Gendergerechte Schutzkleidung: Nicht passende PSA verdoppelt Unfallquote

Eine der Studien konstatierte als Folge der ergonomischen Mängel sogar eine doppelt so hohe Unfallquote während des Einsatzes als bei Männern. Dies läge vor allem daran, dass PSA immer noch auf die körperlichen Anforderungen von Männern zugeschnitten ist und von den Herstellern veraltete anthropometrische Daten verwendet werden.
Die Persönliche Schutzausrüstung kann nur Schutz bieten, wenn sie bequem ist und gut sitzt. Denn eine schlechtsitzende PSA kann dazu führen, dass Beschäftigte abgelenkt werden, was wiederum das Risiko von Unfällen erhöht.
Komfort und Ergonomie
Feuerwehrleute sind durch das hohe Maß an Konzentration, Zeitdruck sowie anstrengende Körperhaltungen hohen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt. PSA-Standards berücksichtigen in der Regel aber vorwiegend die direkten Gefahren, sodass Komfort und Ergonomie häufig zu kurz kommen. Beides sind jedoch Faktoren, die für eine Verringerung der psychologischen und körperlichen Stressbelastung entscheidend sind und Leistungs- und Reaktionsvermögen negativ beeinflussen. Ein unkomfortable PSA senkt damit potenziell auch die Unfallgefährdung für ihren Träger.
Doppelt so hohe Unfallquote
Dies gilt insbesondere für Frauen, wie eine aktuelle Studie der RWTH Aachen zeigt, die Unfallmeldungen der freiwilligen Feuerwehren auswertete. Die Studienmacher konnten aufzeigen, dass Feuerwehrfrauen tatsächlich ein mehr als doppelt so hohes Unfallrisiko (205,7 %) haben als Männer und darüber hinaus auch öfter schwerere Unfälle erleiden. Dies sei, so die Forscher, zumindest teilweise auf die für Frauen schlecht zugeschnittene PSA zurückzuführen.
Schlecht geschützt
In einer zweiten Studie der Aachener Hochschule wird diese Vernutung zumindest insofern bestätigt, als dass viele Feuerwehrfrauen sich in ihrer PSA nicht komfortabel und wohlfühlen. Im Rahmen einer Interviewstudie wurden über 1.700 Feuerwehrfrauen und -männer zum Passverhalten ihrer Persönlichen Schutzbekleidung (PSA) befragt.
Feuerwehrfrauen beurteilten ihre Schutzanzüge deutlich schlechter als ihre männlichen Kollegen. Die Bekleidung passt ihnen schlechter, da zum Beispiel Jacken über der Hüfte nicht schließen und Hosen an der Taille zu weit, an den Beinen zu eng oder insgesamt zu lang sind. Neben fehlendem Komfort fühlten sie sich auch schlecht geschützt.
Normen mit Sicherheitsrisiko
In einer 2024 veröffentlichten Studie im Auftrag der Europäischen Kommission wurden 2650 harmonisierte europäische Normen mit Bezug zum Arbeitsschutz darauf untersucht, ob und in welcher Qualität anthropometrische Daten, d. h. Daten von Körpermaßen und -proportionen, berücksichtigt wurden.
In 36 % dieser Normen wurde zwar auf anthropometrische Daten zurückgegriffen, aber diese wurden in den meisten Fällen nur unzureichend bei der Gestaltung der PSA berücksichtigt. Weiterhin waren viele der Maße veraltet oder bezogen sich nur auf die Körpermaße von Männern. Aktualisierte anthropometrische Daten lagen, wenn überhaupt, zumeist ebenfalls nur für Männer vor. Bei 76 Normen, so der Befund der Experten, könnten die überholten oder unpassenden anthropometrischen Daten sogar die Schutzwirkung der PSA so deutlich mindern, dass eine Unfallgefährdung nicht ausgeschlossen werden kann.
Genderorientierte Beschaffung von PSA
Immerhin reagiert nun die Internationale Organisation für Normung (ISO) auf diese Defizite. Sie arbeitet momentan an einem Entwurf, in dem alle Normen auf ihre Aktualität hin überprüft werden. Auch eine der beiden Aachener Studien zeigt mögliche Lösungswege auf. Bei der Beschaffung sollte ihr zufolge eine breite Markterforschung durchgeführt und eine größere Auswahl an Modellalternativen betrachtet werden.
Dabei sollten die – vornehmlich männlichen Beschaffungsbeauftragten – auch Modelle in Betracht ziehen, die ihnen auf den ersten Blick nicht attraktiv erscheinen und die Bedürfnisse von Feuerwehrfrauen besonders berücksichtigen. Bislang seien Beschaffungsentscheidungen nämlich zu stark von den persönlichen Erfahrungen der Beschaffungsbeauftragten geprägt.
Wo Entscheidungsträger in der Industrie und den Behörden selbst mehrheitlich männlich sind, dort könnten weibliche Perspektiven nicht eingenommen und Bedürfnisse von Frauen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Den Entscheidungsträgern ist mitunter nicht bewusst, dass sich weibliche Bedürfnisse von ihren eigenen Bedürfnissen unterscheiden können.
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