Die Planung von Evakuierungen in Notfällen ist ein wichtiges Instrument in der betrieblichen Notfallplanung. Doch wie jede Planung ist dies eine theoretische Betrachtung. Es ist daher sehr wichtig, anhand von Evakuierungsübungen zu testen, ob die geplanten Abläufe auch funktionieren. Es spielt dabei keine Rolle, wie detailliert Ihre Evakuierungsplanung im Vorfeld ist. Auch wenn in Ihrem Betrieb noch keine umfangreichen Maßnahmen getroffen wurden, werden Sie nach einer Evakuierungsübung wissen, was gut funktioniert und wo evtl. Handlungsbedarf besteht.
Es gibt zum Thema Evakuierungsübungen eigentlich nur zwei Meinungsgruppen. Die einen sind uneingeschränkte Befürworter und die anderen sind die ewigen Skeptiker. Zur Gruppe der uneingeschränkten Befürworter gehören etliche Vertreter, die zuvor zur Gruppe der Skeptiker gehörten. Erst durch ein reales Notfallereignis kam es zum Sinneswandel.
Die Skeptiker führen Argumente an wie:
- "Unsere Maschinenlaufzeiten geben dies nicht her."
- "Dann sind wir nicht mehr lieferfähig."
- "Das lohnt sich nicht."
- "Das ist zu teuer."
Befürworter hingegen sagen:
- "Nur nach den Evakuierungsübungen wissen wir, wo es Schwachstellen gibt. Nach einem Notfall wäre dies zu spät."
- "Es sind gesetzliche bzw. behördliche Auflagen."
- "Es hilft uns im Notfall, wenn sich alle Beteiligten, vor allem die Rettungskräfte, auf dem Betriebsgelände auskennen."
- "Unsere Mitarbeiter müssen wissen, wie sie sich im Notfall verhalten müssen. So etwas muss immer wieder geübt werden, sonst wird es vergessen."
- "Der Aufwand und Nutzen einer Evakuierungsübung lassen sich nicht betriebswirtschaftlich rechnen. Aber was ist dieser geringe Aufwand im Vergleich zu Personenschäden, verbunden mit allen weiteren Kosten bis hin zum Imageschaden?"
Evakuierungsübungen lassen sich planen. Dadurch kann man auch bestimmte Produktionsausfälle, An- und Abfahr- sowie Materialverluste, Einschränkungen der Lieferfähigkeit oder anlagenbezogene Kosten beeinflussen. Gegebenenfalls können die entstehenden Produktionsausfälle bereits in die weitere Fertigungsplanung einbezogen werden. Ebenfalls kann man prüfen, ob Mitarbeiter der Folgeschicht zum Zeitpunkt der Übung bereits anwesend sind und kurzfristig die Arbeit der Mitarbeiter an den entsprechenden Anlagen übernehmen, bis die Übung beendet ist.
Evakuierungsübungen sollten in einem Planungsstab vorbereitet werden. Dies könnte z. B. im Arbeitsschutz-Ausschuss (ASA) erfolgen. Hier sind in vielen Betrieben die zur Planung und Durchführung erforderlichen Stellen, wie Geschäftsleitung, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Produktions-/Verwaltungsverantwortliche, Instandhaltung, Betriebsrat, Personalabteilung und, falls vorhanden, Brandschutzbeauftragter, bereits vertreten. Es ist aber auch empfehlenswert, externe Kräfte, wie Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei, miteinzubinden. Auch wenn die Verantwortung für die Durchführung von Evakuierungsübungen beim Unternehmer liegt, zeigt jedoch die Erfahrung, dass die Einbindung der externen Kräfte für beide Seiten vorteilhaft ist und daher Hilfe i. d. R. auch gerne angeboten wird.
Eine wichtige organisatorische Vorüberlegung zur Planung einer Evakuierungsübung ist, ob die Übung angekündigt oder unangekündigt durchgeführt werden soll. Es ist nicht ratsam, die erste Übung in einem Unternehmen unangemeldet durchzuführen. Die Mitarbeiter sind noch nicht sensibilisiert für dieses Thema. Eventuelle Panik, Verletzungen und Unverständnis können die Folge sein und den gewünschten Lerneffekt zunichte machen. Je nach Betriebsgröße und -struktur kann ein mehrstufiges, über einen längeren Zeitraum angelegtes Konzept zu Evakuierungsübungen sinnvoll sein. So kann der Prozess kontinuierlich weiterentwickelt werden. Mögliche Varianten zeigt Abb. 1.
Abb. 1: Möglicher Prozess zu Evakuierungsübungen
Die Auswertung einer Evakuierungsübung kann auf mehrere Arten erfolgen. Zum einen können Beobachter an den markanten Evakuierungsgängen, an Ausgängen und an den Sammelplätzen positioniert werden. Sie stoppen die Zeiten, die die Personen zum Verlassen der Bereiche benötigen, halten die Anzahl der Personen in den jeweiligen Evakuierungswegen und -ausgängen fest, tragen ihre Beobachtungen schriftlich zusammen und tragen bei einer anschließenden Besprechung der Übung ihre Anmerkungen vor. Diese Aufgaben können bei ausreichender Anzahl auch die Evakuierungskräfte (EVK) übernehmen (z. B. alle Stellen doppelt besetzen: eine EVK übernimmt die eigentlichen Aufgaben, die zweite EVK erfasst die Daten). Eine weitere gute Möglichkeit bieten Fragebögen, die von den evakuierten Personen ausgefüllt werden.
Abb. 2 zeigt einen möglichen Ablauf einer Evakuierungsübung.
Abb. 2: Möglicher Ablauf einer Evakuierungsübung
Nach der Auswertung der Evakuierungsübung müssen notwendige Maßnahmen eingeleitet werden. Ebenfalls ist es wichtig, dass die Mitarbeiter über das Ergebnis bzw. die Erkenntnisse der Evakuierungsübung informiert werden.