

Die Betriebsräte können zur thematischen Unterstützung bereits auf eine Vielzahl von Handlungshilfen zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastung zurückgreifen, insbesondere die von den Berufsgenossenschaften herausgegebenen Leitfäden. Große Unternehmen und Branchenverbände haben aber auch ihre eigenen Handreichungen entwickelt, z. B. der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) mit seiner „VDV-Handlungshilfe zur Erfassung psychischer Belastungen bei der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen“. Ihr Kern ist eine Checkliste zur Analyse der Arbeitsplätze. Sie erläutert aber auch, wie die Checkliste angewendet und ausgewertet wird. Die Mitgliedsunternehmen des VDV, z. B. die Deutsche Bahn, haben diese VDB-Handlungshilfe für die spezifischen Bedingungen ihrer eigenen Verkehrsbetriebe angepasst, weshalb die Version der DB auch „Verfahren DB“ genannt wird.

Sonderregelungen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen

Im Hinblick auf die Gefährdungsbeurteilung gibt es darüber hinaus aber noch ein paar Besonderheiten. Zum Beispiel: Muss eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung auch beim Betriebsrat selbst durchgeführt werden? Nein, denn bei der Arbeit des Betriebsrates handelt es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit, für die der Betriebsrat vom Arbeitgeber lediglich freigestellt wird.

Weiterhin: Der Betriebsrat hat grundsätzlich zwar bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung mitzubestimmen – und auch über die Regelungen, wie diese durchzuführen ist. Er kann aber nicht in jedem Fall über den genauen Zeitpunkt der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung mitentscheiden, z. B. bei der Inbetriebnahme neuer Arbeitsstätten oder Arbeitsmittel. Führt der Arbeitgeber eine Gefährdungsbeurteilung durch und nimmt sodann eine neue Arbeitsstätte oder ein neues Arbeitsmittel in Betrieb, kann er dies tun, ohne sich zuvor mit dem Betriebsrat darüber verständigt zu haben. Der Betriebsrat kann die Inbetriebnahme nicht mit Verweis auf den Verstoß gegen sein Mitbestimmungsrecht verhindern.

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