Berlins Senat verzögert Vergesellschaftungsgesetz

Die schwarz-rote Regierungskoalition in Berlin kommt beim Vergesellschaftungsrahmengesetz nicht voran. Das im September 2023 mit den Worten "in nächster Zeit" angekündigte Rechtsgutachten dazu ist bisher noch nicht vergeben worden. Das soll nun "Ende April, Anfang Mai" passieren, heißt es in einer Antwort der Finanzverwaltung auf eine schriftliche Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger.
Der Ausschreibungstext befinde sich noch in der Abstimmung. Ein Gesetzentwurf soll dann "im letzten Jahr der laufenden Legislaturperiode" vorliegen – die nächste Abgeordnetenhauswahl ist im Herbst 2026.
Rechtsgutachten soll Verfassungsmäßigkeit prüfen
Das Gesetz soll den Rahmen setzen für mögliche staatliche Eingriffe im Bereich der Daseinsvorsorge. Dazu gehören neben Wohnen auch Bereiche wie Energie, Wasser und Gesundheitsversorgung. Mit dem Gutachten soll unter anderem geklärt werden, wie eine Regelung möglich ist, die einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten würde.
CDU und SPD hatten das Vergesellschaftungsrahmengesetz im Jahr 2023 im Koalitionsvertrag verabredet. Das Vorhaben ist eine Konsequenz aus dem erfolgreichen Volksentscheid aus dem Jahr 2021 zur Enteignung großer Immobilienkonzerne mit jeweils mehr als 3.000 Wohnungen. Rund 59 Prozent der Berliner Wähler – mehr als eine Million Menschen – stimmten dafür.
Vergesellschaftungsgesetz: Enteignungsinitiative legt vor
Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen", die den Volksentscheid angestoßen hatte, hat dem Senat immer wieder vorgeworfen, das Abstimmungsergebnis zu ignorieren und die Umsetzung des Anliegens zu verzögern. Zwei Jahre nach dem Volksentscheid, im September 2023, kündigte die Initiative einen zweiten Anlauf an, um direkt über ein Gesetz (Gesetzesvolksentscheid) abstimmen zu lassen. Im Juli 2024 wurde die Erarbeitung des Gesetzesentwurfs beauftragt.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) begrüßte die Pläne. "Wenn die Initiative das jetzt vorbereitet, könnte das mal für Klarheit sorgen", sagte er. "Ich bin mir ganz sicher, dass Gerichte dazu dann auch Stellung nehmen werden." Seine persönliche Einschätzung zu dem Thema habe sich nicht geändert: Enteignung oder Vergesellschaftung schaffe keine einzige Wohnung.
Betroffen von einer Vergesellschaftung wären zirka ein Dutzend Unternehmen mit insgesamt mehr als 240.000 Mietwohnungen. Allein der börsennotierte Konzern Deutsche Wohnen, auf den es die Initiative besonders abgesehen hat, verfügt über einen Bestand von etwa 116.000 Wohnungen im Raum Berlin. Mittlerweile wurde das Unternehmen vom größeren Konkurrenten Vonovia übernommen.
Expertenkommission: Vergesellschaftung juristisch möglich
Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Expertenkommission wurde im März 2022 vom Senat eingesetzt und hat die Arbeit im April 2022 aufgenommen. Sie soll den Senat nur juristisch beraten. Eine politische Entscheidung muss auf Basis des Abschlussberichts getroffen werden. Bei den nominierten Experten handelte es sich überwiegend um Staats- und Verfassungsrechtler. Den Vorsitz übernahm die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD).
Am 28.6.2023 legte die Kommission den Abschlussbericht vor. Das Ergebnis: Die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen mit mindestens 3.000 Einheiten sei juristisch möglich und angemessen. Eine Gesetzgebungskompetenz des Landes sei gegeben.
Das 13-köpfige Gremium war sich einig darüber, dass "Grund und Boden" im Sinne von Art. 15 S. 1 GG Immobilienbestände von Wohnungsunternehmen umfasst und sah auch keinen Widerspruch zum Gleichbehandlungsgebot darin, dass Unternehmen ab einer Grenze von 3.000 Wohnungen oder einer vergleichbaren Größenordnung vergesellschaftet werden sollen und kleinere Unternehmen nicht. Ebenso seien Ausnahmen für landeseigene, genossenschaftliche und gemeinnützige Wohnungsunternehmen zulässig.
Die Kommission rechnet jedoch fest damit, dass über strittige Fragen am Ende das Bundesverfassungsgericht entscheiden muss.
Höhe der Entschädigung: immer noch offen
Zu den Fragen in der Kommission gehörte auch, wie die Höhe der Entschädigungssumme bemessen sein soll, wenn Wohnungen dann vergesellschaftet würden. Strittig war, ob und in welchem Umfang der Verkehrswert betrachtet werden muss. Der berücksichtigt auch Wertsteigerungen von Immobilien, die auf Spekulation zurückgehen.
Die Kommission kam zu dem Schluss, dass nicht der Verkehrswert der Immobilien zugrunde gelegt werden muss. Was die Höhe der Entschädigungen betrifft, wurden sich die Experten aber nicht einig. Drei Mitglieder sprachen sich in einem Sondervotum dafür aus, dass immer vom Verkehrswert ausgegangen werden müsse. Abschläge seien möglich. Die Mehrheit geht von einer Entschädigung auch unter Verkehrswert aus.
Konsens gab es darüber, dass die betroffenen Wohnungsgesellschaften nach Artikel 15 S. 2 GG entschädigt werden müssen.
Vergesellschaftung oder Enteignung?
Viele sprechen statt Vergesellschaftung auch von Enteignung. Das ist der Unterschied:
Privates Eigentum wird in Artikel 14 GG gesichert. Dort heißt es aber auch, eine Enteignung sei prinzipiell zulässig. Das gelte jedoch nur, wenn sie "zum Wohle der Allgemeinheit" geschehe. Dafür brauche es auch ein Gesetz, das die Art und den Umfang einer Entschädigung bestimme.
Während die Enteignung auf den Entzug konkreter Rechtspositionen – wie etwa eines Grundstücks für den Bau einer Autobahn – abzielt, könne die Vergesellschaftung, die in Artikel 15 GG geregelt ist, mit einem Eigentumswechsel einhergehen, heißt es in einem Papier des Bundestags.
Die Vergesellschaftung habe zum Ziel, Unternehmen und ganze Wirtschaftszweige in die Gemeinwirtschaft zu überführen, die Enteignung sei auf einzelne Vermögensbestandteile gerichtet. Mit einer staatlichen Aneignung von Wohnungen wolle man überhöhte Mieten verhindern – im Berliner Fall käme vorrangig eine Vergesellschaftung in Betracht.
Enteignungsinitiative: der Weg zum Volksentscheid
Die Berliner waren dem Bündnis "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" von Anfang an gut gewogen. Bis zum 25.6.2021 gaben innerhalb der vorgegebenen Frist ausreichend – sieben Prozent der zum Abgeordnetenhaus wahlberechtigten – Berliner eine gültige Stimme ab. So kam es zum Volksentscheid, der am 26.9.2021 wie eine Wahl ablief. Parallel fand die Wahl zum Abgeordnetenhaus statt.
Am 15.10.2021 beschloss die damals frisch gewählte Berliner Koalition aus SPD, Grünen und Linken in den Sondierungsgesprächen, dass eine Expertenkommission eingesetzt werden soll, um die Machbarkeit des Volksentscheids zu prüfen.
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