Reform der Gefahrstoffverordnung: Aktueller Stand

Für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen sind in Deutschland die Anforderungen der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) grundlegend, die seit mehreren Jahren novelliert werden soll. Dabei geht es vor allem um neue Verpflichtungen für den Umgang mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Gefahrstoffen (CMR-Stoffe) der Kategorien 1A oder 1B. Aktuell liegt der fünfte Referentenentwurf zur Novelle vor.

Bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen sind insbesondere die Gesundheitsgefährdungen durch krebserzeugende, keimzellmutagene oder reproduktionstoxische Gefahrstoffe (CMR-Stoffe) durch strenge Schutzmaßnahmen zu minimieren. Aufgrund der sehr hohen Gesundheitsgefährdungen durch CMR-Gefahrstoffe beschreibt die Gefahrstoffverordnung sogenannte „besondere“ Schutzmaßnahmen. Diese werden in der kommenden Gefahrstoffverordnung noch ausgeweitet. 

Aktueller Status im Gesetzgebungsverfahren

Die Gefahrstoffverordnung befindet sich seit mehreren Jahren in einem Prozess der Novellierung. Inzwischen liegen fünf Referentenentwürfe vor, die alle auf der Internetseite des BMAS (Bundesministerium für Arbeit und Soziales)  veröffentlicht sind.

Änderungen vom dritten zum vierten Referentenentwurf

Wesentliche Änderungen vom dritten zum vierten Referentenentwurf betrafen § 5a „Besondere Mitwirkungs- und Informationspflichten für Veranlasser von Tätigkeiten an baulichen oder technischen Anlagen“. 

Bereits im Referentenentwurf vom 17.06.2024 wurde die sogenannte „Erkundungspflicht“ des Veranlassers von Baumaßnahmen in eine „Mitwirkungs- und Informationspflicht“ umgewandelt.

Seit dem 31. Oktober 1993 sind die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Asbest und asbesthaltigen Produkten in Deutschland verboten. Zwischen 1994 bis 1996 gab es diverse Übergangsfristen, was die Asbest-Verbote angeht, so dass erst ab ca. 1996 von asbestfreien Objekten ausgegangen werden kann. 

Wegfall der Verschlussregelung für CM-Stoffe

Erleichterungen im Hinblick auf die Aufbewahrung und Lagerung von Gefahrstoffen ergeben sich aus der geplanten Streichung der Verschlussregelung für CM-Gefahrstoffe der Kategorien 1A oder 1B.

Erstellung eines Maßnahmenplans bei Grenzwertüberschreitung

Werden bei Tätigkeiten mit CM-Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B die Grenzwerte überschritten, muss ein Maßnahmenplan mit folgenden drei Punkten erstellt werden:

  1. vorgesehene Maßnahmen, 
  2. angestrebte Expositionsminderung sowie 
  3. geplanter Zeitrahmen. 

Mitteilungspflicht an die Behörde 

Neu ist eine Mitteilungspflicht an die Behörde bei Grenzwertüberschreitung bei Tätigkeiten mit CM-Gefahrstoffen der Kategorien 1A oder 1B innerhalb einer Frist von zwei Monaten.

Expositionsverzeichnis: KEINE Einwilligung mehr notwendig

Da krebserzeugende Stoffe auch viele Jahrzehnte später noch zu Berufskrankheiten führen können, ist schon in der aktuell gültigen Gefahrstoffverordnung die Aufbewahrung des personenbezogenen Expositionsverzeichnisses für einen Zeitraum von mindestens 40 Jahren nach Ende der Exposition gefordert.

Neu ist, dass die Datenübertragung an die Unfallversicherungsträger nicht mehr von der Einwilligung der Beschäftigten abhängig sein wird. Damit kann dann z. B. die kostenlose „Zentrale Expositionsdatenbank (ZED) “ des IFA (Institut für Arbeitsschutz) der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) ohne Einwilligung der Beschäftigten bzgl. der Archivierungs- und Aushändigungspflicht genutzt werden. 

Expositionsverzeichnis: auch für reproduktionstoxische Stoffe, Kat. 1A oder 1B

In der Richtlinie (EU) 2022/431  wurde für reproduktionstoxische Gefahrstoffe der Kategorien 1A oder 1B festgelegt, das Verzeichnis mindestens 5 Jahre nach Ende der Exposition aufzubewahren. Diese Aufzeichnungspflicht aus der EU-Richtlinie muss erst noch über die kommende Gefahrstoffverordnung in Kraft gesetzt werden. 

Fazit

Auch wenn seit dem 31. Oktober 1993 die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Asbest und asbesthaltigen Produkten verboten sind, könnten beim Bauen im Bestand bei Gebäuden vor 1996 noch asbesthaltige Produkte genutzt worden sein.

Im Referentenentwurf wird beschrieben, dass aufgrund der weiterhin hohen Zahl an asbestbedingten Berufskrankheiten von einem bislang erheblichen Umfang unsachgemäßen oder unwissentlichen Umgangs mit asbesthaltigen Bauteilen beim Bauen im Bestand auszugehen ist. 

Auch im Hinblick auf die Tätigkeiten mit allen anderen CMR-Gefahrstoffen der Kategorien 1A oder 1B wird sich der Bürokratieaufwand aufgrund der folgenden drei Maßnahmen weiter steigern, sofern Luftgrenzwerte überschritten werden: 

  1. Erstellung eines Maßnahmenplans bei CM-Gefahrstoffen, Kategorie 1A oder 1B, 
  2. Mitteilungspflicht an Behörde ggf. inkl. Übermittlung des Maßnahmenplans bei CM-Gefahrstoffen, Kategorie 1A oder 1B und 
  3. Führen eines Expositionsverzeichnisses bei CMR-Gefahrstoffen, Kategorie 1A oder 1B.

Tipps für die betriebliche Praxis

Auch wenn die neue Gefahrstoffverordnung noch nicht in Kraft gesetzt wurde, ist jetzt schon der richtige Zeitpunkt, sich auf die kommenden Änderungen vorzubereiten. 
Um den administrativen Aufwand so gering wie möglich zu halten, ist dringend zu empfehlen, das Gefahrstoffverzeichnis auf das Vorhandensein der oben genannten Stoffe zu überprüfen, erkennbar an der folgenden Kennzeichnung:

  • C: H350(i):     krebserzeugende Gefahrstoffe,     Kategorie 1A oder 1B,
  • M: H340:     keimzellmutagene Gefahrstoffe,     Kategorie 1A oder 1B,
  • R: H360:     reproduktionstoxische Gefahrstoffe,     Kategorie 1A oder 1B.

Wenn diese Stoffe vorhanden sind, bietet sich eine Substitution mit Stoffen an, die NICHT mit den o.g. H-Sätzen gekennzeichnet sind. Damit entfällt der Bürokratieaufwand durch die o.g. drei Maßnahmen.

Das ggf. auch „langfristigere“ Ziel sollte immer sein, Tätigkeiten mit CMR-Gefahrstoffen der Kategorien 1A oder 1B ganz zu vermeiden. Gerade bei Stoffen mit bestimmten Funktionen wird das nicht immer (sofort) möglich sein. Der Vorteil ist aber: Werden krebserzeugende Stoffe der Kategorie 1A oder 1B nicht verwendet, kann daraus auch später keine Berufskrankheit für die Beschäftigten entstehen!


Schlagworte zum Thema:  Gefahrstoff, Arbeitsschutz