Asbestsanierung: Wie gehen Wohnungsunternehmen damit um?
Vor Kurzem schaffte es das Thema Asbest wieder einmal in die Nachrichtenspalten. Der Berliner Landesparlamentarier Andreas Otto (Bündnis 90/Die Grünen) wollte vom Senat wissen, wie viele potenziell asbestbelastete Wohnungen die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften im Jahr 2019 gekauft hatten. Die Antwort des Senats: Es waren mehr als 7.000. Die allermeisten davon gehören zu dem über die Bezirke Spandau und Reinickendorf verteilten Portfolio, das die Gewobag im Herbst in einem spektakulären Deal für 920 Millionen Euro von Ado Properties erworben hatte.
Von Putz bis Kleber – bis Ende 1994 wurden asbesthaltige Teile verbaut
Asbest ist ein Dauerthema für Wohnungsunternehmen, die über Bestände aus der Zeit von ungefähr 1960 bis 1994 verfügen. Lange galt Asbest als eine Art Wundermittel: Weil der faserartige Mineralstoff über eine hohe Hitze- und Säurebeständigkeit verfügt, wurde er insbesondere in den Sechziger und Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zur Verbesserung des Brandschutzes in vielen Bauteilen verwendet. Auch die Eigenschaft, Rissbildung in Spachtelmassen zu verhindern, trug zur Beliebtheit bei. Nachdem heraus kam, dass Asbestfasern Krankheiten wie Lungenkrebs und Bauchfellkrebs verursachen können, verbot die Bundesregierung 1993 die Verwendung von Asbest. Allerdings gehen Fachleute davon aus, dass noch bis Ende 1994 asbesthaltige Teile verbaut wurden.
"Asbest ist ein wichtiges und gleichzeitig schwieriges Thema", sagt Fabian Viehrig, Leiter Bauen und Technik beim GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Schwierig aus zwei Gründen: Zum einen, weil die Asbestbelastung von außen nicht leicht erkennbar ist, zum anderen, weil die Asbestbelastung in Putzen, Spachtelmassen und Fliesenklebern – anders als die in Fußböden und Fugendichtstoffen (Morinolfugen) – lange nicht im Fokus der Wohnungswirtschaft stand. Auf das Problem aufmerksam gemacht wurde im Jahr 2015 mit dem Diskussionspapier des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und des Gesamtverbands Schadstoffsanierung e.V. (GVSS).
Selbst ein Tapetenwechsel könnte Asbest freisetzen
"Asbesthaltige Spachtelmassen und Fliesenkleber sind in unserem Baubestand weit verbreitet, aber sie werden selten erkannt", sagte damals der GVSS-Vorsitzende Christoph Hohlweck: "Heimwerker und Bauprofis inhalieren täglich die tödliche Gefahr, ohne es auch nur zu ahnen". Als Reaktion auf den Warnruf startete der Bund im Jahr 2017 den "Nationalen Asbestdialog", in dessen Rahmen sich seither Vertreter von Bauwirtschaft, Mieterverbänden, Kommunen, Bundesländern und Wohnungswirtschaft in größeren Abständen treffen. Dabei habe es sich als schwierig herausgestellt, "eine gesellschaftliche Vereinbarung zu erzielen", sagt GdW-Experte Viehrig.
"Wenn nicht das richtige Maß gefunden wird, wird das für Wohnungsunternehmen nicht nur sehr teuer, sondern kann auch dazu führen, dass jegliche Bau- und Renovierungsarbeiten in Wohngebäuden, die vor 1995 errichtet wurden, unter generellen Asbestverdacht geraten." Fabian Viehrig, Leiter Bauen und Technik beim GdW
Das Problem dabei ist, dass sich nur mit großem Aufwand feststellen lässt, ob in Klebern, Putzen und Spachtelmassen wirklich Asbest enthalten ist. Oft verwendeten Baufirmen dort asbesthaltige Produkte, wo die Putzverhältnisse schwierig waren und Rissbildung vermieden werden sollte, so Viehrig. Typischerweise betraf das Tür- und Fensterlaibungen oder Fugen von Leichtbauwänden. Werden die Bauteile geschliffen oder angebohrt, könnten Fasern freigesetzt werden. "Selbst bei einem einfachen Tapetenwechsel kann es zu erhöhten Asbestwerten in der Raumluft kommen", heißt es bei VDI und GVSS.
Viele Fragen offen – auch der Gesetzgeber ist herausgefordert
Wie also sollen Wohnungsunternehmen mit dieser komplexen Herausforderung umgehen? "Ein Verband kann dazu ohne rechtliche Grundlage keine Empfehlung abgeben", stellt Viehrig klar. Die Folgen einer solchen Empfehlung wären weitreichend. "Hier ist zuerst der Gesetzgeber gefragt." Eine politische Forderung nach Asbestfreiheit würde jedoch kaum weiterhelfen – zumal nicht einmal der Begriff definiert sei. Persönlich rät Viehrig Wohnungsunternehmen, den Bestand in Bezug auf eine mögliche Asbestbelastung "maßvoll und systematisch zu analysieren". Sollte tatsächlich Asbest gefunden werden, so empfiehlt der Fachmann, die Mieter zu informieren, ohne Panik zu schüren.
Die im Rahmen des Nationalen Asbestdialogs erarbeitete "Leitlinie zur Asbesterkundung" sieht eine "anlassbezogene Erkundung" vor: Wird beispielsweise eine Wand bloß gestrichen, sei es nicht nötig, eine – aufwendige und teure – Asbestverprobung zu machen, erläutert Viehrig. Werde aber bei einem Mieterwechsel ein Fliesenspiegel erneuert, sei es vermutlich sinnvoll, die Verprobung in Auftrag zu geben.
Allerdings sind Viehrig zufolge die entsprechenden Regeln noch nicht klar: Der in der Richtlinie VDI 6202 Blatt 3 – Entwurf (kostenpflichtig) vorgeschlagene Umfang der Erkundung gehe nach Ansicht vieler Wohnungsunternehmen über das wirtschaftlich vertretbare Maß hinaus.
Eher Routine: Der Umgang mit Floor-Flex-Platten
Mehr Erfahrung als mit Putzen und Klebern haben Wohnungsunternehmen und Baufachleute mit der Frage, wie mit Floor-Flex-Platten umzugehen ist. Die asbestbelasteten Platten wurden häufig in Fußböden und Wänden verbaut.
Die Berliner Degewo, die im Bestand zirka 16.000 asbestbelastete Wohnungen hat, baut nach eigenen Angaben bei einem Mieterwechsel grundsätzlich alle asbesthaltigen Floor-Flex-Platten und den asbesthaltigen Kleber aus. Wird im Rahmen einer Strangsanierung in einzelnen Räumen Asbest festgestellt, veranlasst die Degewo den Rückbau einzelner Floor-Flex-Platten. Den Mietern empfiehlt das Unternehmen dringend, Floor-Flex-Platten nicht vorsätzlich zu beschädigen und auch sonst keine Arbeiten an Gegenständen wie Wandplatten, Dämmmaterialien und Abwasserrohren vorzunehmen. In Floor-Flex-Platten ist Asbest in fest gebundener Form enthalten und stellt damit keine Gefahr dar, wenn die Platten nicht beschädigt werden. Anders verhält es sich mit schwach gebundenem Asbest, wie er in Asbestpappe oder Spritzasbest zu finden ist.
"Um die asbestbedingten Risiken zu überblicken, sollte sich ein Wohnungsunternehmen in Gebäuden, die vor 1995 errichtet wurden, einen Überblick über die vorkommenden asbesthaltigen Produkte verschaffen", empfiehlt Dr. Walter Dormagen, Geschäftsfeldleiter Gefahrstoffe, Mikrobiologie & Hygiene bei der TÜV Rheinland Service GmbH. Mit der Erkundung sollten Gebäudeeigentümer einen erfahrenen Sachverständigen beauftragen.
Das Thema Asbest wird die Wohnungswirtschaft noch lange begleiten
"Bei Arbeiten an Asbestprodukten ist immer höchste Vorsicht geboten, da die Gefahr der Faserfreisetzung besonders groß ist", betont Dormagen. Wie dabei vorzugehen ist und welche Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind, regeln die Gefahrstoffverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BAMS) und die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 519) Asbest. Handlungsbedarf, darauf weist Dormagen hin, gibt es nicht nur bei Putzen und Klebern oder Bodenplatten, sondern auch bei Brandschutzklappen in Lüftungsanlagen, in denen bis 1988 asbesthaltige Produkte eingebaut wurden.
Klar ist: Das Thema Asbest wird die Wohnungswirtschaft noch lange begleiten. Das zeigt ein weiterer Blick auf Berlin. Dort hat der Senat bereits 2018 beschlossen, einen Bericht "Gesund und asbestfrei wohnen in Berlin" zu erarbeiten. Festgelegt wurde damals unter anderem die Schaffung einer zentralen Auskunft- und Beratungsstelle, an die sich Bürger und Immobilieneigentümer wenden können. Die zentrale Stelle gibt es bis heute nicht, was eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf Anfrage damit begründet, dass die "fachlichen Rechtsbereiche beim Umgang mit Asbest unveränderlich komplex und weitestgehend durch bundesrechtliche Vorschriften geregelt" seien. Die behördlichen Zuständigen könnten nicht an zentraler Stelle gebündelt werden.
Auch die im Jahr 2019 beschlossene Vergabe einer Studie, um die Machbarkeit eines Asbestregisters zu prüfen, ist noch nicht erfolgt – der Umfang der Machbarkeitsstudie sei "komplex und aufwendig", heißt es zur Begründung.
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