Gebäuderäumung im Bedrohungsfall

Die Räumung und Evakuierung von Gebäuden ist eine der wichtigsten Maßnahmen für die Rettung von Menschen in Risikosituationen wie Brand, Bombendrohung, Terroranschlag oder Rauchentwicklung. Grundlage der Durchführung von Gebäuderäumungen bildet der Flucht- und Rettungsplan. Welche Inhalte hat er? Und was müssen Unternehmen beachten, um ihre Beschäftigten im Rahmen von Unterweisungen und Räumungsübungen auf den Ernstfall vorzubereiten?

Das Arbeitsschutzgesetz fordert in § 10 Abs. 1, dass Arbeitgeber „entsprechend der Art der Arbeitsstätte und der Tätigkeit sowie der Zahl der Beschäftigten“ Maßnahmen ergreifen müssen, die „zur Ersten Hilfe, Brandbekämpfung und Evakuierung der Beschäftigten erforderlich“ sind.  Diese Forderung wird in der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und den Technischen Regeln ASR A1.3 „Sicherheits- und Gesundheitskennzeichnung“ und ASR A2.3 „Fluchtwege und Notausgänge“ weiter konkretisiert. 

Aufgaben des Flucht- und Rettungsplans

Die Hauptaufgabe des Flucht- und Rettungsplans ist dabei klar definiert: Beschäftigte sollen über das richtige Verhalten bei der Flucht und Evakuierung aus ihrer Arbeitsstätte im Gefahren- bzw. Bedrohungsfall aufgeklärt werden. Vor diesem Hintergrund informiert der Flucht- und Rettungsplan über alle Fluchtmöglichkeiten aus dem Gebäude sowie die Lage der Rettungs- und Alarmierungsausstattungen. Er bildet damit auch die Grundlage für Gebäuderäumungen und Evakuierungen sowie zu Räumungs- und Evakuierungsübungen.

Flucht- und Rettungsplan erstellen

Die gestalterischen Vorgaben für einen Flucht- und Rettungsplan unterliegen strengen Vorgaben. Aufbau, Bestandteile und Größenverhältnisse des Plans sind in der DIN ISO 23601 genau festgelegt. Wichtige grafische Inhalte des Flucht- und Rettungsplans sind: 

  • Der Flucht- und Rettungsplan muss deutlich durch die Überschrift „Flucht- und Rettungsplan“ als solcher gekennzeichnet sein.
  • Er muss ein Grundriss des Gebäudes oder betreffenden Gebäudeteils sowie die Lage der Rettungswege in vorgegebener Farbe und Maßstab zeigen.
  • Eine „Standort-Nadel“ muss dem Betrachter Aufschluss über die eigene Position im Gebäude geben.
  • Mit Piktogrammen müssen dem Betrachter die Lage der Erste-Hilfe- sowie Feuerbekämpfungsausstattung, Sammelstellen und Alarmierungseinrichtungen, zum Beispiel Notfalltelefone, Hausalarm oder Feueralarm, ersichtlich werden.

Gefährdungsbeurteilung und Unterweisungen

Die Information der Beschäftigten durch die Anbringung eines Flucht- und Rettungsplans ist selbstverständlich nicht ausreichend. Die Vorbereitung auf einen möglichen Bedrohungsfall muss durch eine spezifische Gefährdungsbeurteilung und die Schulung der Beschäftigten flankiert werden. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung muss sichergestellt werden, dass die Flucht für alle Beschäftigten ohne Gefährdung möglich ist. Hierzu müssen alle Fluchtweg-Flure von innen und ohne weitere Hilfsmittel zu öffnen sein. Die ausgeschilderten Ausgänge müssen funktionsfähig sein und dürfen auch während der Nacht nicht versperrt werden.

Der Arbeitgeber hat die Beschäftigten weiterhin über den Inhalt der Flucht- und Rettungspläne sowie über das Verhalten im Gefahrenfall regelmäßig in verständlicher Form zu informieren (Unterweisungen), „vorzugsweise mindestens einmal jährlich“ (ASR A2.3) und möglichst in Form einer Begehung der Fluchtwege.

Bei den Unterweisungen/Schulungen müssen insbesondere folgende Verhaltensregeln vermittelt werden:

  • Die nächstgelegenen Fluchtwege benutzen und nicht die Wege, über die man üblicherweise das Gebäude betritt oder verlässt.
  • Grün-weiße, beleuchtete Schilder kennzeichnen die Notausgänge und weisen den Weg aus dem Gebäude.
  • Fluchttüren müssen auch dann geöffnet werden, wenn dadurch ein Alarm ausgelöst wird.
  • Lassen sich die Fenster im Erdgeschoss öffnen, dann sollte dieser direkte Ausstieg gewählt werden, wenn der Zugang zu den Fluchtwegen bereits gefährlich geworden ist.
  • Niemals das Gebäude durch die Fenster der höheren Stockwerke verlassen, außer im äußersten Notfall oder wenn Feuerleiter am Gebäude angebracht sind.
  • Aufzüge müssen nicht nur im Brandfall gemieden werden.

Räumungs- und Evakuierungsübungen: Aufgaben und Ziele

Noch wichtiger als Schulungen ist die Übung in der Praxis. Dazu halten Unternehmen in bestimmten zeitlichen Abständen Räumungs- und Evakuierungsübungen ab. Die Zeitabstände sind rechtlich nicht konkret vorgegeben, in der Regel finden diese Übungen einmal im Jahr oder mindestens alle zwei Jahre statt. Neben der Einübung des richtigen Verhaltens im Notfall ist die ständige Optimierung der Räumungs- und Evakuierungsplanung ein weiteres wichtiges Ziel dieser Übungen.

Anhand der Übungen soll mindestens überprüft werden, ob

  • die Alarmierung zu jeder Zeit unverzüglich ausgelöst werden kann,
  • alle Personen alarmiert werden können, die sich im Gebäude aufhalten,
  • sich alle im Gebäude befindlichen Personen bei Alarm wissen, wie sie sich zu verhalten haben,
  • die Fluchtwege schnell und sicher benutzt werden können,
  • die Fluchtwege richtig und effektiv gekennzeichnet sind.

Bei der Räumungsübung im Ernstfall haben die für die Durchführung verantwortlichen Personen unter anderem folgende Aufgaben:

  • Alle im Gebäude befindlichen Personen im eigenen Verantwortungsbereich informieren und evakuieren.
  • Die Alarmierung an die Rettungsstellen absetzen.
  • Als letzte Person den eigenen Verantwortungsbereich prüfen und verlassen.
  • Wenn die Sicherheitslage es möglich macht, einen eigenen Löschungsversuch unternehmen.
  • Anwesende Personen zu den Sammelstellen führen.
  • Vollzähligkeitskontrollen durchführen und dem Hauptverantwortlichen melden.

Vorbereitung – Durchführung – Nachbereitung

Der Aufwand für Räumungs- und Evakuierungsübungen ist hoch. Daher müssen sie sorgsam geplant, durchgeführt und ausgewertet werden. Mindestens folgende Punkte müssen dabei in den einzelnen Phasen Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung berücksichtigt werden:

Vorbereitungsphase:

  • Auswahl des Bedrohungsszenarios
  • Bestimmung des Übungsorts, von Zeitpunkt und Dauer der Übung
  • Festlegung der Übungsschwerpunkte und -ziele
  • Festlegung der Übungsleitung, der Übungsteilnehmer, der Helferteams (zum Beispiel Brandschutzhelfer) und Beobachter
  • Briefing der Beteiligten und Aufgabenzuweisung
  • Organisation von Sicherheitsmaßnahmen (für potenzielle Unfälle während der Übung)

Durchführung:

  • Auslösung der Übung
  • Videoaufzeichnung der Übung
  • Protokoll der Durchführung durch Übungsleitung

Nachbereitung:

  • Informierung der Übungsteilnehmer/Beschäftigten über Erkenntnisse der Übung
  • Analyse des Protokolls der Übungsleitung und der Videoaufzeichnung
  • Informierung der örtlichen Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste über Verlauf der Übung
  • Schriftliche Dokumentation der Übung
  • Besprechung zur Optimierung des Räumungs- und Evakuierungskonzepts

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