"Deutsche Wohnen & Co enteignen" will Gesetzesvolksentscheid

Die Berliner Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen" hat einen zweiten Volksentscheid zur Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen angekündigt. Diesmal soll gleich direkt über ein Gesetz abgestimmt werden.

Zwei Jahre nach dem erfolgreichen Volksentscheid hat die Berliner Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen" einen zweiten Anlauf zur Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen angekündigt. Diesmal will sie direkt über ein entsprechendes Gesetz abstimmen lassen – mindestens ein Viertel der stimmberechtigten Bürger müsste dafür sein.

Senat prüft Vergesellschaftungsgesetz

Die Initiative wirft der Landespolitik vor, die Umsetzung des Anliegens zu verzögern. Der schwarz-rote Senat hatte angekündigt, zunächst ein Rahmengesetz auszuarbeiten, das zwei Jahre nach seiner Verkündung in Kraft treten soll. Davor soll es vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) begrüßte die Pläne für einen zweiten Volksentscheid. "Wenn die Initiative das jetzt vorbereitet, könnte das mal für Klarheit sorgen", sagte er nach einer Sitzung des Senats am 26. September, nachdem das Vorhaben bekannt wurde. "Ich bin mir ganz sicher, dass Gerichte dazu dann auch Stellung nehmen werden. Dann haben wir Klarheit in der Sache." Seine persönliche Einschätzung zu dem Thema habe sich nicht geändert: Enteignung oder Vergesellschaftung schaffe keine einzige Wohnung.

Betroffen von einer Vergesellschaftung wären zirka ein Dutzend Unternehmen mit insgesamt mehr als 240.000 Mietwohnungen. Allein der börsennotierte Konzern Deutsche Wohnen, auf den es die Initiative besonders abgesehen hat, verfügt über einen Bestand von etwa 116.000 Wohnungen im Raum Berlin. Mittlerweile wurde das Unternehmen vom größeren Konkurrenten Vonovia übernommen.

Kommission: Vergesellschaftung juristisch möglich

Eine vom Senat eingesetzte Expertenkommission legte Wegner am 28.6.2023 ihren Abschlussbericht vor mit dem Ergebnis: Die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen (mindestens 3.000 Einheiten) sei juristisch möglich und angemessen. Eine Gesetzgebungskompetenz des Landes sei durchaus gegeben.

Das 13-köpfige Gremium war sich einig darüber, dass "Grund und Boden" im Sinne von Art. 15 S. 1 GG Immobilienbestände von Wohnungsunternehmen umfasst und sah auch keinen Widerspruch zum Gleichbehandlungsgebot darin, dass Unternehmen ab einer Grenze von 3.000 Wohnungen oder einer vergleichbaren Größenordnung vergesellschaftet werden sollen und kleinere Unternehmen nicht. Ebenso seien Ausnahmen für landeseigene, genossenschaftliche und gemeinnützige Wohnungsunternehmen zulässig.

Die Kommission rechnet jedoch fest damit, dass über strittige Fragen letztlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden werden muss.

Abschlussbericht: Expertenkommission zum Volksentscheid "Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen" (Download)

Vergesellschaftung oder Enteignung?

Vorausgegangen war der erfolgreiche Volksentscheid "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" im September 2021. Viele sprechen auch von einer Enteignung. Das ist der Unterschied:

Privates Eigentum wird in Artikel 14 GG gesichert. Dort heißt es aber auch, eine Enteignung sei prinzipiell zulässig. Das gelte jedoch nur, wenn sie "zum Wohle der Allgemeinheit" geschehe. Dafür brauche es auch ein Gesetz, das die Art und den Umfang einer Entschädigung bestimme.

Während die Enteignung auf den Entzug konkreter Rechtspositionen – wie etwa eines Grundstücks für den Bau einer Autobahn – abzielt, könne die Vergesellschaftung, die in Artikel 15 GG geregelt ist, mit einem Eigentumswechsel einhergehen, heißt es in einem Papier des Bundestags.

Die Vergesellschaftung habe zum Ziel, Unternehmen und ganze Wirtschaftszweige in die Gemeinwirtschaft zu überführen, die Enteignung wiederum sei auf einzelne Vermögensbestandteile gerichtet. Mit einer staatlichen Aneignung von Wohnungen wolle man überhöhte Mieten verhindern, so der Bundestag – im Berliner Fall käme vorrangig eine Vergesellschaftung in Betracht.

Höhe der Entschädigung: immer noch offen

Zu den Fragen in der Kommission gehörte auch, wie die Höhe der Entschädigungssumme bemessen sein soll. Strittig war, ob und in welchem Umfang der Verkehrswert betrachtet werden muss. Der berücksichtigt auch Wertsteigerungen von Immobilien, die auf Spekulation zurückgehen.

Die Kommission kam zu dem Schluss, dass nicht der Verkehrswert der Immobilien zugrunde gelegt werden muss. Was die Höhe der Entschädigungen betrifft, wurden sich die Experten aber nicht einig. Drei Mitglieder sprachen sich in einem Sondervotum dafür aus, dass immer vom Verkehrswert ausgegangen werden müsse. Abschläge seien möglich. Die Mehrheit geht von einer Entschädigung auch unter Verkehrswert aus.

Konsens gab es darüber, dass die betroffenen Wohnungsgesellschaften nach Artikel 15 S. 2 GG entschädigt werden müssen.

"Deutsche Wohnen & Co enteignen": der Weg zum Volksentscheid

Die Berliner waren dem Bündnis "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" von Anfang an gut gewogen. Da bis zum 25.6.2021 – innerhalb der vorgegebenen Frist ab Startschuss zur zweiten Phase des Volksbegehrens am 26.2.2021 – ausreichend (sieben Prozent der zum Abgeordnetenhaus wahlberechtigten) Berliner eine gültige Stimme abgegeben hatten, kam es zum Volksentscheid, der am 26.9.2021 wie eine Wahl ablief. Rund 59 Prozent der Wähler stimmten für Enteignung.

Am 15.10.2021 beschloss die damals frisch gewählte Berliner Koalition aus SPD, Grünen und Linken in den Sondierungsgesprächen für die Regierungsbildung, dass eine Expertenkommission eingesetzt werden soll, um die Machbarkeit des Volksentscheids zu prüfen.

Expertenkommission: Überwiegend Verfassungsrechtler

Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Expertenkommission wurde im März 2022 vom Senat eingesetzt und hat die Arbeit im April 2022 aufgenommen. Sie soll den Senat mit ihrer Einschätzung nur juristisch beraten. Eine politische Entscheidung wird auf Basis des Abschlussberichts getroffen.

Bei den zehn von unterschiedlichen Senatsverwaltungen nominierten Experten handelt es sich überwiegend um Staats- und Verfassungsrechtler. Den Vorsitz übernahm die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD). Weitere Mitglieder: Prof. Dr. Thorsten Beckers (Universität Weimar), Prof. Dr. Dr. Wolfgang Durner (Universität Bonn), Prof. Dr. Michael Eichberger (Bundesverfassungsrichter a.D.), Prof. Dr. Isabel Feichtner (Universität Würzburg), Prof. Dr. Ann-Katrin Kaufhold (Universität München), Prof. Dr. Christoph Möllers (Humboldt-Universität zu Berlin), Aysel Osmanoglu (GLS Bank), Prof. Dr. Florian Rödl (Freie Universität Berlin) und Prof. Dr. Christian Waldhoff (Humboldt-Universität zu Berlin).

Die Enteignungsinitiative nominierte drei Mitglieder: Prof. Dr. Susanne Heeg (Humangeografie, Universität Frankfurt am Main), Prof. Dr. Anna Katharina Mangold (Europarecht, Universität Flensburg) und Dr. Tim Wihl (Vertretungsprofessor, Staatswissenschaftliches Institut, Universität Erfurt).


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