Neubau hat für Wohnungsunternehmen derzeit keine Priorität

Viele sozialorientierte Wohnungsunternehmen können die Kosten für Neubau und Modernisierungen ohne hohe Mieten nicht refinanzieren – das ist laut einer Umfrage eine der größten Investitionsbremsen. Laufende Projekte verzögern sich.

Die Investitionsbereitschaft unter den sozialorientierten Wohnungsbauunternehmen ist weiterhin gedämpft. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Bauforums Rheinland-Pfalz. Befragt wurden auch private Bauherren.

An der Umfrage nahmen ein Viertel (25 Prozent) der Unternehmen aus den wohnungswirtschaftlichen Verbänden in Rheinland-Pfalz (VdW Rheinland Westfalen und VdW Südwest) sowie 17 private Bauträger aus der Mitgliedschaft des BFW Landesverbandes Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland teil.

Wohnungsunternehmen: 50 Prozent planen keinen Neubau

Das größte Hemmnis für den Neubau sind laut Umfrage bei den Wohnungsbauunternehmen die hohen erforderlichen Mieten nach Projektabschluss: Knapp zwei Drittel (62,5 Prozent) der Befragten sehen hier einen sehr hohen Einflussfaktor, mehr als ein Drittel (37,5 Prozent) sprechen von einem hohen Einfluss. Die Hälfte (50 Prozent) der Unternehmen plant laut Umfrage derzeit keine Neubauprojekte.

Fast alle (93 Prozent) Teilnehmer erleben aktuell Verzögerungen nicht nur bei Modernisierungen oder Instandhaltungen, sondern besonders gravierend beim Neubau, wo sich ein Drittel der betroffenen Projekte um mehr als sechs Monate verzögert. Als Hauptursachen werden der Fachkräftemangel am Bau, die Zinsentwicklung und kurzfristige Anpassungen im energetischen Bereich angegeben. Private Bauträger nannten überwiegend (83 Prozent) Probleme beim Verkauf an Endkunden als größtes Hemmnis für Investitionen in den Neubau.

Gebäudebestand: Hoffnung liegt auf seriellen Sanierungen

Investitionen in die energetische Sanierung des Gebäudebestands stehen beim Gros der im Mai und Juni 2024 befragten sozialorientierten Vermieter für die kommenden Jahre auf der Liste. Bei den Techniken, die zur Senkung der Baukosten beitragen könnten, zeigt sich eine vorsichtige Hoffnung: Serielle Neubauten und serielle Sanierungen sind für 62,5 Prozent der Umfrageteilnehmer vielversprechend. Unabhängig von der Zielgruppe bleibt die Wärmepumpe, oft kombiniert mit Photovoltaik, sowie Fernwärme die bevorzugte Technik für zukünftige Projekte.

Zu den Förderbedingungen sagte Dr. Axel Tausendpfund, Verbandsdirektor des VdW Südwest, die seien auf Landesebene gut: "Das sehen wir an der aktuellen Nachfrage, aber auch an einer Trendumkehr bei den Fördervolumen." Wichtig sei es jetzt, die guten Konditionen zu verstetigen, um Planungssicherheit und langfristig verlässliche Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Die Förderkulisse auf Bundesebene müsse aber dringend nachgebessert werden, ergänzte Alexander Rychter, Verbandsdirektor des VdW Rheinland Westfalen.

Bayerns Wohnungsunternehmen trotzen der Baukrise

Die Mitglieder im Verband bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW Bayern) planen für 2024 die Fertigstellung von 2.184 Wohnungen, wie es in einer Mitteilung heißt. Die durchschnittliche Miete liegt bei 7,05 Euro pro Quadratmeter. Von den derzeit bewilligten 18.000 neuen geförderten Wohnungen sollen im Freistaat in den kommenden Jahren 15.000 gebaut werden, wie Verbandsdirektor Hans Maier am 16.7.2024 erklärte.

"Bayern geht bei der Neubauförderung den richtigen Weg. In den Jahren 2024 und 2025 werden 2,3 Milliarden Euro – davon 870 Millionen Euro aus Bundesmitteln – für die Wohnraumförderung bereitgestellt", berichtete Maier. Für viele Wohnungsunternehmen seien Neubauprojekte nur noch mit Fördermitteln möglich. Die Unternehmen setzten auf den seriellen und modularen Wohnungsbau.

Das Bayerische Kabinett hat Ende Juni 2024 das Modernisierungsgesetz beschlossen. Darin enthalten sind unter anderem Erleichterungen bei der Stellplatzpflicht, bei der Aufstockung von Gebäuden und den Typengenehmigungen für serielles Bauen. "Eine schnelle Verabschiedung der Regelungen durch den Bayerischen Landtag könnte dem Wohnungsbau den lang erwarteten Schub geben", so Maier.

Positiv beurteilte der Verband auch die Fortschritte beim Gebäudetyp E für einfachen und experimentellen Wohnungsbau. Das Bundesjustizministerium hat am 11.7.2024 zunächst den Ressorts einen Gesetzentwurf zur Beratung vorgelegt.

vtw: Gebaut wird, wo es Fördergeld gibt

Auch der Verband der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vtw) rechnet für dieses Jahr mit einem Rückgang bei den Investitionen. Die Mitgliedsunternehmen hätten bereits signalisiert, auf die Hälfte der geplanten Neubauten zu verzichten, sagte Verbandsdirektor Frank Emrich im Februar 2024. Das betreffe 300 bis 400 Wohnungen. Gebaut werde nur noch da, wo es öffentliche Förderung gebe, sonst müssten die Investitionen allein über die Mieten refinanziert werden.

Die durchschnittliche Nettokaltmiete in den vtw-Wohnungen – also die Grundmiete ohne Betriebskosten – bewegte sich in Thüringen Ende 2022 bei einer Erstvermietung pro Quadratmeter zwischen 8,66 Euro im ländlichen Raum und 9,23 Euro in den Städten Erfurt, Weimar und Jena. Um die Investitionskosten zu decken, seien Mieten zwischen 16 und 18 Euro pro Quadratmeter nötig, rechnete Emrich vor.

Der vtw erneuerte eine alte Forderung nach neuen Förderprogrammen und jährlichen Mitteln von rund 150 Millionen Euro für die Neubautätigkeiten der knapp 200 Verbandsunternehmen mit 264.000 Wohnungen im Bestand. Nahezu jeder zweite Mieter in Thüringen wohnt laut Verband in einem solchen Unternehmen.

Sachsen: Wohnungsunternehmen können 2024 kaum bauen

Auch in Sachsen haben viele kommunale Wohnungsunternehmen Projekte auf Eis gelegt. "Das ist dramatisch, weil das oft Projekte sind, die für das kleine Portemonnaie gedacht waren", sagte Alexander Müller, Verbandsdirektor der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vdw). In einer Umfrage gaben seine Mitglieder an, rund 85 Prozent der für 2024 geplanten Neubauten in der aktuellen Lage nicht realisieren zu können. Auch für 2025 rechnet der Verband mit Rückgängen im Wohnungsbau. Gerade im sozialen Wohnungsbau sei die Förderung unzureichend, so Müller.

Auch der vdw schloss nicht aus, dass Mieten im Bestand erhöht werden müssten. In Sachen lag die Kaltmiete 2022 bei den Wohnungsunternehmen im Schnitt bei 5,22 Euro pro Quadratmeter – rund drei Prozent höher als im Jahr zuvor. Ohne Zuschüsse müsste die Mindestmiete pro Quadratmeter zwischen zwölf und 13 Euro liegen, um die Kosten zu decken.

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW veröffentlichte im November 2023 eine Umfrage, die alle Mitglieder betraf: Mehr als zwei Drittel der Unternehmen gaben an, 2024 und 2025 keine Wohnungen mehr bauen zu können. Auch der GdW sieht im seriellen Bauen einen wesentlichen Beitrag dazu, dass der Wohnungsbau wieder bezahlbarer wird.

Private Player: Vonovia kündigt 15 Prozent höhere Mieten an

Das Immobilienunternehmen LEG, zweitgrößter Vermieter in Deutschland, teilte Ende 2022 mit, auf die diversen Krisen mit einer "hohen Kostendisziplin" reagieren zu wollen: Projektentwicklungen würden gestoppt und Investitionen im Wohnungsbestand minimiert. Im Oktober 2023 erklärte Konzernchef Lars von Lackum im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX, die Mieten wegen der deutlich gestiegenen Baukosten sowie höheren Zinsen "so stark wie regulatorisch möglich" zu erhöhen. Auch Investitionen in Modernisierungsmaßnahmen wurden gedrosselt.

Branchenprimus Vonovia, Mitglied im GdW, kündigte im Februar 2023 erstmals an, kein neues Wohnungsbauprojekt starten zu wollen – wegen der Zinsen und der hohen Inflation, hieß es. Im September 2023 konkretisierte Vorstandschef Rolf Buch die Prognose: "Bei uns liegen Planungen für insgesamt 60.000 Wohnungen in der Schublade", die nicht gebaut würden, bis es sich wieder rentiere. Bereits begonnene Neubauprojekte will der Wohnungskonzern fertigstellen.

Am 16.7.2024 war durch Recherchen von "B.Z." und "Bild" bekanntgeworden, dass Vonovia Tausende Mieterhöhungen verschickt hat: Der Konzern schöpft dabei die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit aus, die Miete innerhalb von drei Jahren um 15 Prozent zu erhöhen. Im 2022 gegründeten Berliner Wohnungsbündnis, dem auch Vonovia angehört, hatte man sich auf eine sogenannte Kappungsgrenze von elf Prozent in drei Jahren verständigt. Berlins Bausenator Christian Gaebler (SPD) bezeichnet es als "nicht völlig abwegig", wenn ein Konzern sage, er habe mit der Elf-Prozent-Regel auf Dauer wirtschaftliche Probleme, wenn diese nicht gesetzlich verankert sei.

Laut Gaebler kündigte der Konzern auch an, Mietern beim sogenannten Leistbarkeitsversprechen entgegenzukommen. Demnach soll die Kaltmiete für Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein (WBS) nicht höher liegen als 27 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens. Diese Regel gilt in Berlin bereits für die landeseigenen Wohnungsgesellschaften, für die privaten Anbieter wurde im Wohnungsbündnis eine Obergrenze von 30 Prozent des Einkommens vereinbart.

  

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dpa