Expertenrat: Abkehr von Heizungsgesetz für Klima gefährlich

Zwei Wochen vor den Neuwahlen schlägt der Expertenrat der Bundesregierung den Klimakurs für die neue Legislaturperiode vor. Der Gebäudesektor müsse gezielter angegangen, Förderungen sozial gerechter werden und das Heizungsgesetz bleiben – sonst würden die Ziele verfehlt.

Bis zum Jahr 2030 sollen 65 Prozent der deutschen Treibhausgase im Vergleich zu 1990 eingespart werden. Diese Ziele werden nicht erreicht, wenn die Klimapolitik nicht breiter gedacht werde, heißt es im aktuellen Zweijahresgutachten, das der Expertenrat für Klimafragen am 5. Februar vorgestellt hat.

Der Expertenrat der Bundesregierung ist ein unabhängiges fünfköpfiges Gremium, das die Wirksamkeit der deutschen Klimapolitik überprüft und Anregungen gibt. In regelmäßigen Abständen präsentiert der Rat Zahlen zum Ausstoß an Treibhausgasen. Das aktuelle Zweijahresgutachten stellt eine besonders umfassende Auswertung der Klimapolitik dar, die seit 2022 alle zwei Jahre präsentiert wird – nun also zum zweiten Mal.

Klimaexperten: Mehr Häuser sanieren, aber sozial gerecht

Die gute Nachricht: Der Trend des Rückgangs der Treibhausgasemissionen von 2014 bis 2023 hat sich dem Gutachten zufolge im Vergleich zur Dekade 2010 bis 2019 insgesamt beschleunigt. Die klimapolitischen Anstrengungen haben sich demnach erkennbar verstärkt. Was den Gebäudesektor betreffe, müssten jedoch noch deutlich mehr Häuser saniert und klimafreundliche Heizungen eingebaut werden. 

Fördergelder, Kaufanreize, Vergünstigungen: Der Staat tue bereits einiges, um den Klimaschutz zu fördern, sozial gerecht geht es dabei aber nicht unbedingt zu, so der Expertenrat. Von den Maßnahmen profitierten bislang eher wohlhabendere Haushalte, unter anderem im Bereiche Gebäude.

Die negativen Verteilungswirkungen dürften durch den steigenden CO2-Preis, der etwa das Heizen mit fossilen Brennstoffen teurer mach, verstärkt werden, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Rates, Brigitte Knopf. Abhilfe könnten etwa Instrumente wie das geplante Klimageld schaffen. Die Politik müsse hier umdenken, künftig sollten soziale Auswirkungen stärker einbezogen werden, empfiehlt der Rat.

Expertenrat: Energiewende mit GEG und BEG funktioniert

Die Experten legen der Bundesregierung auch eine bessere Planung der Ausgaben für den klimafreundlichen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft nahe und eine Koordination der Maßnahmen unterschiedlicher Ministerien aus dem Kanzleramt.

"Die umfassende Einbettung klimapolitischer Maßnahmen in eine politische Gesamtstrategie ist jetzt wichtiger denn je", erklärte der Ratsvorsitzende Hans-Martin Henning. Dabei könnte zum Beispiel die Wiedereinführung eines Klimakabinetts sinnvoll sein, wie 2019 unter der Regierung Merkel.

Die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) lobte der Rat: Das sei eine "zentrale klimaschutzpolitische Maßnahme im Gebäudesektor". Er hielte es für "gefährlich", das Paket aus Gebäudeenergiegesetz (GEG), Gebäudesanierung und Wärmeplanung wieder zurückzudrehen. Planungssicherheit sei wichtig und auch das Errei­chen der Klimaziele. Die CDU will das Heizungsgesetz im Fall eines Wahlsiegs abschaffen.

Beides seien "relevante Instrumente" bei der Umsetzung von EU-Vorgaben für den Klimaschutz in Gebäuden, so der Rat. Umstritten sei aber, ob die Förderung mit sozialer Staffelung reicht, "um den gesellschaftlichen Frieden" zu wahren.

Bundespressekonferenz: Stand der Klimapolitik in Deutschland (Youtube)

Gutachten zu bisherigen Entwicklungen der Treibhausgasemissionen, Trends der Jahresemissionsgesamtmengen und Jahresemissionsmengen sowie Wirksamkeit von Maßnahmen (gemäß § 12 Abs. 4 Bundes-Klimaschutzgesetz)

KSG-Novelle: Kontrolle der Ziele sektorenübergreifend

Die Einhaltung der Klimaziele wird mit der Novelle des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) nicht mehr rückwirkend nach verschiedenen Sektoren kontrolliert, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Die Bundesregierung soll entscheiden, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die zulässige CO2-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden kann – allerdings erst, wenn es zwei Jahre in Folge zu einer Zielverfehlung kommt.

Die Umsetzung der Novelle wird in den Projektionsberichten abgebildet, die das UBA in Abstimmung mit den zuständigen Ressorts aller Sektoren auf Bundesebene koordiniert. Nach § 5 KSG werden am 15. März jeden Jahres die Daten der Treibhausgasemissionen des Vorjahres nach festgelegten Sektoren festgelegt. Die sind die Grundlage für die im KSG festgesetzten Aufgaben des Expertenrats, der jeweils einen Monat Zeit hat, die Daten zu prüfen. Danach müssen die zuständigen Ministerien innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm zum Erreichen der Klimaziele vorlegen.

UBA-Projektionsdaten: Net-Zero-Gebäude – eine Utopie?

Mitte März 2024 veröffentlichte das Umweltbundesamt (UBA) das Kurzpapier "Treibhausgas-Projektionen 2024 – Ergebnisse kompakt". Wie daraus hervorgeht, sind die Emissionen 2023 insgesamt deutlich zurückgegangen: Das Ziel von 65 Prozent weniger CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 im Vergleich zum Referenzjahr 1990 rücke in greifbare Nähe, heißt es dort. Das Net-Zero-Ziel ist auch laut UBA-Daten mit den vorhandenen Maßnahmen nicht erreichbar.

Im Gebäudebereich sieht die Behörde zwar Fortschritte – der Rückgang der klimaschädlichen Emissionen betrug im Vergleich zum Vorjahr rund acht Millionen Tonnen (ein Minus von knapp acht Prozent) –, der Sektor liegt aber bei den im KSG festgelegten zulässigen Emissionsmengen immer noch weit hinter den Erwartungen zurück. Die Sektorlücke bis 2030 beträgt demnach 32 Millionen Tonnen Treibhausgase.

Die Projektionsberichte – also Vorausberechnungen – werden regelmäßig durch ein unabhängiges Forschungskonsortium erstellt, das die Auswirkungen der Klimaschutzpolitik auf die Treibhausgasemissionen abschätzt.

Treibhausgas-Projektionen 2024 – Ergebnisse kompakt (PDF)

Treibhausgas-Projektionen 2024 für Deutschland – Instrumente (PDF)

Man gehe von einer Verfehlung des Treibhausgasminderungsziels für das Jahr 2030 aus, erklärte wiederum der Vorsitzende des Expertenrats, Hans-Martin Henning, am 3.6.2024. In einem Sondergutachten wurden die UBA-Projektionen überprüft.

Sondergutachten: Prüfung der Treibhausgas-Projektionsdaten 2024 (Download)

Klimaschutzberichte nach KSG-Vorgaben: Hintergrund

Bereits mit der KSG-Novelle 2021 wurden die Klimaziele erhöht. Zu den Maßnahmen zählten das "Klimaschutzprogramm 2030", das vom Bundeskabinett im Oktober 2019 beschlossen wurde. Dazu gehören die CO2-Bepreisung und das "Fit For 55"-Paket zur Umsetzung des EU-Klimaziels. Im Mai 2021 wurde ein "Sofortprogramm 2022" beschlossen, das zusätzliche Maßnahmen enthielt, für die erhebliche Mittel für die Förderung energieeffizienter Gebäude in Aussicht gestellt wurden.

In den Klimaschutzberichten nach § 10 Absatz 1 KSG unterrichtet die Bundesregierung das Parlament über den jeweils aktuellen Stand der Klimapolitik, die Entwicklung der CO2-Emissionen, den Stand der Umsetzung der Klimaschutzprogramme und der Minderungswirkung sowie zur Klimazielerreichung nach § 3 KSG. Neben der Klimaberichterstattung in den zentralen Wirtschaftssektoren wird auch über die Umsetzung von sektorübergreifenden Maßnahmen berichtet. Das Monitoring findet jährlich statt. Der Klimaschutzbericht 2021 war der erste Bericht nach KSG-Vorgaben.

Klimaschutzbericht 2021

Klimaschutzbericht 2022

Klimaschutzbericht 2023

Klimaschutzbericht 2024

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dpa