IW.2050-Bericht: Klimaneutralität! – und die Finanzierung?

Eine der größten Hemmnisse bei der Wärmewende im Bestand bleibt die Leistbarkeit für die Wohnungswirtschaft – Die Initiative Wohnen.2050 (IW.2050) blickt im Praxisbericht "Klimaneutralität! Finanzierung?" hinter die Kulissen.

Die Initiative Wohnen.2050 (IW.2050) hat auf dem Tag der Wohnungswirtschaft am 19.11.2024 in Berlin den vierten Praxisbericht unter dem Titel "Klimaneutralität! Finanzierung?" vorgestellt. Auf rund 160 Seiten geben Partnerunternehmen, Verbände und Institutionen Einblick zu Klimastrategien und realisierten Projekten.

Die gute Nachricht sei, schreiben die Vorstandsmitglieder der Initiative im Vorwort: "Deutschland hat im Jahr 2023 die Klimaschutzziele erreicht und dabei überproportional aufgeholt – auch der Gebäudebestand. Unsere Branche hat das Ziel nur noch knapp verfehlt!" Wo also ist der Haken?

Energiewende im Bestand: Spannungsfeld Finanzierung

"Der Blick hinter die Kulissen soll sowohl die Politik als auch die eigene Branche über Möglichkeiten und Maßnahmen der Energiewende im Bestand informieren, gleichzeitig aber auch sensibilisieren für die immensen Hemmnisse und Widerstände", sagte Felix Lüter, geschäftsführender Vorstand der Initiative.

So stelle die Finanzierung der Energie- und Wärmewende gerade für sozial orientierte Wohnungsunternehmen eines der größten Spannungsfelder dar. Grund seien Regularien auf EU- und Bundesebene, so Lüter. Vergrößert werde der Druck unter anderem durch die allgemeine Wirtschaftslage, Kostensteigerungen und durch den akuten Mangel an Wohnungen, Personal und Handwerkern.

Lösungsansätze kommen mittlerweile auch von der Wissenschaft – das zeige das jüngst publizierte Manifest der "Initiative Praxispfad CO2-Reduktion im Gebäudesektor", dem auch der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW beigetreten ist, so Lüter. Im vierten Praxisbericht der IW.2050 wurde dem von Forschung und Lehre geforderten Paradigmenwechsel ein eigenes Kapitel mit mehreren Beiträgen gewidmet.

Klimastrategie: Umsetzung und Leistbarkeit

An Klimastrategien arbeiten die Unternehmen mit Nachdruck: 70 Prozent der 44 IW.2050-Partner, die sich dazu zurückgemeldet haben, sind bereits in der Umsetzungsphase. Die Frage nach dem angestrebten Zieljahr ist ebenfalls ambitioniert: Von 59 Partnerunternehmen haben 44 das Jahr 2045 im Visier, 15 sogar frühere Zeitziele.

45 Unternehmen haben demnach bereits eine projektierte Reduzierung der Effizienzklassen D, E, F, G und den Wegfall von H im Gesamtbestand bis 2045 gemeldet. Die Maxime laute: worst first, und die Ertüchtigung der energetisch schlechtesten Bestände wirke.

Eine Kehrseite ist die Leistungsfähigkeit: Die Wohnungsunternehmen in der IW.2050 werden im Schnitt nur knapp die Hälfte der Bestände aus eigener Kraft – also unter Einsatz von Eigenkapital und möglichem Fremdkapital unter Vermeidung einer wirtschaftlichen Schieflage – bis 2045 regulatorikkonform entwickeln können, heißt es in dem Bericht. 39 der befragten Partner haben Angaben zu Kosten für Instandhaltung und Modernisierung gemacht. Heraus kam ein Mittelwert von 31,33 Euro pro Quadratmeter, dessen Refinanzierung über Mieten definitiv nicht darstellbar sei, wie es heißt.

Soziale Vermieter vs. renditeorientierte Wirtschaft

Die sozial orientierten Wohnungsunternehmen haben dem Bericht zufolge in der Regel primär den Auftrag, breite Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum zu versorgen. Erst an zweiter Stelle folgt eine Renditeorientierung. Das Gros der Unternehmen sei in öffentlicher, kirchlicher oder genossenschaftlicher Eigentümerschaft und habe äußerst limitierte finanzielle Ressourcen.

Für die Realisierung der Klimaziele in der Wohnungswirtschaft bleiben im Idealfall auf Bundesebene nur noch knapp 21 Jahre – die Hälfte der Zeit des branchenüblichen Investitionszyklus in diesem Segment. In einigen Bundesländern sind dies sogar nur 16 Jahre (Zieljahr 2040), in manchen Städten sogar nur sechs bis neun Jahre (Zieljahre 2030 und 2035), was den Druck auf dort ansässige Unternehmen noch erhöht.

Die Refinanzierungssituation sei mit den übrigen Segmenten der Immobilienbranche nicht vergleichbar. Genannt werden in dem Papier wörtlich folgende Faktoren:

  • Gesetzlich erheblich eingeschränkte Mieterhöhungspotenziale – auch beim Heizungstausch. Hier darf die Kaltmiete pro Quadratmeter monatlich um maximal 50 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche steigen. Für umfangreiche Modernisierungen kann die Monatsmiete seit Anfang 2019 um maximal zwei oder drei Euro pro Quadratmeter angepasst werden. Hier hat bis heute keine Preisanpassung an die massiv gestiegenen Kosten der vergangenen fünf Jahre stattgefunden,
  • eine (in Zukunft unkontrolliert) steigende CO2-Abgabe – sie kann ab 2027 gegebenenfalls direkt auf einen dreistelligen Preis pro Tonne CO2 ansteigen,
  • ein Baukostenanstieg weit über den Inflationswerten und
  • die schlechte Zinssituation am Kapitalmarkt.

Initiative Wohnen 2050: Werkzeuge und Ziele

Die Initiative Wohnen 2050 (IW.2050) ging am 28.1.2020 an den Start. Gegründet wurde sie von 24 Unternehmen unter anderem aus der Wohnungswirtschaft, initiiert von der Nassauische Heimstätte | Wohnstadt (NHW).

Aktuell hat das Bündnis 239 Partnerunternehmen und 13 Verbände und Institutionen (Stand: Oktober 2024). Zu den Unterstützern gehört unter anderem der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW und verschiedene Regionalverbände.

Neben der strategischen Kooperation und dem inhaltlichen Austausch stehen Themen zum Erreichen der Klimavorgaben im Mittelpunkt der Arbeit. Das gemeinsame erklärte Ziel ist es, die eigenen CO2-Emissionen so zu minimieren, dass die Marke von weniger als 1,5 Grad Celsius gemäß Pariser Klimaschutzabkommen eingehalten wird.

Der für die Initiative bedeutendste Schritt war in den Jahren 2023 und 2024 nach eigenen Angaben die Aktualisierung der 2020 erstellten IW.2050-eigenen Excel-Werkzeuge: Klimapfadfinder und Finanzierung. Neu dazu kam ein Werkzeug für das Management von Klimarisiken im Bestand.

IW.2050: Praxisbericht 2024/2025

83 der IW.2050-Partner haben von März bis Mai 2024 an der Webabfrage für den aktuellen Bericht mitgearbeitet und Daten geliefert – sie repräsentieren rund 1,5 Millionen Wohneinheiten mit knapp 97 Millionen Quadratmetern Wohnfläche. Alle 239 Partnerunternehmen zusammen stehen für 2,1 Millionen Wohnungen, im Schnitt liegt der Mietpreis bei 6,41 Euro pro Quadratmeter. Der Report ist eine Momentaufnahme der sozial orientierten Wohnungswirtschaft auf dem Weg in Richtung Klimaneutralität.

Praxisbericht 2024/2025 der Initiative Wohnen.2050 (Download)


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