Energiewende: Das kostet Nachhaltigkeit konkret
Nachhaltigkeit, Dekarbonisierung und Klimaneutralität sind heute zentrale Diskussionspunkte in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels gewinnt der Schutz des Klimas weltweit an Bedeutung. Treibhausgasemissionen, die durch Industrialisierung, intensive Landwirtschaft und den steigenden Energiebedarf verursacht werden, treiben die globale Erwärmung voran.
Bereits 2015 verpflichteten sich 197 Staaten im Pariser Klimaabkommen, den Temperaturanstieg auf deutlich unter 2°C, möglichst 1,5°C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Vor diesem Hintergrund strebt die Europäische Union (EU) im Rahmen des "European Green Deals" an, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind große Investitionen notwendig. Allein innerhalb der EU werden jährliche Investitionen von 350 Milliarden Euro erwartet, um eine emissionsarme Kreislaufwirtschaft zu fördern.
Globale und nationale Strategien für Klimaneutralität
In Deutschland wurde 2019 das Klimaschutzgesetz (KSG) verabschiedet, das die Klimaneutralität bis 2045 festschreibt. Dabei wurden konkrete Emissionsziele für verschiedene Sektoren wie Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft festgelegt. Auch auf europäischer Ebene hat die EU in den letzten Jahren mehrere wichtige Richtlinien erlassen, um den Klimaschutz voranzutreiben. Die EU-Erneuerbaren-Richtlinie (RED III) sieht vor, dass der Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 auf 45 Prozent gesteigert wird. Zudem schreibt die EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED) eine Reduzierung des Energieverbrauchs um 11,7 Prozent bis 2030 vor.
Für Deutschland wurde diese Vorgabe unter anderem im "Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz" umgesetzt. Auch die EU-Gebäuderichtlinie sieht energetische Sanierungen und strengere Effizienzvorgaben vor, um bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Neu geplante Gebäude sollen bereits ab 2028 emissionsfrei sein.
Die Wärmeversorgung elektrifizieren und dekarbonisieren
Besonders im Gebäudebereich besteht großes Potenzial zur Emissionsreduzierung. Schätzungen des Bundesumweltamts zufolge wurden 2022 etwa 746 Millionen Tonnen CO2 in Deutschland emittiert. Etwa 15 Prozent davon entfielen auf den Gebäudesektor. Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu werden. Dies erfordert umfassende Maßnahmen. Ab 2030 sollen alle Neubauten emissionsfrei sein, während bis 2050 bestehende Gebäude in Null-Emissions-Gebäude umgewandelt werden.
Zusätzlich dürfen ab 2026 keine Öl- und Kohleheizungen mehr installiert werden. Die Nutzung fossiler Brennstoffe soll ab 2045 vollständig eingestellt werden. Berlin hat das Ziel, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 70 Prozent zu reduzieren. Die Stadt plant, die Wärmeversorgung zu elektrifizieren und zu dekarbonisieren, auch durch den Ausbau von erneuerbaren Energien und Fernwärmenetzen.
Notwendig ist dies, weil die Hälfte der CO2-Emissionen in Berlin durch das Heizen, das Klimatisieren und die Warmwasserversorgung in Gebäuden entstehen. Sanierungsmaßnahmen für Wohn- und Gewerbegebäude sollen daher, begleitet von Förderprogrammen, intensiviert werden. Die Hauptstadt steht jedoch aufgrund seines älteren Gebäudebestands vor spezifischen Herausforderungen, um seine ambitionierten Ziele zu erreichen. Aktuell zählt die Stadt rund zwei Millionen Wohnungen. Die Mehrheit der Wohnungen befindet sich in Mehrfamilienhäusern und ein Großteil der Gebäude stammt aus der Gründerzeit sowie den Jahren 1949 bis 1978.
Herausforderungen und Maßnahmen für Berlins Gebäudebestand
Die vorherrschende Heizmethode in Berlin ist Fernwärme, gefolgt von Gasheizungen. Erneuerbare Energien machen bisher nur etwa ein Prozent der primären Energieträger in Wohnungen aus. Unter den Mieterhaushalten werden etwa die Hälfte mit Fernwärme und Gas beheizt, während in Eigentümerhaushalten Öl und Gas dominieren. Der Endenergieverbrauch in Berlin variiert je nach Baualtersklasse. Ältere Gebäude haben einen höheren Energieverbrauch und benötigen umfassendere energetische Sanierungen.
Besonders die Baualtersklassen bis 1918 und 1919 bis 1948 weisen große Handlungserfordernisse auf. Nach Berechnungen von Bulwiengesa müssen rund 27 Prozent aller Berliner Wohnungen in den nächsten zehn Jahren energetisch saniert werden, um die Grenzwerte für den Endenergieverbrauch zu erfüllen. Angesichts der Vielzahl an zu sanierenden Gebäuden rückt die Frage nach der Finanzierbarkeit und den geeigneten Maßnahmen verstärkt in den Mittelpunkt.
Dämmen und Heizen sind große Posten
Zur Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden werden in der Praxis folgende vier Maßnahmen in der Regel angewendet:
• Erneuerung von Fenster und Türen
• Dämmung von Fassade, Dach, oberster Geschossdecke und Kellerdecke,
• Heizung in Form von Wärmepumpen
• Einbau einer Fotovoltaik-Anlage.
Der Umfang und die Höhe der Kosten variiert je nach Maßnahme und Baualtersklasse. Insbesondere das Dämmpaket und die Heizungsart bedürfen hoher Investitionen, wobei der Anschluss an die Fernwärme vergleichsweise kostengünstig ist. Der Wohngebäudebestand in Berlin wurde von Bulwiengesa entsprechend der aktuellen Endenergieverbräuche in folgende Prioritäten für die Modernisierung eingeteilt:
• Priorität 1 (bis 1918 und 1919-1948): Diese Gebäude haben den höchsten Energieverbrauch und erfordern das größte Investitionsvolumen. Fördermittel, vor allem in Form von Zuschüssen und Beratungsdienste, sind erforderlich, um die Sanierungsquote deutlich zu erhöhen.
• Priorität 2 (1949-1978): Diese Bestände, meist mit einem unzureichenden Wärmeschutz, gehören oft kommunalen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften.
• Priorität 3 (1991-2000): Die Modernisierung dieser jüngeren Gebäude sollten erst in den 2030er-Jahren in Angriff genommen werden, wenn die Bauteile ihr Lebensende erreicht haben.
• Priorität 4 (1979-1990): Diese Wohnungsbestände wurden größtenteils bereits in den vergangenen 20 Jahren einmal modernisiert und sind vergleichsweise effizient. Die Sanierungen sind daher erst ab 2040 sinnvoll.
Nur klar definierte Handlungsfelder ermöglichen Zielerreichung
Der Investitionsbedarf bis 2045 für die Sanierung und Modernisierung des Berliner Wohnungsbestands wird auf Basis heutiger Kosten auf etwa 41 Milliarden Euro geschätzt. Dies sind zirka 1,9 Milliarden Euro jährlich. Neuere Gebäude nach 2001 haben bereits hohe Standards und sind daher nicht Teil der Investitionskostenberechnung.
Im Durchschnitt sind 363 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche notwendig. Die höchsten Kosten werden für Gebäude bis 1918 erwartet, während die niedrigsten Kosten für Gebäude aus den Jahren 1990 bis 2000 prognostiziert werden. Der Energieverbrauch und der Heizungstyp spielen eine entscheidende Rolle bei den Sanierungskosten. Für Gebäude mit Fernwärmeanschluss ist der Sanierungsaufwand im Allgemeinen geringer.
Erfolgsfaktoren für die Sanierung des Berliner Gebäudebestands
Die Studie identifiziert klare Handlungsfelder, um die Sanierungsziele zu erreichen. Ein kooperatives Handeln verschiedener Akteure, darunter politische Entscheidungsträger, Planer, Förderbanken, Mieterinteressenverbände und der Industrie, ist entscheidend. Empfehlungen schließen eine Konzentration finanzieller Unterstützung auf Bestandsobjekte, höhere steuerliche Anreize für Sanierungen, verbesserte Aufklärung über Modernisierungsmaßnahmen und eine Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren ein. Fördermittel, insbesondere in Form von Zuschüssen und Beratungsdiensten, sind erforderlich, um die Sanierungsquote deutlich zu erhöhen.
Die erfolgreiche Umsetzung energetischer Modernisierungsmaßnahmen erfordert einen gemeinsamen, koordinierten Einsatz aller Beteiligten. Nur so kann Berlin seine ehrgeizigen Klimaneutralitätsziele im Gebäudesektor bis 2045 erreichen.
Der Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe der "Immobilienwirtschaft".
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