Berlin gegen den Rest der Welt: Mietenpolitik am Limit
Der Mietendeckel ist Geschichte, die Preisbremse zieht nicht, das Wohnungsbündnis strauchelt und Geld fehlt auch in der Kasse. Um den steigenden Mieten am angespannten Wohnungsmarkt der Hauptstadt Herr zu werden, hat der Senat jetzt neue Vorschläge – und Skandale. Dazu gehört auch eine neue Prüfstelle gegen Mietwucher. Die soll im November 2024 starten.
"Nach der Sommerpause werden wir den dafür nötigen Gesetzentwurf einbringen", sagte Stadtentwicklungs- und Bausenator Christian Gaebler (SPD) der "Berliner Morgenpost". "Ich gehe davon aus, dass das relativ schnell beschlossen wird."
Giffey: Sparen mit Zweitwohnungssteuer und Melderegister
Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey dringt außerdem auf Maßnahmen für zusätzliche Einnahmen. "In einer angespannten Haushaltslage müssen wir auch über die Einnahmeseite reden", sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. "Ein anderer Hebel ist das Melderegister."
Viele Menschen, die beim Bund arbeiten oder auch bei Firmen, die eine Repräsentanz in Berlin haben, deren Erstwohnsitz aber anderswo in Deutschland ist, hätten einen Zweitwohnsitz. Der Zensus habe zwar festgestellt, dass die Hauptstadt weniger Einwohner hat als angenommen, möglicherweise sei dem aber nicht so. "Das merken wir zum Beispiel am angespannten Wohnungsmarkt. Es gibt immer mehr Menschen, die in Berlin leben wollen. Die Frage ist aber: Melden sich alle hier an?"
Aus Giffeys Sicht ist hier einiges zu holen: "Durch jeden, der nicht in Berlin gemeldet ist, gehen der Stadt in der bundesweiten Finanzmittelzuweisung über 3.000 Euro verloren." Viel Potenzial sieht sie auch bei der Vignette fürs Anwohnerparken, die aktuell 20,40 Euro für zwei Jahre kostet. Hier plädiert sie dafür, dass der Satz für ein Jahr gelten soll, um die Einnahmesituation zu verbessern.
Senat will wegen nicht gebauter Sozialwohnungen klagen
In der Berliner Europacity sind Tausende Wohnungen in bester Innenstadtlage entstanden, aber 215 fest vereinbarte Sozialwohnungen im Areal Heidestraße fehlen. Hier will der Senat die Investoren jetzt gerichtlich zwingen, diese anzubieten. Dabei tauchte ein neues Problem auf: Das Grundstück gehört mittlerweile nicht mehr dem ursprünglichen Vertragspartner.
"Derzeit wird eine Klage gegen die aktuelle Grundstückseigentümerin sowie gegen die Vertragspartnerin von 2016 vorbereitet, um die geschuldete Mietpreis- und Belegungsbindung durchzusetzen", sagte ein Sprecher der Senatsbauverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Im Jahr 2021 sei das Eigentum an dem Grundstück entgegen den vertraglichen Vereinbarungen ohne Zustimmung und Kenntnis des Landes Berlin übertragen worden. Die Behörde sei erst im Juni 2024 durch öffentliche Äußerungen einer Initiative darauf aufmerksam geworden.
Ein Vertreter des Eigentümers sagte der RBB-"Abendschau", man habe der Leiterin der Wohnungsbauleitstelle beim Senat im Oktober 2023 eine Mail geschickt mit dem Hinweis, dass man mangels eines bindenden Vertrags keine Verpflichtung zum Bau von Sozialwohnungen sehe. Man habe Gespräche angeboten. Darauf habe niemand reagiert.
Der Sprecher entgegnete, ein Unternehmen, das kein Vertragspartner sei, habe eine Mail an eine Mitarbeiterin geschickt hat, die nicht zuständig sei. Der Fachbereich, der für den städtebaulichen Vertrag Heidestraße verantwortlich war, habe keine Kenntnis davon gehabt.
Berliner Alternativen nach dem kassierten Mietendeckel
Seit dem "Aus" des vom Bundesverfassungsgericht kassierten Mietendeckels im April 2021 sucht Berlin nach Ersatzlösungen. Am 27.5.2021 verständigte sich der damalige Koalitionsausschuss von SPD, Linken und Grünen darauf, dass die Mieten der rund 340.000 kommunalen Wohnungen ab 2022 für die kommenden drei Jahre nur noch um maximal ein Prozent erhöht werden und im laufenden Jahr eingefroren werden sollen.
Bei Neuvermietungen war geplant, zehn Prozent unter der im Mietspiegel definierten ortsüblichen Vergleichsmiete zu bleiben, hieß es damals aus Koalitionskreisen – soweit dadurch die Vormiete nicht unterschritten werde. Die Mieten kommunaler Wohnungen, die im Zuge des nicht mehr gültigen Mietendeckels gesenkt wurden, sollen nur zwei bis drei Prozent pro Jahr ab 2022 steigen, so lange, bis die ortsübliche Vergleichsmiete wieder erreicht ist.
Am 26.9.2021 nahmen die Berliner Wähler parallel zur Wahl des neuen Abgeordnetenhauses im Volksentscheid den Vorschlag an, alle gewinnorientierten Immobiliengesellschaften mit mehr als 3.000 Wohnungen im Bestand zu enteignen. Derzeit prüft der Senat ein Vergesellschaftungsgesetz, während die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" einen zweiten Volksentscheid angekündigt hat, bei dem gleich direkt über ein Gesetz abgestimmt werden soll.
Giffey, damals noch Regierende Bürgermeisterin, sorgte im Mai 2022 für einen neuen Aufreger mit der Idee einer ans Einkommen gekoppelten Mietobergrenze, die sich letztlich nicht durchsetzte.
Wohnungsbündnis: Private Unternehmen stellen sich quer
Stadtentwicklungssenator Gaebler rechnet beim Wohnungsbau in Berlin für dieses Jahr statt einer Trendwende mit einem Rückgang. "Die Zielzahl 20.000 werden wir wohl nicht erreichen und vermutlich auch nicht 2025. In diesem Jahr geht es noch einmal runter", sagte der Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Dann sei die Talsohle aber erreicht.
Insgesamt bewertet Gaebler die Entwicklung positiv mit knapp 16.000 gebauten Wohnungen im Jahr 2023 und im Jahr davor mit rund 17.300 Wohnungen. 2024 rechnet er mit zirka 14.000 Fertigstellungen. Die Zahl der Baugenehmigungen sei zuletzt deutlich zurückgegangen. Mit dem sogenannten Schneller-Bauen-Gesetz soll der Wohnungsbau einen Schub bekommen.
"Ich hoffe, dass wir die 20.000 noch in dieser Legislaturperiode schaffen, also spätestens 2026", so Gaebler weiter. "Bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ziehen die Zahlen schon stärker an." Bei den Privaten sei die Zurückhaltung größer. Wohnungsbündnispartner Vonovia will nicht nur Tausende Mieterhöhungen am oberen Limit, wie kürzlich bekannt wurde, sondern auch weniger bauen.
Der angeschlagene Immobilienkonzern Adler hat in seinen Berliner Wohnungen die Mieten bereits vor einem Jahr stärker erhöht, als das mit dem Senat vereinbart war – und ist in Konsequenz dazu gleich aus dem Bündnis ausgetreten.
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