Wohnungswirtschaft fordert "Schwarzbrot" statt "Zuckerguss"
Nicht nur sind die Baufertigstellungen der GdW-Unternehmen auf nur noch rund 28.000 neue Wohnungen eingebrochen, wie aus der am 8. Juli vorgestellten Jahresbilanz 2023 des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft hervorgeht, eine Umfrage von Juni 2024 zeigt darüber hinaus: Zwei Drittel der Wohnungsunternehmen im GdW können in diesem Jahr gar keine Wohnungen bauen – und 2025 steigt dieser Anteil sogar auf 70 Prozent.
"Deutschland wächst, schafft aber immer weniger Wohnungen. Das passt nicht zusammen", sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko bei Vorstellung der Bilanz. "Wir brauchen mit Blick auf das Bauen, Umbauen und Wohnen bezahlbares 'Schwarzbrot' statt teuren 'Zuckerguss' in Form immer höherer und kostspieliger Vorgaben." Augenmaß bei den Anforderungen und ein breit angelegtes Zinsprogramm seien unerlässlich. Für die Transformation des Bestandes müsse zudem bei allen politischen Vorhaben darauf geachtet werden, dass die Refinanzierung machbar ist.
Bilanz: Absturz bei Geschäftsklima und Investitionen
Die im GdW organisierten Wohnungsunternehmen haben im Jahr 2023 rund 19,4 Milliarden Euro in die Bewirtschaftung und den Neubau von Wohnungen investiert, heißt es in der Bilanz. Das sind 200 Millionen Euro (1,2 Prozent) weniger als 2022. Im Neubau allein wurden mit 8,5 Milliarden Euro 500 Millionen Euro weniger investiert als im Vorjahr. Für 2024 erwartet der Verband einen Rückgang der Gesamtinvestitionen um weitere 10,4 Prozent auf dann 17,3 Milliarden Euro.
Die rund 28.000 Wohnungen von den GdW-Unternehmen fertiggestellten Wohnungen entsprechen einem Minus von 13 Prozent im Vergleich zu 2022. Für das laufende Jahr 2024 werden voraussichtlich 19 Prozent weniger (knapp 23.000 Wohnungen) entstehen. 2025 wird die Zahl der neu gebauten Wohnungen nochmals um ein Fünftel auf 18.000 Wohnungen sinken.
Im Jahr 2023 gab es bei den GdW-Unternehmen insgesamt noch rund 717.000 Wohnungen mit Mietpreis- oder Belegungsbindung, also 13.000 Wohnungen mehr als im Jahr zuvor. Damit ist der Rückgang der Sozialwohnungen im Bestand zum Stillstand gekommen. Die Nettokaltmiete in den Wohnungsbeständen – Einnahmeseite der Unternehmen – stieg im Jahresvergleich um rund zwei Prozent. Mit einem Durchschnittswert von 6,39 Euro pro Quadratmeter lag die GdW-Miete 2023 unter dem bundesweiten Durchschnitt von 7,43 Euro pro Quadratmeter. Die Nettokaltmieten sind um 14 Cent auf 6,39 Euro pro Quadratmeter gestiegen (plus 2,2 Prozent). Bei einer Wohnfläche von 70 Quadratmetern zahlten Mieterhaushalte in Wohnungen der GdW-Unternehmen 874 Euro weniger pro Jahr als der Durchschnitt aller Mieterhaushalte.
Auch die GdW-Unternehmen sahen sich 2023 gezwungen, die Betriebskostenvorauszahlungen anzuheben. Die warmen Betriebskosten stiegen um 6,4 Prozent auf 1,60 Euro pro Quadratmeter (plus zehn Cent pro Quadratmeter).
Umfrage: Neubau und Modernisierungen storniert
Die sozial orientierten Wohnungsunternehmen befinden sich in einer dramatischen Lage, wie eine neue Umfrage von Juni zeigt: Im Jahr 2024 können rund 6.000 (20 Prozent) der ursprünglich geplanten Wohneinheiten nicht realisiert werden. 2025 wird sich die Situation im Neubau nochmals zuspitzen: Der Anteil der Stornierungen gemessen an den ursprünglichen Planungen steigt auf mehr als 12.000 Wohnungen (40 Prozent).
"Wenn die Regierung nicht dringend die Rahmenbedingungen für den bezahlbaren Wohnungsbau verbessert, wird sich insbesondere die sozial verantwortungsvolle Wohnungswirtschaft immer mehr aus dem Neubaugeschehen verabschieden", so Gedaschko.
Auch bei den Modernisierungen sorgen hohe Kosten und ein schwieriges Finanzierungsumfeld 2024 und 2025 einen Rückgang der Aktivitäten. Von geplanten 110.000 Modernisierungen werden in diesem Jahr laut Umfrage nur 75.000 (68 Prozent) vollständig umgesetzt. Weitere knapp 21.000 Wohnungen (19 Prozent) können zwar angegangen, die Maßnahmentiefe muss aber reduziert werden. 14.000 Wohnungen (13 Prozent), für die eine Modernisierung für 2024 geplant war, werden zurückgestellt. Im Jahr 2025 werden von rund 102.000 geplanten Modernisierungen nur 63 Prozent vollständig realisiert, 20 Prozent finden in vermindertem Umfang statt, 16 Prozent werden vorerst storniert.
"So werden wir die Neubau- und die Klimaziele nie und nimmer erreichen", warnte der GdW-Chef. "Wenn die Regierung sich auf einen erfolgreichen, bezahlbaren Weg begeben will, dann sollte sie sich unseren 10-Punkte-Plan vornehmen und konsequent umsetzen."
Bezahlbarer Wohnungsbau: 10-Punkte-Plan des GdW
Damit die sozial orientierte Wohnungswirtschaft bezahlbare Wohnungen anbieten und zukunftsfähig weiterentwickeln kann, muss die Politik laut GdW folgende Punkte beachten und umsetzen:
1. Bezahlbarer Wohnungsbau: Augenmaß bei Vorgaben walten lassen
Neben einer deutlich höheren Förderung für den Wohnungsneubau muss der Staat kräftig an den Stellschrauben bei den baulichen Standards drehen. Viele Normen, Vorgaben und Auflagen sind schlichtweg überzogen. Alles, was die Kosten beim Neubau unnötig nach oben treibt, gehört deshalb auf den Prüfstand.
2. Förderung: Breit angelegtes Zinsprogramm notwendig
An einem groß angelegten Zinsförderprogramm für bezahlbaren Wohnungsbau führt in der Krise kein Weg vorbei. Eine Zinssubvention auf ein Prozent wäre für den Staat durch Steuermehreinnahmen infolge der wieder auflebenden Baukonjunktur kostenneutral.
3. Heizungstausch: Speed- und Sozialbonus muss auch für Vermieter gelten
Selbstnutzer von Gebäuden und Vermieter müssen gemäß Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz endlich gleichbehandelt werden. Auch Vermieter müssen den Speedbonus beim Heizungstausch erhalten, um ihn an die Mieter weitergeben zu können. Zudem müssen Vermieter mit niedrigen Mieten auch den Sozialbonus erhalten.
4. Gesetzgeber darf Refinanzierung nicht weiter beschränken und abwürgen
Wir haben in Deutschland ein sozial blindes Mietrecht mit pauschalen, extremen Begrenzungen. Die Transformation mit Blick auf Klimaneutralität ist ein Gemeinschaftsprojekt, bei dem Vermieter und Mieter ihren Beitrag leisten müssen. Ohne Mitfinanzierung durch beide Seiten wird es nicht gehen.
5. Klimakomponente im Wohngeld nach Energieeffizienzklassen differenzieren
Die Klimakomponente im Wohngeld-Plus-Gesetz ist zu niedrig und wird pauschal ausgezahlt. Sie muss schnellstmöglich nach Energieeffizienzklassen der Gebäude differenziert werden. So wird es für Bezieher mit einer zielgerichteten und effizienten Transferleistung möglich, eine höhere Nettokaltmiete nach Modernisierung zu tragen.
6. Europäische Gebäuderichtlinie (EPBD) sinnvoll national umsetzen
Die Kosten der Sanierung bei den GdW-Unternehmen auf EH-55-Standard betragen laut einer Studie der EBS-Universität rund 288 Milliarden Euro – für den EH-115-Standard dagegen nur rund 120 Milliarden Euro. Bei der nationalen Umsetzung der EPBD ist die Lösung daher eine ausreichende Versorgung mit regenerativen Energien bei behutsamer Effizienzsteigerung.
7. Konstruktionsfehler bei der EU-Taxonomie beheben
Künftig bestimmt die schlechte Ist-Qualität von Gebäuden die gewährten – ebenfalls schlechten – Kreditkonditionen. Deshalb: Auch der Weg zum Ziel muss als taxonomiekonform gelten! Eine Lösung wären zinsvergünstigte Kredite der Europäischen Investitionsbank. Für Unternehmen sind die Tranchen hier aber regelmäßig zu groß. Deshalb wäre eine Poolbildung etwa durch die Finanzministerien auf Länderebene denkbar.
8. Kostenlawine bei Umbau von Strom- & Wärmeversorgung für Mieter abmildern
Die CO2-Abgabe bedeutet für die Bürger in ihrem ganzen Verhalten eine zusätzliche Belastung. Das im Koalitionsvertrag versprochene Klimageld als starker Ausgleich für finanzschwache Haushalte muss endlich kommen und dann auch ansteigen.
9. Transparenz für Kostenexplosion bei der Energiewende
Beim Fernwärmemonopol ist eine verpflichtende Kostentransparenz mit Kontrolle durch das Bundeskartellamt dringend geboten. Beim Ausbau des Stromnetzes fehlen Transformatoren und Investitionskraft – hier muss Ehrlichkeit bei Verzögerungen oder Unmöglichkeit her. Um die Kostenvervielfachung beim Netzzubau zu finanzieren, wird den Netzbetreibern eine feste Rendite von 6,75 Prozent gewährt – und beim Wohnen?
10. Transparenz der Regierung über die Kosten einzelner Lösungen
Die Regierung muss den Bürgern ehrliche Antworten auf die Frage geben, wer in welchem Zeitraum welche Belastungen der Klimazielerreichung tragen muss. Ansonsten droht zu Recht massiver Unmut aus der Bevölkerung.
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